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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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es dem Vater, mit beruhigtem Gewissen, gelingt, seine
Bestrebungen für das Vaterland durchzuführen, so
wird das Gute, das er wirkt und genießt, in dem
Buche Ihrer Segnungen verzeichnet stehen."

Nun, da sah ich ja einen Thurmplan für mein
Haus! Da hatte ich ja einen Familienzusammenhang
bei ungestörter Freiheit für mich selbst, eine Thätig¬
keit der gemäß, an welcher sich meine Kräfte erprobt
hatten, und eine zweite in den Kauf, an der sich neue
Kräfte erproben konnten, erproben würden, wie ich
mir zutrauen durfte. Denn wenn ich auch schwerlich
die Stütze gewesen wäre, an welcher ein schwächliches
Pflänzchen sich in die Höhe rankt, zu rauh für eine
Töchtermutter: Zucht und Schnitt verwilderter Schö߬
linge, die hatte ich an meiner Bauernschaft üben ge¬
lernt, und hätte sie wohl auch an einer feineren Race
bewähren lernen. Der Mann hatte Recht: ich war
eine Vormünderin, eine Stiefmutter für Knaben.
Warum zögerte ich denn noch, warum sagte ich denn
nicht Ja und Amen zu dem guten Wort?

War die einsame Gewöhnung so mächtig in der
Eremitin des neuen Thurms? Achtete sie die Welt so
hoch, deren drastischen Humor eine Altjungfernheirath
zu erwecken pflegt? Oder gab sie der Flüsterstimme

es dem Vater, mit beruhigtem Gewiſſen, gelingt, ſeine
Beſtrebungen für das Vaterland durchzuführen, ſo
wird das Gute, das er wirkt und genießt, in dem
Buche Ihrer Segnungen verzeichnet ſtehen.“

Nun, da ſah ich ja einen Thurmplan für mein
Haus! Da hatte ich ja einen Familienzuſammenhang
bei ungeſtörter Freiheit für mich ſelbſt, eine Thätig¬
keit der gemäß, an welcher ſich meine Kräfte erprobt
hatten, und eine zweite in den Kauf, an der ſich neue
Kräfte erproben konnten, erproben würden, wie ich
mir zutrauen durfte. Denn wenn ich auch ſchwerlich
die Stütze geweſen wäre, an welcher ein ſchwächliches
Pflänzchen ſich in die Höhe rankt, zu rauh für eine
Töchtermutter: Zucht und Schnitt verwilderter Schö߬
linge, die hatte ich an meiner Bauernſchaft üben ge¬
lernt, und hätte ſie wohl auch an einer feineren Race
bewähren lernen. Der Mann hatte Recht: ich war
eine Vormünderin, eine Stiefmutter für Knaben.
Warum zögerte ich denn noch, warum ſagte ich denn
nicht Ja und Amen zu dem guten Wort?

War die einſame Gewöhnung ſo mächtig in der
Eremitin des neuen Thurms? Achtete ſie die Welt ſo
hoch, deren draſtiſchen Humor eine Altjungfernheirath
zu erwecken pflegt? Oder gab ſie der Flüſterſtimme

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[178/0182] es dem Vater, mit beruhigtem Gewiſſen, gelingt, ſeine Beſtrebungen für das Vaterland durchzuführen, ſo wird das Gute, das er wirkt und genießt, in dem Buche Ihrer Segnungen verzeichnet ſtehen.“ Nun, da ſah ich ja einen Thurmplan für mein Haus! Da hatte ich ja einen Familienzuſammenhang bei ungeſtörter Freiheit für mich ſelbſt, eine Thätig¬ keit der gemäß, an welcher ſich meine Kräfte erprobt hatten, und eine zweite in den Kauf, an der ſich neue Kräfte erproben konnten, erproben würden, wie ich mir zutrauen durfte. Denn wenn ich auch ſchwerlich die Stütze geweſen wäre, an welcher ein ſchwächliches Pflänzchen ſich in die Höhe rankt, zu rauh für eine Töchtermutter: Zucht und Schnitt verwilderter Schö߬ linge, die hatte ich an meiner Bauernſchaft üben ge¬ lernt, und hätte ſie wohl auch an einer feineren Race bewähren lernen. Der Mann hatte Recht: ich war eine Vormünderin, eine Stiefmutter für Knaben. Warum zögerte ich denn noch, warum ſagte ich denn nicht Ja und Amen zu dem guten Wort? War die einſame Gewöhnung ſo mächtig in der Eremitin des neuen Thurms? Achtete ſie die Welt ſo hoch, deren draſtiſchen Humor eine Altjungfernheirath zu erwecken pflegt? Oder gab ſie der Flüſterſtimme

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/182>, abgerufen am 25.04.2024.