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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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"Das könnte Fräulein Spitzer sein, die da
spazieren fährt, sieh doch hin, Marianne."

"Warum haben Sie denn den Schurz umgethan?"
hörten sie fragen. Und gleich kam die unvermuthete
Antwort: "Weil's doch a bissel häuslicher aussieht."

"Sie wird es wohl sein," sagte Marianne, "ein
hübsches dunkles Mädchen mit einem rothen Schürz¬
chen und wahrhaftig -- sie trägt auch einen Alpen¬
stock!"

Ueber Alfreds Gesicht flog ein gemischter Zug,
halb Lachen, halb Bitterkeit.

"Ja, das ist die Loni."

"Der Vater ist auch dabei und eine ältere Frau,
dann noch so junge Männer."

"Wüßt ich nur etwas von Wolff! Er hat doch
wohl unsern Brief nicht bekommen. So, die da
singen!"

Ein lustiges Lied, ganz Tanzmelodie, schwebte
durch den frischen Morgen verständlich und hell
herüber:

In grünen Laubeshallen,
Da steht ein lustig Haus,
Und Saiten hör ich schallen,
Und Lieder klingen heraus.
Aus all den offnen Thüren
Dringt frischer Bogenklang,
Die Vögel accompagniren
Mit schmetterndem Gesang.

„Das könnte Fräulein Spitzer ſein, die da
ſpazieren fährt, ſieh doch hin, Marianne.“

„Warum haben Sie denn den Schurz umgethan?“
hörten ſie fragen. Und gleich kam die unvermuthete
Antwort: „Weil's doch a biſſel häuslicher ausſieht.“

„Sie wird es wohl ſein,“ ſagte Marianne, „ein
hübſches dunkles Mädchen mit einem rothen Schürz¬
chen und wahrhaftig — ſie trägt auch einen Alpen¬
ſtock!“

Ueber Alfreds Geſicht flog ein gemiſchter Zug,
halb Lachen, halb Bitterkeit.

„Ja, das iſt die Loni.“

„Der Vater iſt auch dabei und eine ältere Frau,
dann noch ſo junge Männer.“

„Wüßt ich nur etwas von Wolff! Er hat doch
wohl unſern Brief nicht bekommen. So, die da
ſingen!“

Ein luſtiges Lied, ganz Tanzmelodie, ſchwebte
durch den friſchen Morgen verſtändlich und hell
herüber:

In grünen Laubeshallen,
Da ſteht ein luſtig Haus,
Und Saiten hör ich ſchallen,
Und Lieder klingen heraus.
Aus all den offnen Thüren
Dringt friſcher Bogenklang,
Die Vögel accompagniren
Mit ſchmetterndem Geſang.
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[110/0126] „Das könnte Fräulein Spitzer ſein, die da ſpazieren fährt, ſieh doch hin, Marianne.“ „Warum haben Sie denn den Schurz umgethan?“ hörten ſie fragen. Und gleich kam die unvermuthete Antwort: „Weil's doch a biſſel häuslicher ausſieht.“ „Sie wird es wohl ſein,“ ſagte Marianne, „ein hübſches dunkles Mädchen mit einem rothen Schürz¬ chen und wahrhaftig — ſie trägt auch einen Alpen¬ ſtock!“ Ueber Alfreds Geſicht flog ein gemiſchter Zug, halb Lachen, halb Bitterkeit. „Ja, das iſt die Loni.“ „Der Vater iſt auch dabei und eine ältere Frau, dann noch ſo junge Männer.“ „Wüßt ich nur etwas von Wolff! Er hat doch wohl unſern Brief nicht bekommen. So, die da ſingen!“ Ein luſtiges Lied, ganz Tanzmelodie, ſchwebte durch den friſchen Morgen verſtändlich und hell herüber: In grünen Laubeshallen, Da ſteht ein luſtig Haus, Und Saiten hör ich ſchallen, Und Lieder klingen heraus. Aus all den offnen Thüren Dringt friſcher Bogenklang, Die Vögel accompagniren Mit ſchmetterndem Geſang.

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/126>, abgerufen am 22.11.2024.