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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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Sie fingen, dächt ich, mit dem Beweise an,
daß Gesetze nothwendig sind, weil keine Gesellschaft
ohne sie bestehen kann. Sie zeigten hierauf, wie es
bürgerliche, Criminal- und blosse Conventionsgesetze
gebe. Die ersten dienen dazu, alle Art von Besitz zu
sichren, als Erbschaften, Heyrathsteuer, Leibge-
dinge, Kauf- und Verkaufskontrakte, u. s. w. Sie
enthalten die Grundsätze, nach denen man die Gränzen
bestimmen und streitige Rechte erklären und entschei-
den muß. Die peinlichen Gesetze haben mehr den Zweck
von den Verbrechen abzuschrecken, als sie zu strafen.
Die Strafen müssen immer den Verbrechen angemes-
sen, und die gelindesten, so oft es nur möglich, den
härtesten vorgezogen werden. Conventionsgesetze sind
diejenigen, welche die Regierungen einführen, um
die Handlung und den Fleiß ihrer Staaten zu beför-
dern. Die beyden ersten Gattungen der Gesetze sind
bleibend und ewig; die letztern aber sind Veränderun-
gen unterworfen, weil so wohl innere als äußere Ur-
sachen die Regierungen veranlassen können, einige die-
ser Gesetze abzuschaffen und neue einzuführen. Hat
der Herr Professor diese vorläufigen Grundsätze mit der
nöthigen Deutlichkeit vorgetragen; so wünschte ich,
daß es ihm gefällig seyn möchte, ohne den Grotius und
Puffendorff weiter um Rath zu fragen, die Gesetze
des Landes, in dem er lebt, genau durchzugehen und
zu entwickeln. Er muß sich dabey ja hüten, daß er

seinen

Sie fingen, daͤcht ich, mit dem Beweiſe an,
daß Geſetze nothwendig ſind, weil keine Geſellſchaft
ohne ſie beſtehen kann. Sie zeigten hierauf, wie es
buͤrgerliche, Criminal- und bloſſe Conventionsgeſetze
gebe. Die erſten dienen dazu, alle Art von Beſitz zu
ſichren, als Erbſchaften, Heyrathsteuer, Leibge-
dinge, Kauf- und Verkaufskontrakte, u. ſ. w. Sie
enthalten die Grundſaͤtze, nach denen man die Graͤnzen
beſtimmen und ſtreitige Rechte erklaͤren und entſchei-
den muß. Die peinlichen Geſetze haben mehr den Zweck
von den Verbrechen abzuſchrecken, als ſie zu ſtrafen.
Die Strafen muͤſſen immer den Verbrechen angemeſ-
ſen, und die gelindeſten, ſo oft es nur moͤglich, den
haͤrteſten vorgezogen werden. Conventionsgeſetze ſind
diejenigen, welche die Regierungen einfuͤhren, um
die Handlung und den Fleiß ihrer Staaten zu befoͤr-
dern. Die beyden erſten Gattungen der Geſetze ſind
bleibend und ewig; die letztern aber ſind Veraͤnderun-
gen unterworfen, weil ſo wohl innere als aͤußere Ur-
ſachen die Regierungen veranlaſſen koͤnnen, einige die-
ſer Geſetze abzuſchaffen und neue einzufuͤhren. Hat
der Herr Profeſſor dieſe vorlaͤufigen Grundſaͤtze mit der
noͤthigen Deutlichkeit vorgetragen; ſo wuͤnſchte ich,
daß es ihm gefaͤllig ſeyn moͤchte, ohne den Grotius und
Puffendorff weiter um Rath zu fragen, die Geſetze
des Landes, in dem er lebt, genau durchzugehen und
zu entwickeln. Er muß ſich dabey ja huͤten, daß er

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[45/0051] Sie fingen, daͤcht ich, mit dem Beweiſe an, daß Geſetze nothwendig ſind, weil keine Geſellſchaft ohne ſie beſtehen kann. Sie zeigten hierauf, wie es buͤrgerliche, Criminal- und bloſſe Conventionsgeſetze gebe. Die erſten dienen dazu, alle Art von Beſitz zu ſichren, als Erbſchaften, Heyrathsteuer, Leibge- dinge, Kauf- und Verkaufskontrakte, u. ſ. w. Sie enthalten die Grundſaͤtze, nach denen man die Graͤnzen beſtimmen und ſtreitige Rechte erklaͤren und entſchei- den muß. Die peinlichen Geſetze haben mehr den Zweck von den Verbrechen abzuſchrecken, als ſie zu ſtrafen. Die Strafen muͤſſen immer den Verbrechen angemeſ- ſen, und die gelindeſten, ſo oft es nur moͤglich, den haͤrteſten vorgezogen werden. Conventionsgeſetze ſind diejenigen, welche die Regierungen einfuͤhren, um die Handlung und den Fleiß ihrer Staaten zu befoͤr- dern. Die beyden erſten Gattungen der Geſetze ſind bleibend und ewig; die letztern aber ſind Veraͤnderun- gen unterworfen, weil ſo wohl innere als aͤußere Ur- ſachen die Regierungen veranlaſſen koͤnnen, einige die- ſer Geſetze abzuſchaffen und neue einzufuͤhren. Hat der Herr Profeſſor dieſe vorlaͤufigen Grundſaͤtze mit der noͤthigen Deutlichkeit vorgetragen; ſo wuͤnſchte ich, daß es ihm gefaͤllig ſeyn moͤchte, ohne den Grotius und Puffendorff weiter um Rath zu fragen, die Geſetze des Landes, in dem er lebt, genau durchzugehen und zu entwickeln. Er muß ſich dabey ja huͤten, daß er ſeinen

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/51>, abgerufen am 30.04.2024.