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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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dumpf und kahl. Die kleine Dorl hätte mit der Hand
an die Decke reichen können. Die Fensterscheiben
glichen Schiefertafeln, welche im Schulgebrauche blind
geworden waren und in dem Kachelofen brodelte das
Runkelrübenfutter für die Kuh nicht eben sinnerquickend.
Wir setzten unsere Umschau fort und weilten in der
Musterung der hartköpfigen kleinen Menschenheerde
und ihres kahlköpfigen treuen Hirten.

Keine Frage: Das Lehramt hat seine Poesie.
Schwerlich aber würde sie in unseren Augen zu kurz
gekommen sein, hätte ein leiser Anflug der kindlichen
Pausbacken auf dem hehren Antlitz ihres Hüters re¬
flectirt; auch ein Ersatzstück für das, was eines Tages
schwarzer Manchester auf seinem Leibe geheißen, würde
von uns nicht als sträfliche Eitelkeit verlästert worden
sein. Aufrichtige Bewunderung dahingegen zollten
wir im Weiterschreiten der musivischen Kunst, welche
auf der Hauswäsche über dem Gartenzaun entwickelt war.

Diese Kunstleistung mochte unseren Führer ver¬
locken, nach der Bekanntschaft mit dem Schulregen¬
ten uns auch die der Hausregentin inmitten ihrer
privaten kleinen Heerde zu Gute kommen zu lassen.
Und wieder ein Chorus mit obligaten Donnerschlägen
lockte uns über den Hof auf ein Ackerstück, daß sich

dumpf und kahl. Die kleine Dorl hätte mit der Hand
an die Decke reichen können. Die Fenſterſcheiben
glichen Schiefertafeln, welche im Schulgebrauche blind
geworden waren und in dem Kachelofen brodelte das
Runkelrübenfutter für die Kuh nicht eben ſinnerquickend.
Wir ſetzten unſere Umſchau fort und weilten in der
Muſterung der hartköpfigen kleinen Menſchenheerde
und ihres kahlköpfigen treuen Hirten.

Keine Frage: Das Lehramt hat ſeine Poeſie.
Schwerlich aber würde ſie in unſeren Augen zu kurz
gekommen ſein, hätte ein leiſer Anflug der kindlichen
Pausbacken auf dem hehren Antlitz ihres Hüters re¬
flectirt; auch ein Erſatzſtück für das, was eines Tages
ſchwarzer Mancheſter auf ſeinem Leibe geheißen, würde
von uns nicht als ſträfliche Eitelkeit verläſtert worden
ſein. Aufrichtige Bewunderung dahingegen zollten
wir im Weiterſchreiten der muſiviſchen Kunſt, welche
auf der Hauswäſche über dem Gartenzaun entwickelt war.

Dieſe Kunſtleiſtung mochte unſeren Führer ver¬
locken, nach der Bekanntſchaft mit dem Schulregen¬
ten uns auch die der Hausregentin inmitten ihrer
privaten kleinen Heerde zu Gute kommen zu laſſen.
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[61/0065] dumpf und kahl. Die kleine Dorl hätte mit der Hand an die Decke reichen können. Die Fenſterſcheiben glichen Schiefertafeln, welche im Schulgebrauche blind geworden waren und in dem Kachelofen brodelte das Runkelrübenfutter für die Kuh nicht eben ſinnerquickend. Wir ſetzten unſere Umſchau fort und weilten in der Muſterung der hartköpfigen kleinen Menſchenheerde und ihres kahlköpfigen treuen Hirten. Keine Frage: Das Lehramt hat ſeine Poeſie. Schwerlich aber würde ſie in unſeren Augen zu kurz gekommen ſein, hätte ein leiſer Anflug der kindlichen Pausbacken auf dem hehren Antlitz ihres Hüters re¬ flectirt; auch ein Erſatzſtück für das, was eines Tages ſchwarzer Mancheſter auf ſeinem Leibe geheißen, würde von uns nicht als ſträfliche Eitelkeit verläſtert worden ſein. Aufrichtige Bewunderung dahingegen zollten wir im Weiterſchreiten der muſiviſchen Kunſt, welche auf der Hauswäſche über dem Gartenzaun entwickelt war. Dieſe Kunſtleiſtung mochte unſeren Führer ver¬ locken, nach der Bekanntſchaft mit dem Schulregen¬ ten uns auch die der Hausregentin inmitten ihrer privaten kleinen Heerde zu Gute kommen zu laſſen. Und wieder ein Chorus mit obligaten Donnerſchlägen lockte uns über den Hof auf ein Ackerſtück, daß ſich

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/65>, abgerufen am 24.04.2024.