Donner des Geschützes; die Straßen wurden minder geräuschvoll, und öder; jeder fragte mit banger Neugier den Nachbar um Nachrichten, diese waren widersprechend, und unsicher. Da ließ sich plötzlich Pferdegalopp die Straße hin- auf vernehmen, ahndungsvoll stürzte ich an das Fenster. Es war der junge Pohle, welcher, mit Staub bedeckt, vom Pferde sprang. Ein furcht- bares Vorgefühl warf mich regungslos auf einen Sessel, sein Anblick sagte mir das schrecklichste, noch ehe er die Lippen öffnete. Verzweiflung rang in seinen Zügen, und Blässe war an die Stelle seiner Jugendröthe getreten. Er sank zu meinen Füßen. Verloren! hauchte er müh- sam hervor. Mein Vater? rief ich fast erstik- kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild- nisse meiner Mutter aus seinem Busen. Das letzte Andenken des Edlen, und sein Lebewohl! sagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet, ich hatte keine Thränen. Ach, fuhr er fort, ihr Vater starb beneidenswerth! die Schlacht, sie war noch nicht entschieden, und die Hoffnung noch auf unsrer Seite. Mit seinem Leben
Donner des Geſchuͤtzes; die Straßen wurden minder geraͤuſchvoll, und oͤder; jeder fragte mit banger Neugier den Nachbar um Nachrichten, dieſe waren widerſprechend, und unſicher. Da ließ ſich ploͤtzlich Pferdegalopp die Straße hin- auf vernehmen, ahndungsvoll ſtuͤrzte ich an das Fenſter. Es war der junge Pohle, welcher, mit Staub bedeckt, vom Pferde ſprang. Ein furcht- bares Vorgefuͤhl warf mich regungslos auf einen Seſſel, ſein Anblick ſagte mir das ſchrecklichſte, noch ehe er die Lippen oͤffnete. Verzweiflung rang in ſeinen Zuͤgen, und Blaͤſſe war an die Stelle ſeiner Jugendroͤthe getreten. Er ſank zu meinen Fuͤßen. Verloren! hauchte er muͤh- ſam hervor. Mein Vater? rief ich faſt erſtik- kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild- niſſe meiner Mutter aus ſeinem Buſen. Das letzte Andenken des Edlen, und ſein Lebewohl! ſagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet, ich hatte keine Thraͤnen. Ach, fuhr er fort, ihr Vater ſtarb beneidenswerth! die Schlacht, ſie war noch nicht entſchieden, und die Hoffnung noch auf unſrer Seite. Mit ſeinem Leben
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Donner des Geſchuͤtzes; die Straßen wurden
minder geraͤuſchvoll, und oͤder; jeder fragte mit
banger Neugier den Nachbar um Nachrichten,
dieſe waren widerſprechend, und unſicher. Da
ließ ſich ploͤtzlich Pferdegalopp die Straße hin-
auf vernehmen, ahndungsvoll ſtuͤrzte ich an das
Fenſter. Es war der junge Pohle, welcher, mit
Staub bedeckt, vom Pferde ſprang. Ein furcht-
bares Vorgefuͤhl warf mich regungslos auf einen
Seſſel, ſein Anblick ſagte mir das ſchrecklichſte,
noch ehe er die Lippen oͤffnete. Verzweiflung
rang in ſeinen Zuͤgen, und Blaͤſſe war an die
Stelle ſeiner Jugendroͤthe getreten. Er ſank
zu meinen Fuͤßen. Verloren! hauchte er muͤh-
ſam hervor. Mein Vater? rief ich faſt erſtik-
kend. Er zog ein Portefeuille mit dem Bild-
niſſe meiner Mutter aus ſeinem Buſen. Das
letzte Andenken des Edlen, und ſein Lebewohl!
ſagte er kaum vernehmbar. Jch war vernichtet,
ich hatte keine Thraͤnen. Ach, fuhr er fort, ihr
Vater ſtarb beneidenswerth! die Schlacht, ſie
war noch nicht entſchieden, und die Hoffnung
noch auf unſrer Seite. Mit ſeinem Leben
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/184>, abgerufen am 16.02.2025.
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