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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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nächsten Jahren, -- immer nur auf etliche Sommer¬
wochen, -- in der Heimath einkehrte, unverändert
dieselbe, fleißig bemüht durch zierliche Stickereien ihre
Einkünfte zu verbessern, auf daß es ihrem Knaben an
keiner Pflege, keiner Zierrath gebrechen möge. Hatte
sie am Abend Mützendeckel und Flitterschuhe bei Seite
gelegt, dann zeichnete sie kleine Kinderköpfe, oder
schnitzelte sie als Silhouetten aus schwarzem Papier,
legte sie zwischen die Blätter ihres Gesangbuches und
küßte sie als Gleichnisse ihres schönen Knaben. Sie
fertigte ihm Röckchen und Wämschen, drehte Blumen
aus den hellen Locken, die ich ihm jedes Jahr für sie
abschneiden mußte, verflocht sie mit einem Goldfädchen
ihres eignen Haars, auch wohl mit einem anderen,
das sie einem theueren Erinnerungszeichen entwand,
und nannte sie ihre Sonnenblumen. Sie herzte jedes
fremde Kind, sie jubelte vor Lust und weinte vor
Weh, wenn sie des eignen gedachte, -- aber wieder¬
gesehen hat sie den Pflegling Muhme Justinens nicht.
Auch als ihr Vater schlafen gegangen, als der meine
heimgekehrt war, als sie ledig jeder Pflicht auf eig¬
nen Füßen stand: daß sie, und nicht eine Fremde
zur Hüterin ihres Kindes berufen sei, daran dachte
sie nicht.

nächſten Jahren, — immer nur auf etliche Sommer¬
wochen, — in der Heimath einkehrte, unverändert
dieſelbe, fleißig bemüht durch zierliche Stickereien ihre
Einkünfte zu verbeſſern, auf daß es ihrem Knaben an
keiner Pflege, keiner Zierrath gebrechen möge. Hatte
ſie am Abend Mützendeckel und Flitterſchuhe bei Seite
gelegt, dann zeichnete ſie kleine Kinderköpfe, oder
ſchnitzelte ſie als Silhouetten aus ſchwarzem Papier,
legte ſie zwiſchen die Blätter ihres Geſangbuches und
küßte ſie als Gleichniſſe ihres ſchönen Knaben. Sie
fertigte ihm Röckchen und Wämschen, drehte Blumen
aus den hellen Locken, die ich ihm jedes Jahr für ſie
abſchneiden mußte, verflocht ſie mit einem Goldfädchen
ihres eignen Haars, auch wohl mit einem anderen,
das ſie einem theueren Erinnerungszeichen entwand,
und nannte ſie ihre Sonnenblumen. Sie herzte jedes
fremde Kind, ſie jubelte vor Luſt und weinte vor
Weh, wenn ſie des eignen gedachte, — aber wieder¬
geſehen hat ſie den Pflegling Muhme Juſtinens nicht.
Auch als ihr Vater ſchlafen gegangen, als der meine
heimgekehrt war, als ſie ledig jeder Pflicht auf eig¬
nen Füßen ſtand: daß ſie, und nicht eine Fremde
zur Hüterin ihres Kindes berufen ſei, daran dachte
ſie nicht.

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[52/0056] nächſten Jahren, — immer nur auf etliche Sommer¬ wochen, — in der Heimath einkehrte, unverändert dieſelbe, fleißig bemüht durch zierliche Stickereien ihre Einkünfte zu verbeſſern, auf daß es ihrem Knaben an keiner Pflege, keiner Zierrath gebrechen möge. Hatte ſie am Abend Mützendeckel und Flitterſchuhe bei Seite gelegt, dann zeichnete ſie kleine Kinderköpfe, oder ſchnitzelte ſie als Silhouetten aus ſchwarzem Papier, legte ſie zwiſchen die Blätter ihres Geſangbuches und küßte ſie als Gleichniſſe ihres ſchönen Knaben. Sie fertigte ihm Röckchen und Wämschen, drehte Blumen aus den hellen Locken, die ich ihm jedes Jahr für ſie abſchneiden mußte, verflocht ſie mit einem Goldfädchen ihres eignen Haars, auch wohl mit einem anderen, das ſie einem theueren Erinnerungszeichen entwand, und nannte ſie ihre Sonnenblumen. Sie herzte jedes fremde Kind, ſie jubelte vor Luſt und weinte vor Weh, wenn ſie des eignen gedachte, — aber wieder¬ geſehen hat ſie den Pflegling Muhme Juſtinens nicht. Auch als ihr Vater ſchlafen gegangen, als der meine heimgekehrt war, als ſie ledig jeder Pflicht auf eig¬ nen Füßen ſtand: daß ſie, und nicht eine Fremde zur Hüterin ihres Kindes berufen ſei, daran dachte ſie nicht.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/56>, abgerufen am 22.11.2024.