Eure Abreise ließ lange eine unausfüllbare Lücke in unserm häuslichen Daseyn zurück. Vor- züglich litt meine sonst so starke Fassung einen gewaltigen Stoß. Dein Brief, welchen Du mir von Hamburg aus schicktest, war das erste freu- dige Ereigniß, welchem mein Herz entgegen schlug; und doch war dieser Brief selbst, so traurig, daß er mir tausend Thränen entlockte. Du fühltest die Trennung so sehr als ich; Du hattest Dich in dem fröhlichen Frankreich schon gänzlich eingebürgert; England und Deine frü- heren Verbindungen waren Dir so fremd ge- worden, ja es hatte sich sogar eine gewisse Abnei- gung gegen jenes Jnselland in Dir festgesetzt, seit Du in unserm Hause täglich über seinen unredli- chen, engherzigen Kaufmannsgeist reden gehört. Daneben schildertest Du mir mit den dunkelsten Farben eines trauernden Gemüthes, die Szenen des Elends, welche Dir auf deiner Reise, als Folge des Krieges, bemerkbar geworden; auch hier litt meine Seele mit Dir. Wehe dem Volke über dessen Fluren die blutige Erys hin- schwebt! Der Soldat kann der Halmen nicht schonen, über welche sein rastloser Fuß hineilt.
Eure Abreiſe ließ lange eine unausfuͤllbare Luͤcke in unſerm haͤuslichen Daſeyn zuruͤck. Vor- zuͤglich litt meine ſonſt ſo ſtarke Faſſung einen gewaltigen Stoß. Dein Brief, welchen Du mir von Hamburg aus ſchickteſt, war das erſte freu- dige Ereigniß, welchem mein Herz entgegen ſchlug; und doch war dieſer Brief ſelbſt, ſo traurig, daß er mir tauſend Thraͤnen entlockte. Du fuͤhlteſt die Trennung ſo ſehr als ich; Du hatteſt Dich in dem froͤhlichen Frankreich ſchon gaͤnzlich eingebuͤrgert; England und Deine fruͤ- heren Verbindungen waren Dir ſo fremd ge- worden, ja es hatte ſich ſogar eine gewiſſe Abnei- gung gegen jenes Jnſelland in Dir feſtgeſetzt, ſeit Du in unſerm Hauſe taͤglich uͤber ſeinen unredli- chen, engherzigen Kaufmannsgeiſt reden gehoͤrt. Daneben ſchilderteſt Du mir mit den dunkelſten Farben eines trauernden Gemuͤthes, die Szenen des Elends, welche Dir auf deiner Reiſe, als Folge des Krieges, bemerkbar geworden; auch hier litt meine Seele mit Dir. Wehe dem Volke uͤber deſſen Fluren die blutige Erys hin- ſchwebt! Der Soldat kann der Halmen nicht ſchonen, uͤber welche ſein raſtloſer Fuß hineilt.
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Eure Abreiſe ließ lange eine unausfuͤllbare
Luͤcke in unſerm haͤuslichen Daſeyn zuruͤck. Vor-
zuͤglich litt meine ſonſt ſo ſtarke Faſſung einen
gewaltigen Stoß. Dein Brief, welchen Du mir
von Hamburg aus ſchickteſt, war das erſte freu-
dige Ereigniß, welchem mein Herz entgegen
ſchlug; und doch war dieſer Brief ſelbſt, ſo
traurig, daß er mir tauſend Thraͤnen entlockte.
Du fuͤhlteſt die Trennung ſo ſehr als ich; Du
hatteſt Dich in dem froͤhlichen Frankreich ſchon
gaͤnzlich eingebuͤrgert; England und Deine fruͤ-
heren Verbindungen waren Dir ſo fremd ge-
worden, ja es hatte ſich ſogar eine gewiſſe Abnei-
gung gegen jenes Jnſelland in Dir feſtgeſetzt, ſeit
Du in unſerm Hauſe taͤglich uͤber ſeinen unredli-
chen, engherzigen Kaufmannsgeiſt reden gehoͤrt.
Daneben ſchilderteſt Du mir mit den dunkelſten
Farben eines trauernden Gemuͤthes, die Szenen
des Elends, welche Dir auf deiner Reiſe, als
Folge des Krieges, bemerkbar geworden; auch
hier litt meine Seele mit Dir. Wehe dem
Volke uͤber deſſen Fluren die blutige Erys hin-
ſchwebt! Der Soldat kann der Halmen nicht
ſchonen, uͤber welche ſein raſtloſer Fuß hineilt.
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/103>, abgerufen am 27.07.2024.
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