Ich aber rüttelte nicht mit Gewalt diese Pflicht in ihrem Gemüthe wach. Denn der Wuchs eines Menschen, wie der eines Baumes, -- ich hatte es allmälig begriffen, -- er läßt sich in die Breite und allenfalls in die Höhe treiben; aber tiefer graben, bis zum nährenden Quell lassen sich seine Wurzeln nicht. Wie die Natur ausgepflanzt hat, so müssen wir ein¬ ander hegen, -- oder meiden. Im Uebrigen sagte ich mir auch, daß der vaterlose Knabe sich unter der rauhen Hand der Fremden natürlicher entwickeln werde als unter der tändelnden der Mutter. Und endlich hielt ich die eignen Augen nicht auf ihn gerichtet?
Wie ich als Kind nicht mit Puppen gespielt hatte, so war ich auch späterhin nicht das, was man kinder¬ lieb nennt. Dieser Knabe aber wuchs mir nahe an's Herz. Wenn ich auf dem Wege durch's Dorf die blöde, plumpe, flachssträhnige Bauernbrut zwischen Hühnern und Ferkeln auf ihren Düngerhaufen hatte hocken sehen, und nun vom Walde her die biegsame, kleine Gestalt in ihrem zierlichen Röckchen mir ent¬ gegensprang, da lachte ich wohl vor Lust, aber ich fragte mich auch mit Wehmuth, ob nicht der Vater, an welchen mein Prinzchen so lebhaft erinnerte, sich in die natürlichen Schranken des Lebens gefügt haben
Ich aber rüttelte nicht mit Gewalt dieſe Pflicht in ihrem Gemüthe wach. Denn der Wuchs eines Menſchen, wie der eines Baumes, — ich hatte es allmälig begriffen, — er läßt ſich in die Breite und allenfalls in die Höhe treiben; aber tiefer graben, bis zum nährenden Quell laſſen ſich ſeine Wurzeln nicht. Wie die Natur ausgepflanzt hat, ſo müſſen wir ein¬ ander hegen, — oder meiden. Im Uebrigen ſagte ich mir auch, daß der vaterloſe Knabe ſich unter der rauhen Hand der Fremden natürlicher entwickeln werde als unter der tändelnden der Mutter. Und endlich hielt ich die eignen Augen nicht auf ihn gerichtet?
Wie ich als Kind nicht mit Puppen geſpielt hatte, ſo war ich auch ſpäterhin nicht das, was man kinder¬ lieb nennt. Dieſer Knabe aber wuchs mir nahe an's Herz. Wenn ich auf dem Wege durch's Dorf die blöde, plumpe, flachsſträhnige Bauernbrut zwiſchen Hühnern und Ferkeln auf ihren Düngerhaufen hatte hocken ſehen, und nun vom Walde her die biegſame, kleine Geſtalt in ihrem zierlichen Röckchen mir ent¬ gegenſprang, da lachte ich wohl vor Luſt, aber ich fragte mich auch mit Wehmuth, ob nicht der Vater, an welchen mein Prinzchen ſo lebhaft erinnerte, ſich in die natürlichen Schranken des Lebens gefügt haben
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Ich aber rüttelte nicht mit Gewalt dieſe Pflicht
in ihrem Gemüthe wach. Denn der Wuchs eines
Menſchen, wie der eines Baumes, — ich hatte es
allmälig begriffen, — er läßt ſich in die Breite und
allenfalls in die Höhe treiben; aber tiefer graben, bis
zum nährenden Quell laſſen ſich ſeine Wurzeln nicht.
Wie die Natur ausgepflanzt hat, ſo müſſen wir ein¬
ander hegen, — oder meiden. Im Uebrigen ſagte ich
mir auch, daß der vaterloſe Knabe ſich unter der rauhen
Hand der Fremden natürlicher entwickeln werde als
unter der tändelnden der Mutter. Und endlich hielt ich
die eignen Augen nicht auf ihn gerichtet?
Wie ich als Kind nicht mit Puppen geſpielt hatte,
ſo war ich auch ſpäterhin nicht das, was man kinder¬
lieb nennt. Dieſer Knabe aber wuchs mir nahe an's
Herz. Wenn ich auf dem Wege durch's Dorf die
blöde, plumpe, flachsſträhnige Bauernbrut zwiſchen
Hühnern und Ferkeln auf ihren Düngerhaufen hatte
hocken ſehen, und nun vom Walde her die biegſame,
kleine Geſtalt in ihrem zierlichen Röckchen mir ent¬
gegenſprang, da lachte ich wohl vor Luſt, aber ich
fragte mich auch mit Wehmuth, ob nicht der Vater,
an welchen mein Prinzchen ſo lebhaft erinnerte, ſich
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/57>, abgerufen am 22.11.2024.
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