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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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wurde es erworben. Geht alles, was ich nim-
mer denken mag, geht alles in Trümmer, nun
so rette dich selbst. Er schloß das Kästchen,
lud es, schwer tragend, auf seine Schulter, reichte
mir eine Blendlaterne und Werkzeug, und wir
gingen schweigend den Weg zur Kapelle. Hier
nahmen wir das Marienbild herunter, öffneten
eine unbemerkbare Hölung des Gemäuers, scho-
ben das Kästchen hinein, schlossen sie eben so
unbemerkbar wieder, und hingen das Bild an
seine Stelle. Werde ich diese heilige Stätte
wieder sehen? fragte leise mein Herz. Jch sank
kniend auf die Stufen des Altars, und betete:
Du Ewiger gib mir Kraft! Darum flehe auch
ich, Du Unerforschlicher! rief mein Vater, und
kniete neben mich. Der Anblick erschütterte mich
tief, ich hatte nie ihn so bewegt gesehn. O, fuhr
er in seiner betenden Betrachtung fort, Deine
Wege sind dunkel; die Frage Warum? drängt
sich auf jede Lippe, und jeder beantwortet sie
nach seiner Einsicht, und wie es ihm selbst
frommt. Jch weiß, daß alle Einsicht nur mensch-
liche, und irren das allgemeine Loos der Sterb-
lichen ist; doch bleibt das beste Wissen, und

der

wurde es erworben. Geht alles, was ich nim-
mer denken mag, geht alles in Truͤmmer, nun
ſo rette dich ſelbſt. Er ſchloß das Kaͤſtchen,
lud es, ſchwer tragend, auf ſeine Schulter, reichte
mir eine Blendlaterne und Werkzeug, und wir
gingen ſchweigend den Weg zur Kapelle. Hier
nahmen wir das Marienbild herunter, oͤffneten
eine unbemerkbare Hoͤlung des Gemaͤuers, ſcho-
ben das Kaͤſtchen hinein, ſchloſſen ſie eben ſo
unbemerkbar wieder, und hingen das Bild an
ſeine Stelle. Werde ich dieſe heilige Staͤtte
wieder ſehen? fragte leiſe mein Herz. Jch ſank
kniend auf die Stufen des Altars, und betete:
Du Ewiger gib mir Kraft! Darum flehe auch
ich, Du Unerforſchlicher! rief mein Vater, und
kniete neben mich. Der Anblick erſchuͤtterte mich
tief, ich hatte nie ihn ſo bewegt geſehn. O, fuhr
er in ſeiner betenden Betrachtung fort, Deine
Wege ſind dunkel; die Frage Warum? draͤngt
ſich auf jede Lippe, und jeder beantwortet ſie
nach ſeiner Einſicht, und wie es ihm ſelbſt
frommt. Jch weiß, daß alle Einſicht nur menſch-
liche, und irren das allgemeine Loos der Sterb-
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[160/0170] wurde es erworben. Geht alles, was ich nim- mer denken mag, geht alles in Truͤmmer, nun ſo rette dich ſelbſt. Er ſchloß das Kaͤſtchen, lud es, ſchwer tragend, auf ſeine Schulter, reichte mir eine Blendlaterne und Werkzeug, und wir gingen ſchweigend den Weg zur Kapelle. Hier nahmen wir das Marienbild herunter, oͤffneten eine unbemerkbare Hoͤlung des Gemaͤuers, ſcho- ben das Kaͤſtchen hinein, ſchloſſen ſie eben ſo unbemerkbar wieder, und hingen das Bild an ſeine Stelle. Werde ich dieſe heilige Staͤtte wieder ſehen? fragte leiſe mein Herz. Jch ſank kniend auf die Stufen des Altars, und betete: Du Ewiger gib mir Kraft! Darum flehe auch ich, Du Unerforſchlicher! rief mein Vater, und kniete neben mich. Der Anblick erſchuͤtterte mich tief, ich hatte nie ihn ſo bewegt geſehn. O, fuhr er in ſeiner betenden Betrachtung fort, Deine Wege ſind dunkel; die Frage Warum? draͤngt ſich auf jede Lippe, und jeder beantwortet ſie nach ſeiner Einſicht, und wie es ihm ſelbſt frommt. Jch weiß, daß alle Einſicht nur menſch- liche, und irren das allgemeine Loos der Sterb- lichen iſt; doch bleibt das beſte Wiſſen, und der

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/170>, abgerufen am 25.11.2024.