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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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eine sehr unfreundliche Mine zu haben scheint. Mein
Herr, möchte ich zu ihm sagen, wir leben nicht mehr in
dem Jahrhunderte der Worte, sondern der Sachen.
Wäre es Ihnen gefällig, so wünschte ich, zum Besten
des Publikums, Sie brächten in Ihre hochgelahrten
Vorlesungen, etwas weniger Pedantismus und dage-
gen desto mehr gesunde Vernunft. Sie verderben nur
Ihre Zeit, wenn Sie ein Staatsrecht lehren, das
nicht einmal unter Privatpersonen gilt, das von den
Mächtigen nicht geachtet wird, und den Schwachen kei-
nen Schutz giebt; oder, wenn Sie Ihre Schüler ganz
vollständig von den Gesetzen des Minos, des Solon,
des Likurg, den zwölf Tafeln, dem Justinianischen Co-
dex unterrichten; und ihnen fast gar nichts von den
Gesetzen und dem Herkommen unsrer Lande sagen. Um
Sie zu beruhigen, wollen wir Ihnen gerne zugeben,
daß Ihr Gehirn eine Quintessenz der vereinigten Ge-
hirne des Bartolus und Cujacius ausmache; aber
bedenken Sie doch dagegen auch, daß nichts kostbarer
als die Zeit ist, und derjenige, der sie mit unnützen
Phrasen hinbringt, für einen Verschwender erklärt
werden müsse, über den Sie eine Sequestration er-
kennen würden, wenn ihm vor Ihrem Richtstuhl der
Prozeß gemacht werden sollte. Erlauben Sie mir also,
so gelehrt Sie immer seyn mögen, daß ich als ein bloßer
Laye (wenn Sie mir einigen Muth machen werden,) es
wage, Ihnen einen juristischen Cursinn vorzuschlagen.

Sie

eine ſehr unfreundliche Mine zu haben ſcheint. Mein
Herr, moͤchte ich zu ihm ſagen, wir leben nicht mehr in
dem Jahrhunderte der Worte, ſondern der Sachen.
Waͤre es Ihnen gefaͤllig, ſo wuͤnſchte ich, zum Beſten
des Publikums, Sie braͤchten in Ihre hochgelahrten
Vorleſungen, etwas weniger Pedantiſmus und dage-
gen deſto mehr geſunde Vernunft. Sie verderben nur
Ihre Zeit, wenn Sie ein Staatsrecht lehren, das
nicht einmal unter Privatperſonen gilt, das von den
Maͤchtigen nicht geachtet wird, und den Schwachen kei-
nen Schutz giebt; oder, wenn Sie Ihre Schuͤler ganz
vollſtaͤndig von den Geſetzen des Minos, des Solon,
des Likurg, den zwoͤlf Tafeln, dem Juſtinianiſchen Co-
dex unterrichten; und ihnen faſt gar nichts von den
Geſetzen und dem Herkommen unſrer Lande ſagen. Um
Sie zu beruhigen, wollen wir Ihnen gerne zugeben,
daß Ihr Gehirn eine Quinteſſenz der vereinigten Ge-
hirne des Bartolus und Cujacius ausmache; aber
bedenken Sie doch dagegen auch, daß nichts koſtbarer
als die Zeit iſt, und derjenige, der ſie mit unnuͤtzen
Phraſen hinbringt, fuͤr einen Verſchwender erklaͤrt
werden muͤſſe, uͤber den Sie eine Sequeſtration er-
kennen wuͤrden, wenn ihm vor Ihrem Richtſtuhl der
Prozeß gemacht werden ſollte. Erlauben Sie mir alſo,
ſo gelehrt Sie immer ſeyn moͤgen, daß ich als ein bloßer
Laye (wenn Sie mir einigen Muth machen werden,) es
wage, Ihnen einen juriſtiſchen Curſinn vorzuſchlagen.

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[44/0050] eine ſehr unfreundliche Mine zu haben ſcheint. Mein Herr, moͤchte ich zu ihm ſagen, wir leben nicht mehr in dem Jahrhunderte der Worte, ſondern der Sachen. Waͤre es Ihnen gefaͤllig, ſo wuͤnſchte ich, zum Beſten des Publikums, Sie braͤchten in Ihre hochgelahrten Vorleſungen, etwas weniger Pedantiſmus und dage- gen deſto mehr geſunde Vernunft. Sie verderben nur Ihre Zeit, wenn Sie ein Staatsrecht lehren, das nicht einmal unter Privatperſonen gilt, das von den Maͤchtigen nicht geachtet wird, und den Schwachen kei- nen Schutz giebt; oder, wenn Sie Ihre Schuͤler ganz vollſtaͤndig von den Geſetzen des Minos, des Solon, des Likurg, den zwoͤlf Tafeln, dem Juſtinianiſchen Co- dex unterrichten; und ihnen faſt gar nichts von den Geſetzen und dem Herkommen unſrer Lande ſagen. Um Sie zu beruhigen, wollen wir Ihnen gerne zugeben, daß Ihr Gehirn eine Quinteſſenz der vereinigten Ge- hirne des Bartolus und Cujacius ausmache; aber bedenken Sie doch dagegen auch, daß nichts koſtbarer als die Zeit iſt, und derjenige, der ſie mit unnuͤtzen Phraſen hinbringt, fuͤr einen Verſchwender erklaͤrt werden muͤſſe, uͤber den Sie eine Sequeſtration er- kennen wuͤrden, wenn ihm vor Ihrem Richtſtuhl der Prozeß gemacht werden ſollte. Erlauben Sie mir alſo, ſo gelehrt Sie immer ſeyn moͤgen, daß ich als ein bloßer Laye (wenn Sie mir einigen Muth machen werden,) es wage, Ihnen einen juriſtiſchen Curſinn vorzuſchlagen. Sie

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/50>, abgerufen am 22.11.2024.