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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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und Wölfe in unserem Walde gehaust, sie ihn unter
die Bären und Wölfe in den Wald gejagt haben
würde. "Es kommt Ihnen nichts Gutes durch den
Wildling," wurde sie nicht müde, mir vorzuhalten.
Das landläufige Sprichwort von dem besudelnden Pech
und der Geist, welcher geheimnißvoll aus einem
Kartenspiel warnt, stimmten in dieser Mahnung zu¬
sammen: Und alte, treue Justine, könntest Du doch
spüren, daß vierzig Jahre später die Erörterung der
Frage, ob Deinem Fräulein Gutes von dem Wild¬
ling gekommen ist? die Schlußbetrachtung ihres Lebens
bilden wird.

Da half kein Zureden, der Junge mußte fort;
fort aus Reckenburg; und eine Erwägung anderer Art
gab diesem Entschlusse Nachdruck auch für mich. Unser
treuer Freund, der Prediger, hatte uns kürzlich ver¬
lassen, um als Vorsteher des Laurentiusklosters eine
freiere, seinem väterlichen Sinne angemessenere Stellung
einzunehmen. Der Dienst in der Gemeinde wurde
während der Vacanz wechselnd von Nachbarpredigern
versehen, die sich um örtliche Verhältnisse wenig küm¬
merten. Wenn aber kommenden Sommer der neu¬
gewählte Seelsorger sich bekannt machte, konnte ihm
das Auffällige unseres Schützlings schwerlich entgehen.

und Wölfe in unſerem Walde gehauſt, ſie ihn unter
die Bären und Wölfe in den Wald gejagt haben
würde. „Es kommt Ihnen nichts Gutes durch den
Wildling,“ wurde ſie nicht müde, mir vorzuhalten.
Das landläufige Sprichwort von dem beſudelnden Pech
und der Geiſt, welcher geheimnißvoll aus einem
Kartenſpiel warnt, ſtimmten in dieſer Mahnung zu¬
ſammen: Und alte, treue Juſtine, könntest Du doch
ſpüren, daß vierzig Jahre ſpäter die Erörterung der
Frage, ob Deinem Fräulein Gutes von dem Wild¬
ling gekommen iſt? die Schlußbetrachtung ihres Lebens
bilden wird.

Da half kein Zureden, der Junge mußte fort;
fort aus Reckenburg; und eine Erwägung anderer Art
gab dieſem Entschluſſe Nachdruck auch für mich. Unſer
treuer Freund, der Prediger, hatte uns kürzlich ver¬
laſſen, um als Vorſteher des Laurentiuskloſters eine
freiere, ſeinem väterlichen Sinne angemeſſenere Stellung
einzunehmen. Der Dienſt in der Gemeinde wurde
während der Vacanz wechſelnd von Nachbarpredigern
verſehen, die ſich um örtliche Verhältniſſe wenig küm¬
merten. Wenn aber kommenden Sommer der neu¬
gewählte Seelſorger ſich bekannt machte, konnte ihm
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[55/0059] und Wölfe in unſerem Walde gehauſt, ſie ihn unter die Bären und Wölfe in den Wald gejagt haben würde. „Es kommt Ihnen nichts Gutes durch den Wildling,“ wurde ſie nicht müde, mir vorzuhalten. Das landläufige Sprichwort von dem beſudelnden Pech und der Geiſt, welcher geheimnißvoll aus einem Kartenſpiel warnt, ſtimmten in dieſer Mahnung zu¬ ſammen: Und alte, treue Juſtine, könntest Du doch ſpüren, daß vierzig Jahre ſpäter die Erörterung der Frage, ob Deinem Fräulein Gutes von dem Wild¬ ling gekommen iſt? die Schlußbetrachtung ihres Lebens bilden wird. Da half kein Zureden, der Junge mußte fort; fort aus Reckenburg; und eine Erwägung anderer Art gab dieſem Entschluſſe Nachdruck auch für mich. Unſer treuer Freund, der Prediger, hatte uns kürzlich ver¬ laſſen, um als Vorſteher des Laurentiuskloſters eine freiere, ſeinem väterlichen Sinne angemeſſenere Stellung einzunehmen. Der Dienſt in der Gemeinde wurde während der Vacanz wechſelnd von Nachbarpredigern verſehen, die ſich um örtliche Verhältniſſe wenig küm¬ merten. Wenn aber kommenden Sommer der neu¬ gewählte Seelſorger ſich bekannt machte, konnte ihm das Auffällige unſeres Schützlings ſchwerlich entgehen.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/59>, abgerufen am 18.04.2024.