Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

erröthete, denn er hatte an die Stelle des jungen
Mannes, der so lebhaft auf das Mädchen an seinem
Arm einredete, sich selbst gesetzt In der Beschämung
darüber machte er auf einmal so weite Schritte wie
um sich selbst zu entlaufen, daß der kleine Koffer¬
träger kläglich zu schnaufen begann und sein Gepäck
zuletzt rathlos und zornig auf den Boden stellte.
Nun kam ihm der Gutmüthige schnell zu Hülfe. Er
griff selbst nach dem schwersten Stück, ja drückte dem
Buben gar die schmierige Mütze, die ihm entfallen
war, wieder auf die schwarzen Haare und scherzte so
freundlich mit ihm, daß der breite Mund sich noch
breiter zog, und die schiefen gelben Zähne hervorbleck¬
ten wie bei einem Teckel, den man streichelt. Es war
ein garstiger Junge, aber heut' sollte keiner ein kläg¬
liches oder böses Gesicht machen seinetwegen. Er gab
ihm ein so reiches Geldgeschenk, daß der kleine Träger
ohne Dank davonrannte und gleich mit einer Hand
"voll Münz" zurückkam; er hatte wechseln lassen, weil
er nicht geglaubt, das Alles sei für ihn. Als er es
zuletzt begriff, schoß ein warmer dankbarer Hunde¬
blick aus seinen kleinen Augen; der war von Stund
an dem Fremden zugethan, das fühlten sie alle Beide.

Sobald er sich's etwas behaglich gemacht, schloß
Alfred seinen Koffer auf, um an die Eltern zu
schreiben.

Vielleicht war das ein Weg, sich die Brust zu

erröthete, denn er hatte an die Stelle des jungen
Mannes, der ſo lebhaft auf das Mädchen an ſeinem
Arm einredete, ſich ſelbſt geſetzt In der Beſchämung
darüber machte er auf einmal ſo weite Schritte wie
um ſich ſelbſt zu entlaufen, daß der kleine Koffer¬
träger kläglich zu ſchnaufen begann und ſein Gepäck
zuletzt rathlos und zornig auf den Boden ſtellte.
Nun kam ihm der Gutmüthige ſchnell zu Hülfe. Er
griff ſelbſt nach dem ſchwerſten Stück, ja drückte dem
Buben gar die ſchmierige Mütze, die ihm entfallen
war, wieder auf die ſchwarzen Haare und ſcherzte ſo
freundlich mit ihm, daß der breite Mund ſich noch
breiter zog, und die ſchiefen gelben Zähne hervorbleck¬
ten wie bei einem Teckel, den man ſtreichelt. Es war
ein garſtiger Junge, aber heut' ſollte keiner ein kläg¬
liches oder böſes Geſicht machen ſeinetwegen. Er gab
ihm ein ſo reiches Geldgeſchenk, daß der kleine Träger
ohne Dank davonrannte und gleich mit einer Hand
„voll Münz“ zurückkam; er hatte wechſeln laſſen, weil
er nicht geglaubt, das Alles ſei für ihn. Als er es
zuletzt begriff, ſchoß ein warmer dankbarer Hunde¬
blick aus ſeinen kleinen Augen; der war von Stund
an dem Fremden zugethan, das fühlten ſie alle Beide.

Sobald er ſich's etwas behaglich gemacht, ſchloß
Alfred ſeinen Koffer auf, um an die Eltern zu
ſchreiben.

Vielleicht war das ein Weg, ſich die Bruſt zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0023" n="7"/>
erröthete, denn er hatte an die Stelle des jungen<lb/>
Mannes, der &#x017F;o lebhaft auf das Mädchen an &#x017F;einem<lb/>
Arm einredete, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;etzt In der Be&#x017F;chämung<lb/>
darüber machte er auf einmal &#x017F;o weite Schritte wie<lb/>
um &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu entlaufen, daß der kleine Koffer¬<lb/>
träger kläglich zu &#x017F;chnaufen begann und &#x017F;ein Gepäck<lb/>
zuletzt rathlos und zornig auf den Boden &#x017F;tellte.<lb/>
Nun kam ihm der Gutmüthige &#x017F;chnell zu Hülfe. Er<lb/>
griff &#x017F;elb&#x017F;t nach dem &#x017F;chwer&#x017F;ten Stück, ja drückte dem<lb/>
Buben gar die &#x017F;chmierige Mütze, die ihm entfallen<lb/>
war, wieder auf die &#x017F;chwarzen Haare und &#x017F;cherzte &#x017F;o<lb/>
freundlich mit ihm, daß der breite Mund &#x017F;ich noch<lb/>
breiter zog, und die &#x017F;chiefen gelben Zähne hervorbleck¬<lb/>
ten wie bei einem Teckel, den man &#x017F;treichelt. Es war<lb/>
ein gar&#x017F;tiger Junge, aber heut' &#x017F;ollte keiner ein kläg¬<lb/>
liches oder bö&#x017F;es Ge&#x017F;icht machen &#x017F;einetwegen. Er gab<lb/>
ihm ein &#x017F;o reiches Geldge&#x017F;chenk, daß der kleine Träger<lb/>
ohne Dank davonrannte und gleich mit einer Hand<lb/>
&#x201E;voll Münz&#x201C; zurückkam; er hatte wech&#x017F;eln la&#x017F;&#x017F;en, weil<lb/>
er nicht geglaubt, das Alles &#x017F;ei für ihn. Als er es<lb/>
zuletzt begriff, &#x017F;choß ein warmer dankbarer Hunde¬<lb/>
blick aus &#x017F;einen kleinen Augen; der war von Stund<lb/>
an dem Fremden zugethan, das fühlten &#x017F;ie alle Beide.</p><lb/>
        <p>Sobald er &#x017F;ich's etwas behaglich gemacht, &#x017F;chloß<lb/>
Alfred &#x017F;einen Koffer auf, um an die Eltern zu<lb/>
&#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <p>Vielleicht war das ein Weg, &#x017F;ich die Bru&#x017F;t zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0023] erröthete, denn er hatte an die Stelle des jungen Mannes, der ſo lebhaft auf das Mädchen an ſeinem Arm einredete, ſich ſelbſt geſetzt In der Beſchämung darüber machte er auf einmal ſo weite Schritte wie um ſich ſelbſt zu entlaufen, daß der kleine Koffer¬ träger kläglich zu ſchnaufen begann und ſein Gepäck zuletzt rathlos und zornig auf den Boden ſtellte. Nun kam ihm der Gutmüthige ſchnell zu Hülfe. Er griff ſelbſt nach dem ſchwerſten Stück, ja drückte dem Buben gar die ſchmierige Mütze, die ihm entfallen war, wieder auf die ſchwarzen Haare und ſcherzte ſo freundlich mit ihm, daß der breite Mund ſich noch breiter zog, und die ſchiefen gelben Zähne hervorbleck¬ ten wie bei einem Teckel, den man ſtreichelt. Es war ein garſtiger Junge, aber heut' ſollte keiner ein kläg¬ liches oder böſes Geſicht machen ſeinetwegen. Er gab ihm ein ſo reiches Geldgeſchenk, daß der kleine Träger ohne Dank davonrannte und gleich mit einer Hand „voll Münz“ zurückkam; er hatte wechſeln laſſen, weil er nicht geglaubt, das Alles ſei für ihn. Als er es zuletzt begriff, ſchoß ein warmer dankbarer Hunde¬ blick aus ſeinen kleinen Augen; der war von Stund an dem Fremden zugethan, das fühlten ſie alle Beide. Sobald er ſich's etwas behaglich gemacht, ſchloß Alfred ſeinen Koffer auf, um an die Eltern zu ſchreiben. Vielleicht war das ein Weg, ſich die Bruſt zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/23
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/23>, abgerufen am 21.11.2024.