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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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ten, die Zickelchen meckerten, im Stalle brüllte die
Kuh. Die Buben balgten sich um die Beute einer
gelben Rübe; die Heldenmutter tachtelte nach rechts
und links; aufgescheucht durch die Gefahr, welche sein
Theuerstes bedrohte, zeigte sich mit einem Weheruf
und umschwärmt von seiner tobenden Schaar, die
hehre Gestalt in weiland Manchester: wir aber, die wir
diesen Sturm im Stillleben angestiftet hatten, ent¬
schlüpften leise über den Ackertrain.

"Ein respectables Weib! Für ihren Beruf ein
Musterbild!" sagte nach einer langen Stille lächelnd
der menschenkundige Freund. Dorothee ging schwei¬
gend mit gesenktem Kopf -- und von einer Bewerbung
Christlieb Taube's ist fortan nicht die Rede gewesen.

Meine nahende Abreise drängte endlich zu einer
Entscheidung über die Zukunft des Knaben und da
war es denn der Probst, welcher das seiner Aufsicht
unterstellte Kloster in Vorschlag brachte. Von seiner
ursprünglichen Bestimmung für Soldatenwaisen hoffte
er eine Ausnahme zu erwirken, wenn gelegentlich einer
Visitation des hohen Curators der Anstalt, ein Theil
des Geheimnisses, die väterliche Abstammung, vor¬
sichtig angedeutet ward.

Dorothee weinte vor Freuden in der Aussicht,

ten, die Zickelchen meckerten, im Stalle brüllte die
Kuh. Die Buben balgten ſich um die Beute einer
gelben Rübe; die Heldenmutter tachtelte nach rechts
und links; aufgeſcheucht durch die Gefahr, welche ſein
Theuerſtes bedrohte, zeigte ſich mit einem Weheruf
und umſchwärmt von ſeiner tobenden Schaar, die
hehre Geſtalt in weiland Mancheſter: wir aber, die wir
dieſen Sturm im Stillleben angeſtiftet hatten, ent¬
ſchlüpften leiſe über den Ackertrain.

„Ein reſpectables Weib! Für ihren Beruf ein
Muſterbild!“ ſagte nach einer langen Stille lächelnd
der menſchenkundige Freund. Dorothee ging ſchwei¬
gend mit geſenktem Kopf — und von einer Bewerbung
Chriſtlieb Taube's iſt fortan nicht die Rede geweſen.

Meine nahende Abreiſe drängte endlich zu einer
Entſcheidung über die Zukunft des Knaben und da
war es denn der Probſt, welcher das ſeiner Aufſicht
unterſtellte Kloſter in Vorſchlag brachte. Von ſeiner
urſprünglichen Beſtimmung für Soldatenwaiſen hoffte
er eine Ausnahme zu erwirken, wenn gelegentlich einer
Viſitation des hohen Curators der Anſtalt, ein Theil
des Geheimniſſes, die väterliche Abſtammung, vor¬
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[63/0067] ten, die Zickelchen meckerten, im Stalle brüllte die Kuh. Die Buben balgten ſich um die Beute einer gelben Rübe; die Heldenmutter tachtelte nach rechts und links; aufgeſcheucht durch die Gefahr, welche ſein Theuerſtes bedrohte, zeigte ſich mit einem Weheruf und umſchwärmt von ſeiner tobenden Schaar, die hehre Geſtalt in weiland Mancheſter: wir aber, die wir dieſen Sturm im Stillleben angeſtiftet hatten, ent¬ ſchlüpften leiſe über den Ackertrain. „Ein reſpectables Weib! Für ihren Beruf ein Muſterbild!“ ſagte nach einer langen Stille lächelnd der menſchenkundige Freund. Dorothee ging ſchwei¬ gend mit geſenktem Kopf — und von einer Bewerbung Chriſtlieb Taube's iſt fortan nicht die Rede geweſen. Meine nahende Abreiſe drängte endlich zu einer Entſcheidung über die Zukunft des Knaben und da war es denn der Probſt, welcher das ſeiner Aufſicht unterſtellte Kloſter in Vorſchlag brachte. Von ſeiner urſprünglichen Beſtimmung für Soldatenwaiſen hoffte er eine Ausnahme zu erwirken, wenn gelegentlich einer Viſitation des hohen Curators der Anſtalt, ein Theil des Geheimniſſes, die väterliche Abſtammung, vor¬ ſichtig angedeutet ward. Dorothee weinte vor Freuden in der Ausſicht,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/67>, abgerufen am 26.04.2024.