Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Streiten fern zu halten; aber wie sollte sie sich erwehren? -- An einen offenen Widerstand gegen die Befehle des Vaters wagte sie nicht zu denken, der kindliche Gehorsam lag durch Erziehung und Gewohnheit zu tief begründet in ihrer Seele, als das sie sich plötzlich zu einem solchen Schritte hätte entschließen können; dafür aber reifte allmählich fast wider ihren Willen der andere Entschluß, nun doch zu thun, was der Vater ihr anfänglich zugemuthet, und lieber den Haarkräusler, so weit schicklich, selbst auszufragen, als es dem Mädeli zu übertragen. Durch die Nöthigung, sich auf so ungewohnte Weise in ihren Gedanken mit dem Unbekannten beschäftigen zu müssen war unmerklich eine Art Theilnahme für ihn entstanden, und leise sagte sie, als sie über ihr Verhalten glaubte ins Reine gekommen zu sein, vor sich hin: Kann ich ja dann doch nach eigenem Gutdünken meinen Polizeibericht erstatten. Unbefangenheit und Ruhe wollten jedoch dem Fräulein immer noch nicht zurückkehren mit diesem Entschlusse, und je näher die Stunde heranrückte, um so unruhiger wurde sie; es legte sich ein Schatten auf ihr Gemüth, der fort und fort dunkler wurde, und endlich wie eine trübe Vorahnung ihre ganze Seele erfüllte. Julia versuchte sich Vorwürfe darüber zu machen und das drückende Gefühl wegzuschließen. Was hast du dich um einen hergelaufenen Haarkräusler zu kümmern? sagte sie laut; ist doch gewöhnlich nicht viel zu verderben an solch windigem Volke, un[d] sollte mehr an Diesem sein, als an Streiten fern zu halten; aber wie sollte sie sich erwehren? — An einen offenen Widerstand gegen die Befehle des Vaters wagte sie nicht zu denken, der kindliche Gehorsam lag durch Erziehung und Gewohnheit zu tief begründet in ihrer Seele, als das sie sich plötzlich zu einem solchen Schritte hätte entschließen können; dafür aber reifte allmählich fast wider ihren Willen der andere Entschluß, nun doch zu thun, was der Vater ihr anfänglich zugemuthet, und lieber den Haarkräusler, so weit schicklich, selbst auszufragen, als es dem Mädeli zu übertragen. Durch die Nöthigung, sich auf so ungewohnte Weise in ihren Gedanken mit dem Unbekannten beschäftigen zu müssen war unmerklich eine Art Theilnahme für ihn entstanden, und leise sagte sie, als sie über ihr Verhalten glaubte ins Reine gekommen zu sein, vor sich hin: Kann ich ja dann doch nach eigenem Gutdünken meinen Polizeibericht erstatten. Unbefangenheit und Ruhe wollten jedoch dem Fräulein immer noch nicht zurückkehren mit diesem Entschlusse, und je näher die Stunde heranrückte, um so unruhiger wurde sie; es legte sich ein Schatten auf ihr Gemüth, der fort und fort dunkler wurde, und endlich wie eine trübe Vorahnung ihre ganze Seele erfüllte. Julia versuchte sich Vorwürfe darüber zu machen und das drückende Gefühl wegzuschließen. Was hast du dich um einen hergelaufenen Haarkräusler zu kümmern? sagte sie laut; ist doch gewöhnlich nicht viel zu verderben an solch windigem Volke, un[d] sollte mehr an Diesem sein, als an <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> Streiten fern zu halten; aber wie sollte sie sich erwehren? — An einen offenen Widerstand gegen die Befehle des Vaters wagte sie nicht zu denken, der kindliche Gehorsam lag durch Erziehung und Gewohnheit zu tief begründet in ihrer Seele, als das sie sich plötzlich zu einem solchen Schritte hätte entschließen können; dafür aber reifte allmählich fast wider ihren Willen der andere Entschluß, nun doch zu thun, was der Vater ihr anfänglich zugemuthet, und lieber den Haarkräusler, so weit schicklich, selbst auszufragen, als es dem Mädeli zu übertragen. Durch die Nöthigung, sich auf so ungewohnte Weise in ihren Gedanken mit dem Unbekannten beschäftigen zu müssen war unmerklich eine Art Theilnahme für ihn entstanden, und leise sagte sie, als sie über ihr Verhalten glaubte ins Reine gekommen zu sein, vor sich hin: Kann ich ja dann doch nach eigenem Gutdünken meinen Polizeibericht erstatten.</p><lb/> <p>Unbefangenheit und Ruhe wollten jedoch dem Fräulein immer noch nicht zurückkehren mit diesem Entschlusse, und je näher die Stunde heranrückte, um so unruhiger wurde sie; es legte sich ein Schatten auf ihr Gemüth, der fort und fort dunkler wurde, und endlich wie eine trübe Vorahnung ihre ganze Seele erfüllte. Julia versuchte sich Vorwürfe darüber zu machen und das drückende Gefühl wegzuschließen. Was hast du dich um einen hergelaufenen Haarkräusler zu kümmern? sagte sie laut; ist doch gewöhnlich nicht viel zu verderben an solch windigem Volke, un<supplied>d</supplied> sollte mehr an Diesem sein, als an<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
Streiten fern zu halten; aber wie sollte sie sich erwehren? — An einen offenen Widerstand gegen die Befehle des Vaters wagte sie nicht zu denken, der kindliche Gehorsam lag durch Erziehung und Gewohnheit zu tief begründet in ihrer Seele, als das sie sich plötzlich zu einem solchen Schritte hätte entschließen können; dafür aber reifte allmählich fast wider ihren Willen der andere Entschluß, nun doch zu thun, was der Vater ihr anfänglich zugemuthet, und lieber den Haarkräusler, so weit schicklich, selbst auszufragen, als es dem Mädeli zu übertragen. Durch die Nöthigung, sich auf so ungewohnte Weise in ihren Gedanken mit dem Unbekannten beschäftigen zu müssen war unmerklich eine Art Theilnahme für ihn entstanden, und leise sagte sie, als sie über ihr Verhalten glaubte ins Reine gekommen zu sein, vor sich hin: Kann ich ja dann doch nach eigenem Gutdünken meinen Polizeibericht erstatten.
Unbefangenheit und Ruhe wollten jedoch dem Fräulein immer noch nicht zurückkehren mit diesem Entschlusse, und je näher die Stunde heranrückte, um so unruhiger wurde sie; es legte sich ein Schatten auf ihr Gemüth, der fort und fort dunkler wurde, und endlich wie eine trübe Vorahnung ihre ganze Seele erfüllte. Julia versuchte sich Vorwürfe darüber zu machen und das drückende Gefühl wegzuschließen. Was hast du dich um einen hergelaufenen Haarkräusler zu kümmern? sagte sie laut; ist doch gewöhnlich nicht viel zu verderben an solch windigem Volke, und sollte mehr an Diesem sein, als an
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T15:04:13Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T15:04:13Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |