wendeten sich alle Blicke gen Osten. Deutsch- land fiel ab von dem Bunde mit uns, diese Vormauer gegen den andringenden Koloß des Nordens war nicht mehr. Tief schmerzte dieser Abfall mein Volk. Mancher schmähte die tapfern Deutschen, doch ich theilte diese Ansicht nicht. Die Deutschen hatten Recht, sobald sie bloß den Druck des Augenblicks in Betracht zogen; und wie konnten sie anders? Die Last des Krieges hatte Jahrelang jeden Ein- zelnen gedrückt, sein Ursprung war vergessen und von der Menge unbeachtet, der Sinn für Freiheit und Menschenrecht allgemeiner und lebhafter geworden. Sie fühlten sich gefesselt, klagten Frankreich deßhalb an, erhoben sich in ihrer Kraft, wie einst gegen das Joch der Rö- mer, und siegten wie damahls. Gebe Gott, daß ihre blutige Saat ihnen goldene Früchte trage! der Volkswille ist mir etwas Ehrenwer- thes und deßhalb achte ich die daraus ent- sprungenen Großthaten der Deutschen, wie tief auch die Wunden sind, welche sie mir und meinem Frankreich schlugen. Möge das Gefühl ihrer Kraft nie wieder in ihnen ent-
wendeten ſich alle Blicke gen Oſten. Deutſch- land fiel ab von dem Bunde mit uns, dieſe Vormauer gegen den andringenden Koloß des Nordens war nicht mehr. Tief ſchmerzte dieſer Abfall mein Volk. Mancher ſchmaͤhte die tapfern Deutſchen, doch ich theilte dieſe Anſicht nicht. Die Deutſchen hatten Recht, ſobald ſie bloß den Druck des Augenblicks in Betracht zogen; und wie konnten ſie anders? Die Laſt des Krieges hatte Jahrelang jeden Ein- zelnen gedruͤckt, ſein Urſprung war vergeſſen und von der Menge unbeachtet, der Sinn fuͤr Freiheit und Menſchenrecht allgemeiner und lebhafter geworden. Sie fuͤhlten ſich gefeſſelt, klagten Frankreich deßhalb an, erhoben ſich in ihrer Kraft, wie einſt gegen das Joch der Roͤ- mer, und ſiegten wie damahls. Gebe Gott, daß ihre blutige Saat ihnen goldene Fruͤchte trage! der Volkswille iſt mir etwas Ehrenwer- thes und deßhalb achte ich die daraus ent- ſprungenen Großthaten der Deutſchen, wie tief auch die Wunden ſind, welche ſie mir und meinem Frankreich ſchlugen. Moͤge das Gefuͤhl ihrer Kraft nie wieder in ihnen ent-
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wendeten ſich alle Blicke gen Oſten. Deutſch-
land fiel ab von dem Bunde mit uns, dieſe
Vormauer gegen den andringenden Koloß des
Nordens war nicht mehr. Tief ſchmerzte
dieſer Abfall mein Volk. Mancher ſchmaͤhte die
tapfern Deutſchen, doch ich theilte dieſe Anſicht
nicht. Die Deutſchen hatten Recht, ſobald ſie
bloß den Druck des Augenblicks in Betracht
zogen; und wie konnten ſie anders? Die
Laſt des Krieges hatte Jahrelang jeden Ein-
zelnen gedruͤckt, ſein Urſprung war vergeſſen
und von der Menge unbeachtet, der Sinn fuͤr
Freiheit und Menſchenrecht allgemeiner und
lebhafter geworden. Sie fuͤhlten ſich gefeſſelt,
klagten Frankreich deßhalb an, erhoben ſich in
ihrer Kraft, wie einſt gegen das Joch der Roͤ-
mer, und ſiegten wie damahls. Gebe Gott,
daß ihre blutige Saat ihnen goldene Fruͤchte
trage! der Volkswille iſt mir etwas Ehrenwer-
thes und deßhalb achte ich die daraus ent-
ſprungenen Großthaten der Deutſchen, wie
tief auch die Wunden ſind, welche ſie mir
und meinem Frankreich ſchlugen. Moͤge das
Gefuͤhl ihrer Kraft nie wieder in ihnen ent-
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/164>, abgerufen am 17.02.2025.
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