schließliche Entscheidung, und die Frage ist nur, ob ich mit leichtem oder schwerem Herzen scheiden soll."
Er machte eine Pause. Auch ich schwieg. Dann fuhr er fort:
"Legen wir unsere Hände ineinander, Verehrteste. Es ist ein Vertrauen, wie es Ihnen nicht reiner ge¬ boten werden kann. Sie fügen zu der unbeschränk¬ ten Verwaltung Ihres Besitzthums die des meinigen nach freiem Ermessen. Die Aufgabe ist nicht zu groß für Sie. Sie werden, wie dem Vater die Statthal¬ terin und Gehülfin, so den Söhnen die leitende Freundin, der sie so dringend bedürfen. Wie keine Zweite sind Sie die Frau, welche Knaben den Vater zu ergänzen, und allenfalls zu ersetzen vermag. Sie sind streng und wachsam, und Sie werden ge¬ recht sein, weil Sie die Anlagen des Mannes nach den eigenen messen dürfen. Mein ältester Sohn würde die Militärschule verlassen, und sich unter Ihrem er¬ weckenden Einfluß zum Landwirth und Majoratserben ausbilden. Sie würden für die jüngeren die Lebens¬ stellung ausfindig machen, welche, bei beschränkteren äußeren Mitteln, ihren Anlagen entspricht, und wenn
Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. II. 12
ſchließliche Entſcheidung, und die Frage iſt nur, ob ich mit leichtem oder ſchwerem Herzen ſcheiden ſoll.“
Er machte eine Pauſe. Auch ich ſchwieg. Dann fuhr er fort:
„Legen wir unſere Hände ineinander, Verehrteſte. Es iſt ein Vertrauen, wie es Ihnen nicht reiner ge¬ boten werden kann. Sie fügen zu der unbeſchränk¬ ten Verwaltung Ihres Beſitzthums die des meinigen nach freiem Ermeſſen. Die Aufgabe iſt nicht zu groß für Sie. Sie werden, wie dem Vater die Statthal¬ terin und Gehülfin, ſo den Söhnen die leitende Freundin, der ſie ſo dringend bedürfen. Wie keine Zweite ſind Sie die Frau, welche Knaben den Vater zu ergänzen, und allenfalls zu erſetzen vermag. Sie ſind ſtreng und wachſam, und Sie werden ge¬ recht ſein, weil Sie die Anlagen des Mannes nach den eigenen meſſen dürfen. Mein älteſter Sohn würde die Militärſchule verlaſſen, und ſich unter Ihrem er¬ weckenden Einfluß zum Landwirth und Majoratserben ausbilden. Sie würden für die jüngeren die Lebens¬ ſtellung ausfindig machen, welche, bei beſchränkteren äußeren Mitteln, ihren Anlagen entſpricht, und wenn
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 12
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0181"n="177"/>ſchließliche Entſcheidung, und die Frage iſt nur,<lb/>
ob ich mit leichtem oder ſchwerem Herzen ſcheiden<lb/>ſoll.“</p><lb/><p>Er machte eine Pauſe. Auch ich ſchwieg. Dann<lb/>
fuhr er fort:</p><lb/><p>„Legen wir unſere Hände ineinander, Verehrteſte.<lb/>
Es iſt ein Vertrauen, wie es Ihnen nicht reiner ge¬<lb/>
boten werden kann. Sie fügen zu der unbeſchränk¬<lb/>
ten Verwaltung Ihres Beſitzthums die des meinigen<lb/>
nach freiem Ermeſſen. Die Aufgabe iſt nicht zu groß<lb/>
für Sie. Sie werden, wie dem Vater die Statthal¬<lb/>
terin und Gehülfin, ſo den Söhnen die leitende<lb/>
Freundin, der ſie ſo dringend bedürfen. Wie keine<lb/>
Zweite ſind Sie die Frau, welche Knaben den<lb/>
Vater zu ergänzen, und allenfalls zu erſetzen vermag.<lb/>
Sie ſind ſtreng und wachſam, und Sie werden ge¬<lb/>
recht ſein, weil Sie die Anlagen des Mannes nach<lb/>
den eigenen meſſen dürfen. Mein älteſter Sohn würde<lb/>
die Militärſchule verlaſſen, und ſich unter Ihrem er¬<lb/>
weckenden Einfluß zum Landwirth und Majoratserben<lb/>
ausbilden. Sie würden für die jüngeren die Lebens¬<lb/>ſtellung ausfindig machen, welche, bei beſchränkteren<lb/>
äußeren Mitteln, ihren Anlagen entſpricht, und wenn<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 12<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[177/0181]
ſchließliche Entſcheidung, und die Frage iſt nur,
ob ich mit leichtem oder ſchwerem Herzen ſcheiden
ſoll.“
Er machte eine Pauſe. Auch ich ſchwieg. Dann
fuhr er fort:
„Legen wir unſere Hände ineinander, Verehrteſte.
Es iſt ein Vertrauen, wie es Ihnen nicht reiner ge¬
boten werden kann. Sie fügen zu der unbeſchränk¬
ten Verwaltung Ihres Beſitzthums die des meinigen
nach freiem Ermeſſen. Die Aufgabe iſt nicht zu groß
für Sie. Sie werden, wie dem Vater die Statthal¬
terin und Gehülfin, ſo den Söhnen die leitende
Freundin, der ſie ſo dringend bedürfen. Wie keine
Zweite ſind Sie die Frau, welche Knaben den
Vater zu ergänzen, und allenfalls zu erſetzen vermag.
Sie ſind ſtreng und wachſam, und Sie werden ge¬
recht ſein, weil Sie die Anlagen des Mannes nach
den eigenen meſſen dürfen. Mein älteſter Sohn würde
die Militärſchule verlaſſen, und ſich unter Ihrem er¬
weckenden Einfluß zum Landwirth und Majoratserben
ausbilden. Sie würden für die jüngeren die Lebens¬
ſtellung ausfindig machen, welche, bei beſchränkteren
äußeren Mitteln, ihren Anlagen entſpricht, und wenn
Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. II. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/181>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.