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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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sieht er glückliche Menschen, mit Schmeichlern um-
ringt; sie fliehn, so bald der Tod ihren Götzen berührt;
die Wahrheit erscheint dann, und die laute Stimme
des öffentlichen Abscheues macht den gedungenen Pä-
negyristen verstummen. Ich schmeichle mir, daß unser
Professor so viel Verstand haben werde, um seinen Schü-
lern deutlich zu machen, wie eine edle Nacheiferung
von einem strafbaren Ehrgeitz verschieden sey, und daß
er sie zum Nachdenken über so viele schreckliche Leiden-
schaften anführen wird, die den mächtigsten Staaten
das gröste Unglück bereitet haben. Mit hundert Exem-
peln kann er beweisen, wie die guten Sitten die sicher-
sten Mittel zur Erhaltung der Staaten sind, und wie
ihre Verderbniß, die Einführung des Luxus, und unge-
mäßigte Liebe der Reichthümer zu allen Zeiten die Vor-
läufer ihres Falls waren.

Wenn der Professor den Plan befolgt, den ich
ihm vorschlage; so wird er sich nicht darauf einschrän-
ken, nur Begebenheiten in dem Gedächtniß seiner
Schüler zu häufen; sondern er wird sich bemühen, ih-
re Urtheilskraft zu bilden, und ihre Art zu denken, zu
berichtigen, besonders aber ihnen Liebe zur Tugend ein-
zuflössen, welches meiner Meinung nach, allen unver-
dauten Kenntnissen weit vorzuziehen ist, mit denen
man den Kopf eines jungen Menschen anzufüllen
pflegt.

Der
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ſieht er gluͤckliche Menſchen, mit Schmeichlern um-
ringt; ſie fliehn, ſo bald der Tod ihren Goͤtzen beruͤhrt;
die Wahrheit erſcheint dann, und die laute Stimme
des oͤffentlichen Abſcheues macht den gedungenen Paͤ-
negyriſten verſtummen. Ich ſchmeichle mir, daß unſer
Profeſſor ſo viel Verſtand haben werde, um ſeinen Schuͤ-
lern deutlich zu machen, wie eine edle Nacheiferung
von einem ſtrafbaren Ehrgeitz verſchieden ſey, und daß
er ſie zum Nachdenken uͤber ſo viele ſchreckliche Leiden-
ſchaften anfuͤhren wird, die den maͤchtigſten Staaten
das groͤſte Ungluͤck bereitet haben. Mit hundert Exem-
peln kann er beweiſen, wie die guten Sitten die ſicher-
ſten Mittel zur Erhaltung der Staaten ſind, und wie
ihre Verderbniß, die Einfuͤhrung des Luxus, und unge-
maͤßigte Liebe der Reichthuͤmer zu allen Zeiten die Vor-
laͤufer ihres Falls waren.

Wenn der Profeſſor den Plan befolgt, den ich
ihm vorſchlage; ſo wird er ſich nicht darauf einſchraͤn-
ken, nur Begebenheiten in dem Gedaͤchtniß ſeiner
Schuͤler zu haͤufen; ſondern er wird ſich bemuͤhen, ih-
re Urtheilskraft zu bilden, und ihre Art zu denken, zu
berichtigen, beſonders aber ihnen Liebe zur Tugend ein-
zufloͤſſen, welches meiner Meinung nach, allen unver-
dauten Kenntniſſen weit vorzuziehen iſt, mit denen
man den Kopf eines jungen Menſchen anzufuͤllen
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[51/0057] ſieht er gluͤckliche Menſchen, mit Schmeichlern um- ringt; ſie fliehn, ſo bald der Tod ihren Goͤtzen beruͤhrt; die Wahrheit erſcheint dann, und die laute Stimme des oͤffentlichen Abſcheues macht den gedungenen Paͤ- negyriſten verſtummen. Ich ſchmeichle mir, daß unſer Profeſſor ſo viel Verſtand haben werde, um ſeinen Schuͤ- lern deutlich zu machen, wie eine edle Nacheiferung von einem ſtrafbaren Ehrgeitz verſchieden ſey, und daß er ſie zum Nachdenken uͤber ſo viele ſchreckliche Leiden- ſchaften anfuͤhren wird, die den maͤchtigſten Staaten das groͤſte Ungluͤck bereitet haben. Mit hundert Exem- peln kann er beweiſen, wie die guten Sitten die ſicher- ſten Mittel zur Erhaltung der Staaten ſind, und wie ihre Verderbniß, die Einfuͤhrung des Luxus, und unge- maͤßigte Liebe der Reichthuͤmer zu allen Zeiten die Vor- laͤufer ihres Falls waren. Wenn der Profeſſor den Plan befolgt, den ich ihm vorſchlage; ſo wird er ſich nicht darauf einſchraͤn- ken, nur Begebenheiten in dem Gedaͤchtniß ſeiner Schuͤler zu haͤufen; ſondern er wird ſich bemuͤhen, ih- re Urtheilskraft zu bilden, und ihre Art zu denken, zu berichtigen, beſonders aber ihnen Liebe zur Tugend ein- zufloͤſſen, welches meiner Meinung nach, allen unver- dauten Kenntniſſen weit vorzuziehen iſt, mit denen man den Kopf eines jungen Menſchen anzufuͤllen pflegt. Der D 2

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/57>, abgerufen am 02.05.2024.