Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

auch alle zusammen wie die Kletten! Es heißt da immer, sie seien schwatzhaft, könnten kein Geheimniß bewahren; auch eine Wahrheit, die schon so abgenutzt ist, daß sie nicht mehr taugt.

Dann kamen Tage, wo das Bedauern, sie verloren zu haben, alles andere überwog. Er stürmte eines Abends in das Zimmer seiner Wirthin, aufgeregt wie ein verliebter Knabe, der seine Sehnsucht nicht länger bezwingen kann.

"Helfen Sie mir meine Unbekannte finden," bat er in dem Ton, in dem er vor fünfzehn Jahren seine Mutter um ein Spielzeug gebeten haben mochte. "Sie haben ein so gutes weiches Herz für alle Menschen, thun Sie mir auch einmal etwas zuliebe."

Blaß bis in die Lippen, mit kämpfendem Athem und flehend sah die Frau zu ihm in die Höhe. "Nein! nein!"

"Aber Sie sehen doch, daß ich daran zu Grunde gehe!" rief er heftig.

Sie legte ihm die Hand auf den Arm: "Nein, sagen Sie das nicht. Liegt - liegt Ihnen denn wirklich so viel daran?"

Ihre Stimme schwankte, die letzten Worte erstarben in ihrem Munde.

Die groß verwunderten grauen Augen gaben ihm plötzlich eine Ueberlegenheit. "Die Frauen sind, glaube ich, so eine Art Eispasteten, wissen von gar nichts,"

auch alle zusammen wie die Kletten! Es heißt da immer, sie seien schwatzhaft, könnten kein Geheimniß bewahren; auch eine Wahrheit, die schon so abgenutzt ist, daß sie nicht mehr taugt.

Dann kamen Tage, wo das Bedauern, sie verloren zu haben, alles andere überwog. Er stürmte eines Abends in das Zimmer seiner Wirthin, aufgeregt wie ein verliebter Knabe, der seine Sehnsucht nicht länger bezwingen kann.

„Helfen Sie mir meine Unbekannte finden,“ bat er in dem Ton, in dem er vor fünfzehn Jahren seine Mutter um ein Spielzeug gebeten haben mochte. „Sie haben ein so gutes weiches Herz für alle Menschen, thun Sie mir auch einmal etwas zuliebe.“

Blaß bis in die Lippen, mit kämpfendem Athem und flehend sah die Frau zu ihm in die Höhe. „Nein! nein!“

„Aber Sie sehen doch, daß ich daran zu Grunde gehe!“ rief er heftig.

Sie legte ihm die Hand auf den Arm: „Nein, sagen Sie das nicht. Liegt – liegt Ihnen denn wirklich so viel daran?“

Ihre Stimme schwankte, die letzten Worte erstarben in ihrem Munde.

Die groß verwunderten grauen Augen gaben ihm plötzlich eine Ueberlegenheit. „Die Frauen sind, glaube ich, so eine Art Eispasteten, wissen von gar nichts,“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="71"/>
auch alle zusammen wie die Kletten! Es heißt da immer, sie seien schwatzhaft, könnten kein Geheimniß bewahren; auch eine Wahrheit, die schon so abgenutzt ist, daß sie nicht mehr taugt.</p>
        <p>Dann kamen Tage, wo das Bedauern, sie verloren zu haben, alles andere überwog. Er stürmte eines Abends in das Zimmer seiner Wirthin, aufgeregt wie ein verliebter Knabe, der seine Sehnsucht nicht länger bezwingen kann.</p>
        <p>&#x201E;Helfen Sie mir meine Unbekannte finden,&#x201C; bat er in dem Ton, in dem er vor fünfzehn Jahren seine Mutter um ein Spielzeug gebeten haben mochte. &#x201E;Sie haben ein so gutes weiches Herz für alle Menschen, thun Sie mir auch einmal etwas zuliebe.&#x201C;</p>
        <p>Blaß bis in die Lippen, mit kämpfendem Athem und flehend sah die Frau zu ihm in die Höhe. &#x201E;Nein! nein!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Aber Sie sehen doch, daß ich daran zu Grunde gehe!&#x201C; rief er heftig.</p>
        <p>Sie legte ihm die Hand auf den Arm: &#x201E;Nein, sagen Sie das nicht. Liegt &#x2013; liegt Ihnen denn wirklich so viel daran?&#x201C;</p>
        <p>Ihre Stimme schwankte, die letzten Worte erstarben in ihrem Munde.</p>
        <p>Die groß verwunderten grauen Augen gaben ihm plötzlich eine Ueberlegenheit. &#x201E;Die Frauen sind, glaube ich, so eine Art Eispasteten, wissen von gar nichts,&#x201C;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0079] auch alle zusammen wie die Kletten! Es heißt da immer, sie seien schwatzhaft, könnten kein Geheimniß bewahren; auch eine Wahrheit, die schon so abgenutzt ist, daß sie nicht mehr taugt. Dann kamen Tage, wo das Bedauern, sie verloren zu haben, alles andere überwog. Er stürmte eines Abends in das Zimmer seiner Wirthin, aufgeregt wie ein verliebter Knabe, der seine Sehnsucht nicht länger bezwingen kann. „Helfen Sie mir meine Unbekannte finden,“ bat er in dem Ton, in dem er vor fünfzehn Jahren seine Mutter um ein Spielzeug gebeten haben mochte. „Sie haben ein so gutes weiches Herz für alle Menschen, thun Sie mir auch einmal etwas zuliebe.“ Blaß bis in die Lippen, mit kämpfendem Athem und flehend sah die Frau zu ihm in die Höhe. „Nein! nein!“ „Aber Sie sehen doch, daß ich daran zu Grunde gehe!“ rief er heftig. Sie legte ihm die Hand auf den Arm: „Nein, sagen Sie das nicht. Liegt – liegt Ihnen denn wirklich so viel daran?“ Ihre Stimme schwankte, die letzten Worte erstarben in ihrem Munde. Die groß verwunderten grauen Augen gaben ihm plötzlich eine Ueberlegenheit. „Die Frauen sind, glaube ich, so eine Art Eispasteten, wissen von gar nichts,“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/79
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/79>, abgerufen am 22.11.2024.