drigen Eindruck diese fremde, vornehme Wendung auf mich machte. Wie wurde mir aber erst, als sie fortfuhr: Der Herzog weiß bloß im allgemeinen, daß dein Vater tod ist, ich muß dich aber bitten, es ihm und Jedermann zu verhehlen, daß er, mit den Waffen in der Hand, die Sache unsers Kö- nigs bekämpfend, gestorben. Es könnte uns nach- theilig seyn in der Gunst des Hofes, und würde dem Herzog äußerst mißfallen. Jch erstarrte. O mein Vater! brach ich endlich schluchzend aus, kann man von deiner Tochter verlangen, deine Vater- landsliebe und deine heldenmüthige Aufopferung zu verläugnen? Sey vernünftig, Virginia, sagte Deine Mutter: die Dinge haben sich sehr verän- dert, du wirst dich darein finden lernen, und die eingesogenen Vorurtheile ablegen. Mein guter Bruder war, durch Umstände, in eine schlechte Sache verflochten worden, friede sey mit seiner Seele! Gern will ich im Stillen mit dir über seinen Verlust weinen; aber ich untersage dir, mit mütterlichem Ansehn, mich nicht öffentlich in Verlegenheit zu setzen. Jch werde schweigen, wenn man mich nicht ausdrück- lich fragt, sagte ich entrüstet, und die mit Rüh-
drigen Eindruck dieſe fremde, vornehme Wendung auf mich machte. Wie wurde mir aber erſt, als ſie fortfuhr: Der Herzog weiß bloß im allgemeinen, daß dein Vater tod iſt, ich muß dich aber bitten, es ihm und Jedermann zu verhehlen, daß er, mit den Waffen in der Hand, die Sache unſers Koͤ- nigs bekaͤmpfend, geſtorben. Es koͤnnte uns nach- theilig ſeyn in der Gunſt des Hofes, und wuͤrde dem Herzog aͤußerſt mißfallen. Jch erſtarrte. O mein Vater! brach ich endlich ſchluchzend aus, kann man von deiner Tochter verlangen, deine Vater- landsliebe und deine heldenmuͤthige Aufopferung zu verlaͤugnen? Sey vernuͤnftig, Virginia, ſagte Deine Mutter: die Dinge haben ſich ſehr veraͤn- dert, du wirſt dich darein finden lernen, und die eingeſogenen Vorurtheile ablegen. Mein guter Bruder war, durch Umſtaͤnde, in eine ſchlechte Sache verflochten worden, friede ſey mit ſeiner Seele! Gern will ich im Stillen mit dir uͤber ſeinen Verluſt weinen; aber ich unterſage dir, mit muͤtterlichem Anſehn, mich nicht oͤffentlich in Verlegenheit zu ſetzen. Jch werde ſchweigen, wenn man mich nicht ausdruͤck- lich fragt, ſagte ich entruͤſtet, und die mit Ruͤh-
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drigen Eindruck dieſe fremde, vornehme Wendung
auf mich machte. Wie wurde mir aber erſt, als ſie
fortfuhr: Der Herzog weiß bloß im allgemeinen,
daß dein Vater tod iſt, ich muß dich aber bitten,
es ihm und Jedermann zu verhehlen, daß er, mit
den Waffen in der Hand, die Sache unſers Koͤ-
nigs bekaͤmpfend, geſtorben. Es koͤnnte uns nach-
theilig ſeyn in der Gunſt des Hofes, und wuͤrde dem
Herzog aͤußerſt mißfallen. Jch erſtarrte. O mein
Vater! brach ich endlich ſchluchzend aus, kann
man von deiner Tochter verlangen, deine Vater-
landsliebe und deine heldenmuͤthige Aufopferung
zu verlaͤugnen? Sey vernuͤnftig, Virginia, ſagte
Deine Mutter: die Dinge haben ſich ſehr veraͤn-
dert, du wirſt dich darein finden lernen, und
die eingeſogenen Vorurtheile ablegen. Mein
guter Bruder war, durch Umſtaͤnde, in eine
ſchlechte Sache verflochten worden, friede ſey
mit ſeiner Seele! Gern will ich im Stillen
mit dir uͤber ſeinen Verluſt weinen; aber ich
unterſage dir, mit muͤtterlichem Anſehn, mich
nicht oͤffentlich in Verlegenheit zu ſetzen. Jch
werde ſchweigen, wenn man mich nicht ausdruͤck-
lich fragt, ſagte ich entruͤſtet, und die mit Ruͤh-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/195>, abgerufen am 27.07.2024.
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