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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Augen und blickte sich scheu im Zimmer rundum. Als
sie meiner gewahr ward, überflog sie von Neuem ein
Schauder. "Gehen Sie, Fräulein Hardine," flehte
sie. "Um Gottes Barmherzigkeit willen, lassen Sie
mich allein!"

Ich entfernte mich nun wirklich; aber von Zeit
zu Zeit warf ich einen Blick in das Nachbarzimmer.
Dorothee saß weinend und händeringend auf ihrem
Bett. Sie sprach kein Wort, aber sie war gesund.

Wochen gingen hin in mechanischem Tageslauf.
Langsam brachten die Zeitungen, rascher von Zeit zu
Zeit ein durchreisender Courier Kunde über den zö¬
gernden Vormarsch der verbündeten Armeen. Am Tage
des heiligen Ludwig, an welchem unser junger Held
den Triumphzug nach Paris zu beschließen gehofft
hatte, standen die ersehnten Retter noch diesseit der
Ardennen, und der Enkel des heiligen Ludwig war
ein Gefangener des Tempel.

Dennoch verzagten wir nicht. Verdun hatte sich
wie Longwy übergeben, und wenn von da ab wochen¬
lang alle Nachrichten ausblieben, hielten wir uns an die
Zuversicht, daß das bis dahin immer siegreiche Heer
sich an einen verächtlichen Feind in seiner Flanke nicht
gekehrt, in Eilmärschen die Marne überschritten, und

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Augen und blickte ſich ſcheu im Zimmer rundum. Als
ſie meiner gewahr ward, überflog ſie von Neuem ein
Schauder. „Gehen Sie, Fräulein Hardine,“ flehte
ſie. „Um Gottes Barmherzigkeit willen, laſſen Sie
mich allein!“

Ich entfernte mich nun wirklich; aber von Zeit
zu Zeit warf ich einen Blick in das Nachbarzimmer.
Dorothee ſaß weinend und händeringend auf ihrem
Bett. Sie ſprach kein Wort, aber ſie war geſund.

Wochen gingen hin in mechaniſchem Tageslauf.
Langſam brachten die Zeitungen, raſcher von Zeit zu
Zeit ein durchreiſender Courier Kunde über den zö¬
gernden Vormarſch der verbündeten Armeen. Am Tage
des heiligen Ludwig, an welchem unſer junger Held
den Triumphzug nach Paris zu beſchließen gehofft
hatte, ſtanden die erſehnten Retter noch dieſſeit der
Ardennen, und der Enkel des heiligen Ludwig war
ein Gefangener des Tempel.

Dennoch verzagten wir nicht. Verdun hatte ſich
wie Longwy übergeben, und wenn von da ab wochen¬
lang alle Nachrichten ausblieben, hielten wir uns an die
Zuverſicht, daß das bis dahin immer ſiegreiche Heer
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[3/0007] Augen und blickte ſich ſcheu im Zimmer rundum. Als ſie meiner gewahr ward, überflog ſie von Neuem ein Schauder. „Gehen Sie, Fräulein Hardine,“ flehte ſie. „Um Gottes Barmherzigkeit willen, laſſen Sie mich allein!“ Ich entfernte mich nun wirklich; aber von Zeit zu Zeit warf ich einen Blick in das Nachbarzimmer. Dorothee ſaß weinend und händeringend auf ihrem Bett. Sie ſprach kein Wort, aber ſie war geſund. Wochen gingen hin in mechaniſchem Tageslauf. Langſam brachten die Zeitungen, raſcher von Zeit zu Zeit ein durchreiſender Courier Kunde über den zö¬ gernden Vormarſch der verbündeten Armeen. Am Tage des heiligen Ludwig, an welchem unſer junger Held den Triumphzug nach Paris zu beſchließen gehofft hatte, ſtanden die erſehnten Retter noch dieſſeit der Ardennen, und der Enkel des heiligen Ludwig war ein Gefangener des Tempel. Dennoch verzagten wir nicht. Verdun hatte ſich wie Longwy übergeben, und wenn von da ab wochen¬ lang alle Nachrichten ausblieben, hielten wir uns an die Zuverſicht, daß das bis dahin immer ſiegreiche Heer ſich an einen verächtlichen Feind in ſeiner Flanke nicht gekehrt, in Eilmärſchen die Marne überſchritten, und 1*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/7>, abgerufen am 09.11.2024.