Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

sprochen, und ich habe den Alten eine stumme Ver¬
beugung gemacht und mich gedrückt. Kein Zweifel,
ich habe sie verloren! Sie ist zu jung, zu weltun¬
kundig, um nicht durch diese Enttäuschung für immer
den Geschmack an mir zu verlieren. Ich sagte Dir's
ja, diese reinen Wesen verlangen viel! Eine dumpfe
Trauer hat sich meiner bemächtigt; von dem Besten,
was einem Manne werden kann, von der reinen un¬
enttäuschten Liebe eines jungen Herzens wie dieses
bin ich ausgeschlossen. Was für andere Frauen viel¬
leicht sogar ein pikanter Reiz wäre, für dieses Kind
trägt es den Namen Sünde. Ach, und ich geb' ihr
Recht!

Dein Eugen.

Klärchen an die Geschwister.

Meine Lieben! Mama hat Euch einen so herr¬
lichen Brief geschrieben (sie hat ihn mir eben vor¬
gelesen) und Euch diese ganze einzige Stadt so schön
darin geschildert, daß ich wirklich gar nichts übrig
behalten habe. Vorgestern Abend hatten wir ein
großartiges Gewitter, es hielt uns auf dem Lido fest
bis in die Nacht hinein, es sah aus, als ob Himmel
und Erde vergehen wollten; so schnell und ununter¬

ſprochen, und ich habe den Alten eine ſtumme Ver¬
beugung gemacht und mich gedrückt. Kein Zweifel,
ich habe ſie verloren! Sie iſt zu jung, zu weltun¬
kundig, um nicht durch dieſe Enttäuſchung für immer
den Geſchmack an mir zu verlieren. Ich ſagte Dir's
ja, dieſe reinen Weſen verlangen viel! Eine dumpfe
Trauer hat ſich meiner bemächtigt; von dem Beſten,
was einem Manne werden kann, von der reinen un¬
enttäuſchten Liebe eines jungen Herzens wie dieſes
bin ich ausgeſchloſſen. Was für andere Frauen viel¬
leicht ſogar ein pikanter Reiz wäre, für dieſes Kind
trägt es den Namen Sünde. Ach, und ich geb' ihr
Recht!

Dein Eugen.

Klärchen an die Geſchwister.

Meine Lieben! Mama hat Euch einen ſo herr¬
lichen Brief geſchrieben (ſie hat ihn mir eben vor¬
geleſen) und Euch dieſe ganze einzige Stadt ſo ſchön
darin geſchildert, daß ich wirklich gar nichts übrig
behalten habe. Vorgeſtern Abend hatten wir ein
großartiges Gewitter, es hielt uns auf dem Lido feſt
bis in die Nacht hinein, es ſah aus, als ob Himmel
und Erde vergehen wollten; ſo ſchnell und ununter¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0260" n="244"/>
&#x017F;prochen, und ich habe den Alten eine &#x017F;tumme Ver¬<lb/>
beugung gemacht und mich gedrückt. Kein Zweifel,<lb/>
ich habe &#x017F;ie verloren! Sie i&#x017F;t zu jung, zu weltun¬<lb/>
kundig, um nicht durch die&#x017F;e Enttäu&#x017F;chung für immer<lb/>
den Ge&#x017F;chmack an mir zu verlieren. Ich &#x017F;agte Dir's<lb/>
ja, die&#x017F;e reinen We&#x017F;en verlangen viel! Eine dumpfe<lb/>
Trauer hat &#x017F;ich meiner bemächtigt; von dem Be&#x017F;ten,<lb/>
was einem Manne werden kann, von der reinen un¬<lb/>
enttäu&#x017F;chten Liebe eines jungen Herzens wie die&#x017F;es<lb/>
bin ich ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Was für andere Frauen viel¬<lb/>
leicht &#x017F;ogar ein pikanter Reiz wäre, für die&#x017F;es Kind<lb/>
trägt es den Namen Sünde. Ach, und ich geb' ihr<lb/>
Recht!</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Dein Eugen.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div type="letter" n="2">
          <head><hi rendition="#g">Klärchen an die Ge&#x017F;chwister</hi>.<lb/></head>
          <opener>
            <dateline rendition="#right">Venedig, 16. April. </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Meine Lieben! Mama hat Euch einen &#x017F;o herr¬<lb/>
lichen Brief ge&#x017F;chrieben (&#x017F;ie hat ihn mir eben vor¬<lb/>
gele&#x017F;en) und Euch die&#x017F;e ganze einzige Stadt &#x017F;o &#x017F;chön<lb/>
darin ge&#x017F;childert, daß ich wirklich gar nichts übrig<lb/>
behalten habe. Vorge&#x017F;tern Abend hatten wir ein<lb/>
großartiges Gewitter, es hielt uns auf dem Lido fe&#x017F;t<lb/>
bis in die Nacht hinein, es &#x017F;ah aus, als ob Himmel<lb/>
und Erde vergehen wollten; &#x017F;o &#x017F;chnell und ununter¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0260] ſprochen, und ich habe den Alten eine ſtumme Ver¬ beugung gemacht und mich gedrückt. Kein Zweifel, ich habe ſie verloren! Sie iſt zu jung, zu weltun¬ kundig, um nicht durch dieſe Enttäuſchung für immer den Geſchmack an mir zu verlieren. Ich ſagte Dir's ja, dieſe reinen Weſen verlangen viel! Eine dumpfe Trauer hat ſich meiner bemächtigt; von dem Beſten, was einem Manne werden kann, von der reinen un¬ enttäuſchten Liebe eines jungen Herzens wie dieſes bin ich ausgeſchloſſen. Was für andere Frauen viel¬ leicht ſogar ein pikanter Reiz wäre, für dieſes Kind trägt es den Namen Sünde. Ach, und ich geb' ihr Recht! Dein Eugen. Klärchen an die Geſchwister. Venedig, 16. April. Meine Lieben! Mama hat Euch einen ſo herr¬ lichen Brief geſchrieben (ſie hat ihn mir eben vor¬ geleſen) und Euch dieſe ganze einzige Stadt ſo ſchön darin geſchildert, daß ich wirklich gar nichts übrig behalten habe. Vorgeſtern Abend hatten wir ein großartiges Gewitter, es hielt uns auf dem Lido feſt bis in die Nacht hinein, es ſah aus, als ob Himmel und Erde vergehen wollten; ſo ſchnell und ununter¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/260
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/260>, abgerufen am 21.11.2024.