Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

auch nicht reich an Metaphern ist, die doch nothwendig
sind, um neue Wendungen und Anmuth in ausgebildete
Sprachen zu bringen. Wir werden den Weg, auf
dem wir diese Fehler verbessern können, am besten aus-
findig machen, wenn wir demjenigen nachgehen, auf
dem unsre Nachbarn zu dem Grade der Vollkommen-
heit gelangt sind, den wir noch zu erreichen suchen.
In Italien redte man zur Zeit Carl des Großen, noch
einen barbarischen Mischmasch von Sprache, der aus
Worten, die man von den Gothen und Longobarden
entlehnt hatte, zusammengesetzt, und mit lateinischen
Phrasen gemischt war, die für die Ohren von Cicero
und Virgil ganz unverständlich würden gewesen seyn.
Indeß blieb diese Sprache in der Unvollkommen-
heit während der Folge barbarischer Jahrhunderte.
Erst lange nachher erschien Dante; seine Verse be-
zauberten die Leser, und die Italiäner fiengen nun an
zu glauben, daß ihre Sprache doch vielleicht würdig
seyn dürfte, auf die der Ueberwinder der Welt zu fol-
gen. Endlich kurz vor und während der Wiederherstel-
lung der Wissenschaften blühten Petrarka, Ariost,
Sannazar und der Cardinal Bembo. Das Genie
dieser berühmten Männer hat vornehmlich der italiä-
nischen Sprache ihre bleibende Gestalt gegeben. Zu
gleicher Zeit bildete sich die Akademie della Crusca, die
für die Erhaltung, so wie für die Reinigkeit des
Styls, sorgte.

Ich
B 4

auch nicht reich an Metaphern iſt, die doch nothwendig
ſind, um neue Wendungen und Anmuth in ausgebildete
Sprachen zu bringen. Wir werden den Weg, auf
dem wir dieſe Fehler verbeſſern koͤnnen, am beſten aus-
findig machen, wenn wir demjenigen nachgehen, auf
dem unſre Nachbarn zu dem Grade der Vollkommen-
heit gelangt ſind, den wir noch zu erreichen ſuchen.
In Italien redte man zur Zeit Carl des Großen, noch
einen barbariſchen Miſchmaſch von Sprache, der aus
Worten, die man von den Gothen und Longobarden
entlehnt hatte, zuſammengeſetzt, und mit lateiniſchen
Phraſen gemiſcht war, die fuͤr die Ohren von Cicero
und Virgil ganz unverſtaͤndlich wuͤrden geweſen ſeyn.
Indeß blieb dieſe Sprache in der Unvollkommen-
heit waͤhrend der Folge barbariſcher Jahrhunderte.
Erſt lange nachher erſchien Dante; ſeine Verſe be-
zauberten die Leſer, und die Italiaͤner fiengen nun an
zu glauben, daß ihre Sprache doch vielleicht wuͤrdig
ſeyn duͤrfte, auf die der Ueberwinder der Welt zu fol-
gen. Endlich kurz vor und waͤhrend der Wiederherſtel-
lung der Wiſſenſchaften bluͤhten Petrarka, Arioſt,
Sannazar und der Cardinal Bembo. Das Genie
dieſer beruͤhmten Maͤnner hat vornehmlich der italiaͤ-
niſchen Sprache ihre bleibende Geſtalt gegeben. Zu
gleicher Zeit bildete ſich die Akademie della Cruſca, die
fuͤr die Erhaltung, ſo wie fuͤr die Reinigkeit des
Styls, ſorgte.

Ich
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="23"/>
auch nicht reich an Metaphern i&#x017F;t, die doch nothwendig<lb/>
&#x017F;ind, um neue Wendungen und Anmuth in ausgebildete<lb/>
Sprachen zu bringen. Wir werden den Weg, auf<lb/>
dem wir die&#x017F;e Fehler verbe&#x017F;&#x017F;ern ko&#x0364;nnen, am be&#x017F;ten aus-<lb/>
findig machen, wenn wir demjenigen nachgehen, auf<lb/>
dem un&#x017F;re Nachbarn zu dem Grade der Vollkommen-<lb/>
heit gelangt &#x017F;ind, den wir noch zu erreichen &#x017F;uchen.<lb/>
In <placeName>Italien</placeName> redte man zur Zeit <persName>Carl des Großen</persName>, noch<lb/>
einen barbari&#x017F;chen Mi&#x017F;chma&#x017F;ch von Sprache, der aus<lb/>
Worten, die man von den Gothen und Longobarden<lb/>
entlehnt hatte, zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzt, und mit lateini&#x017F;chen<lb/>
Phra&#x017F;en gemi&#x017F;cht war, die fu&#x0364;r die Ohren von <hi rendition="#fr"><persName>Cicero</persName></hi><lb/>
und <persName>Virgil</persName> ganz unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich wu&#x0364;rden gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.<lb/>
Indeß blieb die&#x017F;e Sprache in der Unvollkommen-<lb/>
heit wa&#x0364;hrend der Folge barbari&#x017F;cher Jahrhunderte.<lb/>
Er&#x017F;t lange nachher er&#x017F;chien <hi rendition="#fr"><persName>Dante</persName></hi>; &#x017F;eine Ver&#x017F;e be-<lb/>
zauberten die Le&#x017F;er, und die Italia&#x0364;ner fiengen nun an<lb/>
zu glauben, daß ihre Sprache doch vielleicht wu&#x0364;rdig<lb/>
&#x017F;eyn du&#x0364;rfte, auf die der Ueberwinder der Welt zu fol-<lb/>
gen. Endlich kurz vor und wa&#x0364;hrend der Wiederher&#x017F;tel-<lb/>
lung der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften blu&#x0364;hten <hi rendition="#fr"><persName>Petrarka</persName></hi>, <hi rendition="#fr"><persName>Ario&#x017F;t</persName></hi>,<lb/><hi rendition="#fr"><persName>Sannazar</persName></hi> und der <persName>Cardinal <hi rendition="#fr">Bembo.</hi></persName> Das Genie<lb/>
die&#x017F;er beru&#x0364;hmten Ma&#x0364;nner hat vornehmlich der italia&#x0364;-<lb/>
ni&#x017F;chen Sprache ihre bleibende Ge&#x017F;talt gegeben. Zu<lb/>
gleicher Zeit bildete &#x017F;ich die Akademie <hi rendition="#aq">della Cru&#x017F;ca</hi>, die<lb/>
fu&#x0364;r die Erhaltung, &#x017F;o wie fu&#x0364;r die Reinigkeit des<lb/>
Styls, &#x017F;orgte.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">B 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Ich</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0029] auch nicht reich an Metaphern iſt, die doch nothwendig ſind, um neue Wendungen und Anmuth in ausgebildete Sprachen zu bringen. Wir werden den Weg, auf dem wir dieſe Fehler verbeſſern koͤnnen, am beſten aus- findig machen, wenn wir demjenigen nachgehen, auf dem unſre Nachbarn zu dem Grade der Vollkommen- heit gelangt ſind, den wir noch zu erreichen ſuchen. In Italien redte man zur Zeit Carl des Großen, noch einen barbariſchen Miſchmaſch von Sprache, der aus Worten, die man von den Gothen und Longobarden entlehnt hatte, zuſammengeſetzt, und mit lateiniſchen Phraſen gemiſcht war, die fuͤr die Ohren von Cicero und Virgil ganz unverſtaͤndlich wuͤrden geweſen ſeyn. Indeß blieb dieſe Sprache in der Unvollkommen- heit waͤhrend der Folge barbariſcher Jahrhunderte. Erſt lange nachher erſchien Dante; ſeine Verſe be- zauberten die Leſer, und die Italiaͤner fiengen nun an zu glauben, daß ihre Sprache doch vielleicht wuͤrdig ſeyn duͤrfte, auf die der Ueberwinder der Welt zu fol- gen. Endlich kurz vor und waͤhrend der Wiederherſtel- lung der Wiſſenſchaften bluͤhten Petrarka, Arioſt, Sannazar und der Cardinal Bembo. Das Genie dieſer beruͤhmten Maͤnner hat vornehmlich der italiaͤ- niſchen Sprache ihre bleibende Geſtalt gegeben. Zu gleicher Zeit bildete ſich die Akademie della Cruſca, die fuͤr die Erhaltung, ſo wie fuͤr die Reinigkeit des Styls, ſorgte. Ich B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Anmerkungen

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/29
Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/29>, abgerufen am 25.11.2024.