Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aber im Augenblicke schon stand der Oberst zwischen ihr und ihm und hatte Julien an der Hand gefaßt. Ihre Brüder waren ebenfalls vorgetreten und hatten den Neuvermählten wieder in ihre Mitte genommen. Er streckte, verwundert um sich schauend, beide Arme aus, wie zur Abwehr, und beugte sich vorwärts, Julien entgegen; sie hob langsam den Finger an den Mund und flüsterte angstvoll: Nicht hier, Theobald; geh mit meinen Brüdern, wie ich dem Vater folge. Unser Bund ist im Angesichte Gottes geschlossen, er wird uns auch zusammenführen! Der Oberst zog stramm und aufrechtgehend die an seinem Arme schwankende Tochter der Thüre zu, durch die er mit ihr eingetreten; Theobald schritt wie im Traume zwischen ihren Brüdern wandelnd zur entgegengesetzten hinaus, wo mit offenem Schlage der Wagen wartete, der sie hergebracht. Aber als die beiden Begleiter ihn zugleich an der Hand faßten, um ihm einsteigen zu helfen, schob er sie zurück und fragte, ob ihn die Fahrt zu Julien bringen werde, oder warum man ihm ihre Begleitung vom Altare weg verweigert habe? -- Ei, ei, Herr Schwager, lautete die mit einem kalten Lächeln ertheilte Antwort; Ihr scheint noch sehr wenig mit den standesgemäßen Sitten unserer Stadt vertraut zu sein. Vorerst werdet Ihr nach getroffener Anordnung Euern Aufenthalt auf einem Schlosse im Aargau nehmen, und dorthin sind wir eben im Begriffe Euch zu begleiten. aber im Augenblicke schon stand der Oberst zwischen ihr und ihm und hatte Julien an der Hand gefaßt. Ihre Brüder waren ebenfalls vorgetreten und hatten den Neuvermählten wieder in ihre Mitte genommen. Er streckte, verwundert um sich schauend, beide Arme aus, wie zur Abwehr, und beugte sich vorwärts, Julien entgegen; sie hob langsam den Finger an den Mund und flüsterte angstvoll: Nicht hier, Theobald; geh mit meinen Brüdern, wie ich dem Vater folge. Unser Bund ist im Angesichte Gottes geschlossen, er wird uns auch zusammenführen! Der Oberst zog stramm und aufrechtgehend die an seinem Arme schwankende Tochter der Thüre zu, durch die er mit ihr eingetreten; Theobald schritt wie im Traume zwischen ihren Brüdern wandelnd zur entgegengesetzten hinaus, wo mit offenem Schlage der Wagen wartete, der sie hergebracht. Aber als die beiden Begleiter ihn zugleich an der Hand faßten, um ihm einsteigen zu helfen, schob er sie zurück und fragte, ob ihn die Fahrt zu Julien bringen werde, oder warum man ihm ihre Begleitung vom Altare weg verweigert habe? — Ei, ei, Herr Schwager, lautete die mit einem kalten Lächeln ertheilte Antwort; Ihr scheint noch sehr wenig mit den standesgemäßen Sitten unserer Stadt vertraut zu sein. Vorerst werdet Ihr nach getroffener Anordnung Euern Aufenthalt auf einem Schlosse im Aargau nehmen, und dorthin sind wir eben im Begriffe Euch zu begleiten. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0104"/> aber im Augenblicke schon stand der Oberst zwischen ihr und ihm und hatte Julien an der Hand gefaßt. Ihre Brüder waren ebenfalls vorgetreten und hatten den Neuvermählten wieder in ihre Mitte genommen. Er streckte, verwundert um sich schauend, beide Arme aus, wie zur Abwehr, und beugte sich vorwärts, Julien entgegen; sie hob langsam den Finger an den Mund und flüsterte angstvoll: Nicht hier, Theobald; geh mit meinen Brüdern, wie ich dem Vater folge. Unser Bund ist im Angesichte Gottes geschlossen, er wird uns auch zusammenführen!</p><lb/> <p>Der Oberst zog stramm und aufrechtgehend die an seinem Arme schwankende Tochter der Thüre zu, durch die er mit ihr eingetreten; Theobald schritt wie im Traume zwischen ihren Brüdern wandelnd zur entgegengesetzten hinaus, wo mit offenem Schlage der Wagen wartete, der sie hergebracht. Aber als die beiden Begleiter ihn zugleich an der Hand faßten, um ihm einsteigen zu helfen, schob er sie zurück und fragte, ob ihn die Fahrt zu Julien bringen werde, oder warum man ihm ihre Begleitung vom Altare weg verweigert habe? — Ei, ei, Herr Schwager, lautete die mit einem kalten Lächeln ertheilte Antwort; Ihr scheint noch sehr wenig mit den standesgemäßen Sitten unserer Stadt vertraut zu sein. Vorerst werdet Ihr nach getroffener Anordnung Euern Aufenthalt auf einem Schlosse im Aargau nehmen, und dorthin sind wir eben im Begriffe Euch zu begleiten.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
aber im Augenblicke schon stand der Oberst zwischen ihr und ihm und hatte Julien an der Hand gefaßt. Ihre Brüder waren ebenfalls vorgetreten und hatten den Neuvermählten wieder in ihre Mitte genommen. Er streckte, verwundert um sich schauend, beide Arme aus, wie zur Abwehr, und beugte sich vorwärts, Julien entgegen; sie hob langsam den Finger an den Mund und flüsterte angstvoll: Nicht hier, Theobald; geh mit meinen Brüdern, wie ich dem Vater folge. Unser Bund ist im Angesichte Gottes geschlossen, er wird uns auch zusammenführen!
Der Oberst zog stramm und aufrechtgehend die an seinem Arme schwankende Tochter der Thüre zu, durch die er mit ihr eingetreten; Theobald schritt wie im Traume zwischen ihren Brüdern wandelnd zur entgegengesetzten hinaus, wo mit offenem Schlage der Wagen wartete, der sie hergebracht. Aber als die beiden Begleiter ihn zugleich an der Hand faßten, um ihm einsteigen zu helfen, schob er sie zurück und fragte, ob ihn die Fahrt zu Julien bringen werde, oder warum man ihm ihre Begleitung vom Altare weg verweigert habe? — Ei, ei, Herr Schwager, lautete die mit einem kalten Lächeln ertheilte Antwort; Ihr scheint noch sehr wenig mit den standesgemäßen Sitten unserer Stadt vertraut zu sein. Vorerst werdet Ihr nach getroffener Anordnung Euern Aufenthalt auf einem Schlosse im Aargau nehmen, und dorthin sind wir eben im Begriffe Euch zu begleiten.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/104>, abgerufen am 27.07.2024. |