Ich dachte mir die schönen Gestalten in antiken Ge¬ wändern dazu, und mein Herz zitterte ordentlich vor Freude, solch' eine denkwürdige Stätte zu betreten. Da zeigte Papa uns die dunkeln Gelasse unter den Galerien, wo die wilden Thiere und wohl auch die Verurtheilten, die mit ihnen kämpfen mußten, gefan¬ gen lagen bis zum Beginn des Kampfspiels, und dann wies er uns in der Mitte der Arena im Stein¬ fußboden die Löcher, durch die das Blut abfloß, und da kriegte ich ein Grauen vor den Menschen, die solch' Schauspiel hatten ansehen mögen, und mit aller Freude war es vorbei. Sogar die Leute auf der Piazza d'Erbe, die alle so lebhaft durcheinander rie¬ fen und sprachen und so bunt gekleidet waren, kamen mir nachher unheimlich vor, weil sie doch die Nach¬ kommen jener grausamen Alten sind. Und am an¬ deren Tage, als wir in der Stadt spazieren fuhren, führte uns der Kutscher, der ein alter Soldat war, aus der Festung hinaus und zeigte uns die Schlacht¬ felder von Custozza und S. Lucia und sagte immer: "Hier war ein erbitterter Kampf um eine öster¬ reichische Batterie, bis hierher lagen die Gefallenen, dort an dem weißen Kreuz so hoch übereinander, dieser Bach floß roth von Blut." Nun war noch das Aergste, daß zwischen der Saat, auf die er zeigte, viele Adonisröschen blühten, die wie frische Bluts¬ tropfen in der Sonne glänzten -- ach, ich sehnte mich
Ich dachte mir die ſchönen Geſtalten in antiken Ge¬ wändern dazu, und mein Herz zitterte ordentlich vor Freude, ſolch' eine denkwürdige Stätte zu betreten. Da zeigte Papa uns die dunkeln Gelaſſe unter den Galerien, wo die wilden Thiere und wohl auch die Verurtheilten, die mit ihnen kämpfen mußten, gefan¬ gen lagen bis zum Beginn des Kampfſpiels, und dann wies er uns in der Mitte der Arena im Stein¬ fußboden die Löcher, durch die das Blut abfloß, und da kriegte ich ein Grauen vor den Menſchen, die ſolch' Schauſpiel hatten anſehen mögen, und mit aller Freude war es vorbei. Sogar die Leute auf der Piazza d'Erbe, die alle ſo lebhaft durcheinander rie¬ fen und ſprachen und ſo bunt gekleidet waren, kamen mir nachher unheimlich vor, weil ſie doch die Nach¬ kommen jener grauſamen Alten ſind. Und am an¬ deren Tage, als wir in der Stadt ſpazieren fuhren, führte uns der Kutſcher, der ein alter Soldat war, aus der Feſtung hinaus und zeigte uns die Schlacht¬ felder von Cuſtozza und S. Lucia und ſagte immer: „Hier war ein erbitterter Kampf um eine öſter¬ reichiſche Batterie, bis hierher lagen die Gefallenen, dort an dem weißen Kreuz ſo hoch übereinander, dieſer Bach floß roth von Blut.“ Nun war noch das Aergſte, daß zwiſchen der Saat, auf die er zeigte, viele Adonisröschen blühten, die wie friſche Bluts¬ tropfen in der Sonne glänzten — ach, ich ſehnte mich
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Ich dachte mir die ſchönen Geſtalten in antiken Ge¬
wändern dazu, und mein Herz zitterte ordentlich vor
Freude, ſolch' eine denkwürdige Stätte zu betreten.
Da zeigte Papa uns die dunkeln Gelaſſe unter den
Galerien, wo die wilden Thiere und wohl auch die
Verurtheilten, die mit ihnen kämpfen mußten, gefan¬
gen lagen bis zum Beginn des Kampfſpiels, und
dann wies er uns in der Mitte der Arena im Stein¬
fußboden die Löcher, durch die das Blut abfloß, und
da kriegte ich ein Grauen vor den Menſchen, die
ſolch' Schauſpiel hatten anſehen mögen, und mit aller
Freude war es vorbei. Sogar die Leute auf der
Piazza d'Erbe, die alle ſo lebhaft durcheinander rie¬
fen und ſprachen und ſo bunt gekleidet waren, kamen
mir nachher unheimlich vor, weil ſie doch die Nach¬
kommen jener grauſamen Alten ſind. Und am an¬
deren Tage, als wir in der Stadt ſpazieren fuhren,
führte uns der Kutſcher, der ein alter Soldat war,
aus der Feſtung hinaus und zeigte uns die Schlacht¬
felder von Cuſtozza und S. Lucia und ſagte immer:
„Hier war ein erbitterter Kampf um eine öſter¬
reichiſche Batterie, bis hierher lagen die Gefallenen,
dort an dem weißen Kreuz ſo hoch übereinander,
dieſer Bach floß roth von Blut.“ Nun war noch das
Aergſte, daß zwiſchen der Saat, auf die er zeigte,
viele Adonisröschen blühten, die wie friſche Bluts¬
tropfen in der Sonne glänzten — ach, ich ſehnte mich
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/248>, abgerufen am 15.10.2024.
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