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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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mit Leo als Kammerdiener auf dem Bock neben dem
Kutscher. Der Wagen war offen, und voll fiel der
Sonnenschein durch das seidne gleißende Buchengrün
auf die emporgewendeten Gesichter. "Nun leih' mir
Deine Augen und laß mich Alles sehen, was Du
siehst," bat der arme Geblendete. Und Marianne
verstand ihn so gut, und die Erinnerung an vergan¬
gene helle Tage kam zu Hülfe, so daß er trotz aller
Entbehrung genoß. "Und Manches empfinde ich ver¬
stärkt, -- hat denn das junge Laub auch früher so
geduftet? Hat die Luft so weiche Finger über meine
Backen gleiten lassen? Ich bin wie ein Blatt, das
wohl auch nicht sieht und doch sich spreitet in Wonne
und Wohlgefühl, ich trinke den Sonnenschein."

Er saß da mit geöffneten Lippen und athmete
tief. "Und Du bist neben mir; ich richte immer das
Gesicht nach der Stelle, woher Deine Stimme dringt,
und es ist immer wieder ein Schrecken, daß ich so
ins Schwarze starre, -- aber nun bist Du nah" --

"Da ist das Siegesthor," sagte Marianne, ihre
Hand, die er zu fassen suchte, wegziehend. Ein
Schatten flog über sein Gesicht.

"Marianne," bat er, "ich möchte ein bestimmtes
Haus sehen, es muß bald kommen, rechter Hand, mit
den vielen Thürmchen" --

"Du bist bekannt dort, in der Villa Spitzer?"

mit Leo als Kammerdiener auf dem Bock neben dem
Kutſcher. Der Wagen war offen, und voll fiel der
Sonnenſchein durch das ſeidne gleißende Buchengrün
auf die emporgewendeten Geſichter. „Nun leih' mir
Deine Augen und laß mich Alles ſehen, was Du
ſiehſt,“ bat der arme Geblendete. Und Marianne
verſtand ihn ſo gut, und die Erinnerung an vergan¬
gene helle Tage kam zu Hülfe, ſo daß er trotz aller
Entbehrung genoß. „Und Manches empfinde ich ver¬
ſtärkt, — hat denn das junge Laub auch früher ſo
geduftet? Hat die Luft ſo weiche Finger über meine
Backen gleiten laſſen? Ich bin wie ein Blatt, das
wohl auch nicht ſieht und doch ſich ſpreitet in Wonne
und Wohlgefühl, ich trinke den Sonnenſchein.“

Er ſaß da mit geöffneten Lippen und athmete
tief. „Und Du biſt neben mir; ich richte immer das
Geſicht nach der Stelle, woher Deine Stimme dringt,
und es iſt immer wieder ein Schrecken, daß ich ſo
ins Schwarze ſtarre, — aber nun biſt Du nah“ —

„Da iſt das Siegesthor,“ ſagte Marianne, ihre
Hand, die er zu faſſen ſuchte, wegziehend. Ein
Schatten flog über ſein Geſicht.

„Marianne,“ bat er, „ich möchte ein beſtimmtes
Haus ſehen, es muß bald kommen, rechter Hand, mit
den vielen Thürmchen“ —

„Du biſt bekannt dort, in der Villa Spitzer?“

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[94/0110] mit Leo als Kammerdiener auf dem Bock neben dem Kutſcher. Der Wagen war offen, und voll fiel der Sonnenſchein durch das ſeidne gleißende Buchengrün auf die emporgewendeten Geſichter. „Nun leih' mir Deine Augen und laß mich Alles ſehen, was Du ſiehſt,“ bat der arme Geblendete. Und Marianne verſtand ihn ſo gut, und die Erinnerung an vergan¬ gene helle Tage kam zu Hülfe, ſo daß er trotz aller Entbehrung genoß. „Und Manches empfinde ich ver¬ ſtärkt, — hat denn das junge Laub auch früher ſo geduftet? Hat die Luft ſo weiche Finger über meine Backen gleiten laſſen? Ich bin wie ein Blatt, das wohl auch nicht ſieht und doch ſich ſpreitet in Wonne und Wohlgefühl, ich trinke den Sonnenſchein.“ Er ſaß da mit geöffneten Lippen und athmete tief. „Und Du biſt neben mir; ich richte immer das Geſicht nach der Stelle, woher Deine Stimme dringt, und es iſt immer wieder ein Schrecken, daß ich ſo ins Schwarze ſtarre, — aber nun biſt Du nah“ — „Da iſt das Siegesthor,“ ſagte Marianne, ihre Hand, die er zu faſſen ſuchte, wegziehend. Ein Schatten flog über ſein Geſicht. „Marianne,“ bat er, „ich möchte ein beſtimmtes Haus ſehen, es muß bald kommen, rechter Hand, mit den vielen Thürmchen“ — „Du biſt bekannt dort, in der Villa Spitzer?“

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/110>, abgerufen am 22.11.2024.