Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Schale voll. Adolf ließ sich bereden, aber liebenswürdig war er nicht dabei. Mürrisch fraß er die halbe Schale leer und sagte, sie glaubten wohl, er wäre ausgehungert? Gegessen hätte er jetzt genug, aber er müsse heute Morgen "nothwendig irgend wohin", er habe "eine Besprechung", die er nicht aufschieben könne, etwas "an der Börse", Geschäftssachen natürlich, von denen doch Frauen nichts verstünden, wenn er es ihnen auch gern erklären wolle.

"Aber wenn man doch krank ist", beschwor ihn Annita.

"Ach was, Ihr macht mich krank!" murrte Adolf. Nein, liebenswürdig macht unglückliche Liebe nicht, dachte Annita, aber das wäre auch zuviel verlangt, - wer weiß, wie ich einmal werde!

Inzwischen wälzte er sich auf dem Sopha umher und wollte weder vorgelesen bekommen noch Dame spielen. Adelheid mußte fort in die Singstunde; nun hatte ihn Annita ganz allein, aber sie nahm willig die Last auf sich.

Merkwürdig ist es doch, wie der Arme sich beherrschen kann, dachte sie während der halben Stunde, da sie neben ihm saß, beinahe erwartungsvoll, daß es unangenehm werden könnte. Aber Adolf war nun unschuldig wie ein Lamm; sie hatten nämlich ein Thema gefunden, das sie interessirte; der Patient erzählte vom Cirkus. Prachtvolle Pferde gab es da,

Schale voll. Adolf ließ sich bereden, aber liebenswürdig war er nicht dabei. Mürrisch fraß er die halbe Schale leer und sagte, sie glaubten wohl, er wäre ausgehungert? Gegessen hätte er jetzt genug, aber er müsse heute Morgen „nothwendig irgend wohin“, er habe „eine Besprechung“, die er nicht aufschieben könne, etwas „an der Börse“, Geschäftssachen natürlich, von denen doch Frauen nichts verstünden, wenn er es ihnen auch gern erklären wolle.

„Aber wenn man doch krank ist“, beschwor ihn Annita.

„Ach was, Ihr macht mich krank!“ murrte Adolf. Nein, liebenswürdig macht unglückliche Liebe nicht, dachte Annita, aber das wäre auch zuviel verlangt, – wer weiß, wie ich einmal werde!

Inzwischen wälzte er sich auf dem Sopha umher und wollte weder vorgelesen bekommen noch Dame spielen. Adelheid mußte fort in die Singstunde; nun hatte ihn Annita ganz allein, aber sie nahm willig die Last auf sich.

Merkwürdig ist es doch, wie der Arme sich beherrschen kann, dachte sie während der halben Stunde, da sie neben ihm saß, beinahe erwartungsvoll, daß es unangenehm werden könnte. Aber Adolf war nun unschuldig wie ein Lamm; sie hatten nämlich ein Thema gefunden, das sie interessirte; der Patient erzählte vom Cirkus. Prachtvolle Pferde gab es da,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0256" n="248"/>
Schale voll. Adolf ließ sich bereden, aber liebenswürdig war er nicht dabei. Mürrisch fraß er die halbe Schale leer und sagte, sie glaubten wohl, er wäre ausgehungert? Gegessen hätte er jetzt genug, aber er müsse heute Morgen &#x201E;nothwendig irgend wohin&#x201C;, er habe &#x201E;eine Besprechung&#x201C;, die er nicht aufschieben könne, etwas &#x201E;an der Börse&#x201C;, Geschäftssachen natürlich, von denen doch Frauen nichts verstünden, wenn er es ihnen auch gern erklären wolle.</p>
        <p>&#x201E;Aber wenn man doch krank ist&#x201C;, beschwor ihn Annita.</p>
        <p>&#x201E;Ach was, <hi rendition="#g">Ihr</hi> macht mich krank!&#x201C; murrte Adolf. Nein, liebenswürdig macht unglückliche Liebe nicht, dachte Annita, aber das wäre auch zuviel verlangt, &#x2013; wer weiß, wie ich einmal werde!</p>
        <p>Inzwischen wälzte er sich auf dem Sopha umher und wollte weder vorgelesen bekommen noch Dame spielen. Adelheid mußte fort in die Singstunde; nun hatte ihn Annita ganz allein, aber sie nahm willig die Last auf sich.</p>
        <p>Merkwürdig ist es doch, wie der Arme sich beherrschen kann, dachte sie während der halben Stunde, da sie neben ihm saß, beinahe erwartungsvoll, daß es unangenehm werden könnte. Aber Adolf war nun unschuldig wie ein Lamm; sie hatten nämlich ein Thema gefunden, das sie interessirte; der Patient erzählte vom Cirkus. Prachtvolle Pferde gab es da,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248/0256] Schale voll. Adolf ließ sich bereden, aber liebenswürdig war er nicht dabei. Mürrisch fraß er die halbe Schale leer und sagte, sie glaubten wohl, er wäre ausgehungert? Gegessen hätte er jetzt genug, aber er müsse heute Morgen „nothwendig irgend wohin“, er habe „eine Besprechung“, die er nicht aufschieben könne, etwas „an der Börse“, Geschäftssachen natürlich, von denen doch Frauen nichts verstünden, wenn er es ihnen auch gern erklären wolle. „Aber wenn man doch krank ist“, beschwor ihn Annita. „Ach was, Ihr macht mich krank!“ murrte Adolf. Nein, liebenswürdig macht unglückliche Liebe nicht, dachte Annita, aber das wäre auch zuviel verlangt, – wer weiß, wie ich einmal werde! Inzwischen wälzte er sich auf dem Sopha umher und wollte weder vorgelesen bekommen noch Dame spielen. Adelheid mußte fort in die Singstunde; nun hatte ihn Annita ganz allein, aber sie nahm willig die Last auf sich. Merkwürdig ist es doch, wie der Arme sich beherrschen kann, dachte sie während der halben Stunde, da sie neben ihm saß, beinahe erwartungsvoll, daß es unangenehm werden könnte. Aber Adolf war nun unschuldig wie ein Lamm; sie hatten nämlich ein Thema gefunden, das sie interessirte; der Patient erzählte vom Cirkus. Prachtvolle Pferde gab es da,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/256
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/256>, abgerufen am 23.07.2024.