Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.Ich gehe itzt nach Frankreich über, und finde am Prends ta foudre, Louis, et va comme un Lion, Hat man wohl jemals einen Löwen mit einem Donner und
Ich gehe itzt nach Frankreich uͤber, und finde am Prends ta foudre, Louis, et va comme un Lion, Hat man wohl jemals einen Loͤwen mit einem Donner und
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Ich gehe itzt nach Frankreich uͤber, und finde am
Hofe Franz I. eine eben ſo mißtoͤnende und unbeſtimm-
te Sprache, als itzt unſre deutſche ſeyn kann. Die
Verehrer von Marot, Rabelais und Montagne moͤgen
es mir verzeihn, wenn ich bekenne, daß ich bey den gro-
ben und ohne alle Anmuth geſchriebenen Werken jener
Schriftſteller nur Langeweile und Widerwillen empfun-
den habe. Nach ihnen, waͤhrend der Regierung Hein-
rich IV. erſchien Malherbe. Er war Frankreichs er-
ſter Dichter, oder vielmehr, um genauer zu reden, er-
war als Versmacher weniger fehlerhaft, als ſeine Vor-
gaͤnger. Um zu beweiſen, wie wenig er die Vollkom-
menheit in ſeiner Kunſt erreicht hatte, darf ich Ihrer
Erinnerung nur folgende Stelle aus einer ſeiner Oden
zuruͤckrufen:
Prends ta foudre, Louis, et va comme un Lion,
Donner le dernier coup à la derniere tête de la
rebellion.
(Ergreif deinen Donner, Ludwig, und, wie ein
Loͤwe, verſetze dem letzten Haupt der Rebellion, den
letzten Schlag.)
Hat man wohl jemals einen Loͤwen mit einem Donner
bewaffnet geſehn? Die Fabel giebt ihn in die Haͤnde
des Oberſten der Goͤtter, ſie bewaffnet auch wohl ſeinen
Begleiter, den Adler, damit; aber nie hat der Loͤwe
dieſes Attribut gehabt. Doch laſſen Sie uns den Mal-
herbe mit ſeinen unſchicklichen Gleichniſſen verlaſſen,
und
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