Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

auch habe der Pfarrer Stähle gesagt, er wolle am Grabe sprechen.

"Der Pfarrer Stähle? der Zelot?" meinte Frau Schaible erschrocken.

"Gelt, wir nehmen bloß Billets bis Cannstatt, das Wetter ischt gut zum Laufe. Schon' Di au, denk an d' Lotte," mahnte der Mann, denn Frau Hermine hatte schon wieder feuchte Augen. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung: "O jetz', wo de Lotte nicht kommt, ist's ein's!" "Und an Dein' Mann denkst net?" Bittend sah ihn die Frau an: "Daß doch zwei Menschen wenigstens an ihrem Grab stehen, wo wissen, - wo fühlen." - Sie verstummte, er nickte ja schon bereitwillig. Der Epheustock, - sie hatten vor drei Jahren ein Zweiglein vom Bopser mit herunterbracht, und es war so stattlich gediehen, - sollte mit hinaus auf den Friedhof. "Aber was sagt die Lotte, wenn ihr Ehpeu nimmer da ist, Frau?" "Ich schreib's ihr; für die Emilie ist ihr nichts zu schön!" "Ja, die zwei haben sich gern gehabt." "Gott schütz' uns," stammelte die Frau mit einem ängstlichen Blick geradeaus, als wolle sie die Zukunft durchdringen. -

Dann an der offenen Grube, im Frühlingswind, der das fahle Gras peitschte, unter den ziehenden Wolken, die massig und grau über den braunen Hügeln hingen, - der kleine Friedhof voll neugieriger Gesichter, der kaltblickende Pfarrer im Mittelpunkte, neben

auch habe der Pfarrer Stähle gesagt, er wolle am Grabe sprechen.

„Der Pfarrer Stähle? der Zelot?“ meinte Frau Schaible erschrocken.

„Gelt, wir nehmen bloß Billets bis Cannstatt, das Wetter ischt gut zum Laufe. Schon’ Di au, denk an d’ Lotte,“ mahnte der Mann, denn Frau Hermine hatte schon wieder feuchte Augen. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung: „O jetz’, wo de Lotte nicht kommt, ist’s ein’s!“ „Und an Dein’ Mann denkst net?“ Bittend sah ihn die Frau an: „Daß doch zwei Menschen wenigstens an ihrem Grab stehen, wo wissen, – wo fühlen.“ – Sie verstummte, er nickte ja schon bereitwillig. Der Epheustock, – sie hatten vor drei Jahren ein Zweiglein vom Bopser mit herunterbracht, und es war so stattlich gediehen, – sollte mit hinaus auf den Friedhof. „Aber was sagt die Lotte, wenn ihr Ehpeu nimmer da ist, Frau?“ „Ich schreib’s ihr; für die Emilie ist ihr nichts zu schön!“ „Ja, die zwei haben sich gern gehabt.“ „Gott schütz’ uns,“ stammelte die Frau mit einem ängstlichen Blick geradeaus, als wolle sie die Zukunft durchdringen. –

Dann an der offenen Grube, im Frühlingswind, der das fahle Gras peitschte, unter den ziehenden Wolken, die massig und grau über den braunen Hügeln hingen, – der kleine Friedhof voll neugieriger Gesichter, der kaltblickende Pfarrer im Mittelpunkte, neben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0294" n="286"/>
auch habe der Pfarrer Stähle gesagt, er wolle am Grabe sprechen.</p>
        <p>&#x201E;Der Pfarrer Stähle? der Zelot?&#x201C; meinte Frau Schaible erschrocken.</p>
        <p>&#x201E;Gelt, wir nehmen bloß Billets bis Cannstatt, das Wetter ischt gut zum Laufe. Schon&#x2019; Di au, denk an d&#x2019; Lotte,&#x201C; mahnte der Mann, denn Frau Hermine hatte schon wieder feuchte Augen. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung: &#x201E;O jetz&#x2019;, wo de Lotte nicht kommt, ist&#x2019;s ein&#x2019;s!&#x201C; &#x201E;Und an Dein&#x2019; Mann denkst net?&#x201C; Bittend sah ihn die Frau an: &#x201E;Daß doch zwei Menschen wenigstens an ihrem Grab stehen, wo wissen, &#x2013; wo fühlen.&#x201C; &#x2013; Sie verstummte, er nickte ja schon bereitwillig. Der Epheustock, &#x2013; sie hatten vor drei Jahren ein Zweiglein vom Bopser mit herunterbracht, und es war so stattlich gediehen, &#x2013; sollte mit hinaus auf den Friedhof. &#x201E;Aber was sagt die Lotte, wenn ihr Ehpeu nimmer da ist, Frau?&#x201C; &#x201E;Ich schreib&#x2019;s ihr; für die Emilie ist ihr nichts zu schön!&#x201C; &#x201E;Ja, die zwei haben sich gern gehabt.&#x201C; &#x201E;Gott schütz&#x2019; uns,&#x201C; stammelte die Frau mit einem ängstlichen Blick geradeaus, als wolle sie die Zukunft durchdringen. &#x2013;</p>
        <p>Dann an der offenen Grube, im Frühlingswind, der das fahle Gras peitschte, unter den ziehenden Wolken, die massig und grau über den braunen Hügeln hingen, &#x2013; der kleine Friedhof voll neugieriger Gesichter, der kaltblickende Pfarrer im Mittelpunkte, neben
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0294] auch habe der Pfarrer Stähle gesagt, er wolle am Grabe sprechen. „Der Pfarrer Stähle? der Zelot?“ meinte Frau Schaible erschrocken. „Gelt, wir nehmen bloß Billets bis Cannstatt, das Wetter ischt gut zum Laufe. Schon’ Di au, denk an d’ Lotte,“ mahnte der Mann, denn Frau Hermine hatte schon wieder feuchte Augen. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung: „O jetz’, wo de Lotte nicht kommt, ist’s ein’s!“ „Und an Dein’ Mann denkst net?“ Bittend sah ihn die Frau an: „Daß doch zwei Menschen wenigstens an ihrem Grab stehen, wo wissen, – wo fühlen.“ – Sie verstummte, er nickte ja schon bereitwillig. Der Epheustock, – sie hatten vor drei Jahren ein Zweiglein vom Bopser mit herunterbracht, und es war so stattlich gediehen, – sollte mit hinaus auf den Friedhof. „Aber was sagt die Lotte, wenn ihr Ehpeu nimmer da ist, Frau?“ „Ich schreib’s ihr; für die Emilie ist ihr nichts zu schön!“ „Ja, die zwei haben sich gern gehabt.“ „Gott schütz’ uns,“ stammelte die Frau mit einem ängstlichen Blick geradeaus, als wolle sie die Zukunft durchdringen. – Dann an der offenen Grube, im Frühlingswind, der das fahle Gras peitschte, unter den ziehenden Wolken, die massig und grau über den braunen Hügeln hingen, – der kleine Friedhof voll neugieriger Gesichter, der kaltblickende Pfarrer im Mittelpunkte, neben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/294
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/294>, abgerufen am 07.06.2024.