Das beschämte ihn, denn er war voll Rücksicht, und ganz geräuschlos kleidete er sich an, um nicht noch weiter zu stören. Während er für den Tag Pläne entwarf, miaute es draußen zart und leise, auch ein bescheidenes Kratzen ließ sich vernehmen. Er öffnete, und herein spazierte ein graues Kätzchen von zier¬ lichem Körperbau, sah sich mit einiger Verwunderung, wie es schien, im Zimmer um, und sprang dann auf das Bett, wo es sich behaglich in die noch warmen Kissen duckte. Alfred hatte seine Freude an dem niedlichen Gast, der hier so ganz wie zu Hause that, sich willig streicheln ließ und gleich zu schnurren be¬ gann unter solchen Liebkosungen. "Woher kommst Du?" fragte er munter, "und was willst Du bei mir?" Aber das Kätzchen antwortete nur mit einem vielsagenden Zwinkern, legte sich auf den Rücken und reckte die Pfötchen mit den rosenrothen Fußballen, als wolle es sagen: Da gefällt mir's. Er hatte in seinem freundlichen Gemüthe schon beschlossen, das Waisenkind zu adoptiren, als die Wirthin mit dem Kaffeebrett hereintrat und sogleich ausrief: "Nein, Du bist amol a Naseweis! In dem Herrn sein Bett drin! Gelt, da ist's gut warm? Da möcht ich auch lieber liegen, als in aller Herrgottsfrüh an' Brunnen springen, weil die Wasserleitung wieder amol zuge¬ froren is über Nacht. 's nimmt koa End' mit dem Winter, ich sag's ja."
Das beſchämte ihn, denn er war voll Rückſicht, und ganz geräuſchlos kleidete er ſich an, um nicht noch weiter zu ſtören. Während er für den Tag Pläne entwarf, miaute es draußen zart und leiſe, auch ein beſcheidenes Kratzen ließ ſich vernehmen. Er öffnete, und herein ſpazierte ein graues Kätzchen von zier¬ lichem Körperbau, ſah ſich mit einiger Verwunderung, wie es ſchien, im Zimmer um, und ſprang dann auf das Bett, wo es ſich behaglich in die noch warmen Kiſſen duckte. Alfred hatte ſeine Freude an dem niedlichen Gaſt, der hier ſo ganz wie zu Hauſe that, ſich willig ſtreicheln ließ und gleich zu ſchnurren be¬ gann unter ſolchen Liebkoſungen. „Woher kommſt Du?“ fragte er munter, „und was willſt Du bei mir?“ Aber das Kätzchen antwortete nur mit einem vielſagenden Zwinkern, legte ſich auf den Rücken und reckte die Pfötchen mit den roſenrothen Fußballen, als wolle es ſagen: Da gefällt mir's. Er hatte in ſeinem freundlichen Gemüthe ſchon beſchloſſen, das Waiſenkind zu adoptiren, als die Wirthin mit dem Kaffeebrett hereintrat und ſogleich ausrief: „Nein, Du biſt amol a Naſeweis! In dem Herrn ſein Bett drin! Gelt, da iſt's gut warm? Da möcht ich auch lieber liegen, als in aller Herrgottsfrüh an' Brunnen ſpringen, weil die Waſſerleitung wieder amol zuge¬ froren is über Nacht. 's nimmt koa End' mit dem Winter, ich ſag's ja.“
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Das beſchämte ihn, denn er war voll Rückſicht, und
ganz geräuſchlos kleidete er ſich an, um nicht noch
weiter zu ſtören. Während er für den Tag Pläne
entwarf, miaute es draußen zart und leiſe, auch ein
beſcheidenes Kratzen ließ ſich vernehmen. Er öffnete,
und herein ſpazierte ein graues Kätzchen von zier¬
lichem Körperbau, ſah ſich mit einiger Verwunderung,
wie es ſchien, im Zimmer um, und ſprang dann auf
das Bett, wo es ſich behaglich in die noch warmen
Kiſſen duckte. Alfred hatte ſeine Freude an dem
niedlichen Gaſt, der hier ſo ganz wie zu Hauſe that,
ſich willig ſtreicheln ließ und gleich zu ſchnurren be¬
gann unter ſolchen Liebkoſungen. „Woher kommſt
Du?“ fragte er munter, „und was willſt Du bei
mir?“ Aber das Kätzchen antwortete nur mit einem
vielſagenden Zwinkern, legte ſich auf den Rücken und
reckte die Pfötchen mit den roſenrothen Fußballen,
als wolle es ſagen: Da gefällt mir's. Er hatte in
ſeinem freundlichen Gemüthe ſchon beſchloſſen, das
Waiſenkind zu adoptiren, als die Wirthin mit dem
Kaffeebrett hereintrat und ſogleich ausrief: „Nein,
Du biſt amol a Naſeweis! In dem Herrn ſein Bett
drin! Gelt, da iſt's gut warm? Da möcht ich auch
lieber liegen, als in aller Herrgottsfrüh an' Brunnen
ſpringen, weil die Waſſerleitung wieder amol zuge¬
froren is über Nacht. 's nimmt koa End' mit dem
Winter, ich ſag's ja.“
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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