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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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nicht einfach: adoptiren Sie meine Jungen, oder setzen
sie zu Ihren Erben ein, Fräulein Hardine?"

"Einfach, weil diese Einsetzung meinen Wünschen
nicht dienen, oder nur zur Hälfte dienen würde,"
antwortete der Graf gelassen. "Ich bin gewiß der
Erste, das Ansehen zu würdigen, das meinen Nach¬
kommen aus dem Namen und Erbe der Reckenburg
erwachsen würde; aber näher als der Glanz der Zukunft
liegt mir das Bedürfniß der Gegenwart. Sie trauen
mir den Takt zu, meine Gnädigste, daß ich diesem
Bedürfniß nicht eine gefühlvolle Einkleidung geben
werde. Das Leben meines Herzens ist abgethan und
die Eitelkeit, das des Ihrigen zu erwecken, liegt mir
fern. Aber Freunde könnten wir einander sein; Ra¬
ther und Helfer Sie mir, wie ich Ihnen; ein offen¬
bares Bedürfniß uns gegenseitig befriedigen.

"Sie, Fräulein von Reckenburg, stehen vor einem
wohlgelungenen Werke, dessen mechanische Erhaltung
Ihnen nicht genügt. Sie sind keine beschauliche Na¬
tur, bedürfen von Stunde zu Stunde der selbsterrun¬
genen Erfolge. Sie sehen sich allein und suchen un¬
ter Fremden nach Einem, der einen ehrwürdigen Na¬
men und eine bedeutende Bestimmung von Geschlecht
zu Geschlecht tragen würde. Nun eine neue organi¬

nicht einfach: adoptiren Sie meine Jungen, oder ſetzen
ſie zu Ihren Erben ein, Fräulein Hardine?“

„Einfach, weil dieſe Einſetzung meinen Wünſchen
nicht dienen, oder nur zur Hälfte dienen würde,“
antwortete der Graf gelaſſen. „Ich bin gewiß der
Erſte, das Anſehen zu würdigen, das meinen Nach¬
kommen aus dem Namen und Erbe der Reckenburg
erwachſen würde; aber näher als der Glanz der Zukunft
liegt mir das Bedürfniß der Gegenwart. Sie trauen
mir den Takt zu, meine Gnädigſte, daß ich dieſem
Bedürfniß nicht eine gefühlvolle Einkleidung geben
werde. Das Leben meines Herzens iſt abgethan und
die Eitelkeit, das des Ihrigen zu erwecken, liegt mir
fern. Aber Freunde könnten wir einander ſein; Ra¬
ther und Helfer Sie mir, wie ich Ihnen; ein offen¬
bares Bedürfniß uns gegenſeitig befriedigen.

„Sie, Fräulein von Reckenburg, ſtehen vor einem
wohlgelungenen Werke, deſſen mechaniſche Erhaltung
Ihnen nicht genügt. Sie ſind keine beſchauliche Na¬
tur, bedürfen von Stunde zu Stunde der ſelbſterrun¬
genen Erfolge. Sie ſehen ſich allein und ſuchen un¬
ter Fremden nach Einem, der einen ehrwürdigen Na¬
men und eine bedeutende Beſtimmung von Geſchlecht
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[175/0179] nicht einfach: adoptiren Sie meine Jungen, oder ſetzen ſie zu Ihren Erben ein, Fräulein Hardine?“ „Einfach, weil dieſe Einſetzung meinen Wünſchen nicht dienen, oder nur zur Hälfte dienen würde,“ antwortete der Graf gelaſſen. „Ich bin gewiß der Erſte, das Anſehen zu würdigen, das meinen Nach¬ kommen aus dem Namen und Erbe der Reckenburg erwachſen würde; aber näher als der Glanz der Zukunft liegt mir das Bedürfniß der Gegenwart. Sie trauen mir den Takt zu, meine Gnädigſte, daß ich dieſem Bedürfniß nicht eine gefühlvolle Einkleidung geben werde. Das Leben meines Herzens iſt abgethan und die Eitelkeit, das des Ihrigen zu erwecken, liegt mir fern. Aber Freunde könnten wir einander ſein; Ra¬ ther und Helfer Sie mir, wie ich Ihnen; ein offen¬ bares Bedürfniß uns gegenſeitig befriedigen. „Sie, Fräulein von Reckenburg, ſtehen vor einem wohlgelungenen Werke, deſſen mechaniſche Erhaltung Ihnen nicht genügt. Sie ſind keine beſchauliche Na¬ tur, bedürfen von Stunde zu Stunde der ſelbſterrun¬ genen Erfolge. Sie ſehen ſich allein und ſuchen un¬ ter Fremden nach Einem, der einen ehrwürdigen Na¬ men und eine bedeutende Beſtimmung von Geſchlecht zu Geſchlecht tragen würde. Nun eine neue organi¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/179>, abgerufen am 28.03.2024.