François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.Es schien, als ob er seine Trauer mit in's Grab Der Mann war bei gesunden Sinnen und ernst¬ "Ich auch," versetzte eben so trocken der Graf. "Das heißt: als Mann ein Vierteljahrhundert "Unter den herkömmlichen Voraussetzungen einer Seine merkwürdige Offenherzigkeit begann mich zu "Wollen Sie nur den Gatten, nicht auch den "Die eher Frauen, als eine Mutter brauchen Es ſchien, als ob er ſeine Trauer mit in's Grab Der Mann war bei geſunden Sinnen und ernſt¬ „Ich auch,“ verſetzte eben ſo trocken der Graf. „Das heißt: als Mann ein Vierteljahrhundert „Unter den herkömmlichen Vorausſetzungen einer Seine merkwürdige Offenherzigkeit begann mich zu „Wollen Sie nur den Gatten, nicht auch den „Die eher Frauen, als eine Mutter brauchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0178" n="174"/> Es ſchien, als ob er ſeine Trauer mit in's Grab<lb/> nehmen wolle, und nichts hätte mich, abgeſehen von<lb/> meinem halben Jahrhundert, mehr überraſchen kön¬<lb/> nen, als ihn eines Tages bei mir eintreten zu ſehen<lb/> und ohne Präliminarien einen Heirathsantrag von ihm<lb/> zu vernehmen.</p><lb/> <p>Der Mann war bei geſunden Sinnen und ernſt¬<lb/> haft wie ein Cato, heute mehr denn je. Mich ver¬<lb/> droß dieſe dreiſte Begehrlichkeit, wie ſie mich von kei¬<lb/> nem Anderen verdroſſen haben würde. „Ich zähle<lb/> fünfzig Jahre, Graf,“ ſagte ich trocken.</p><lb/> <p>„Ich auch,“ verſetzte eben ſo trocken der Graf.</p><lb/> <p>„Das heißt: als Mann ein Vierteljahrhundert<lb/> weniger,“ entgegnete ich, und er darauf:</p><lb/> <p>„Unter den herkömmlichen Vorausſetzungen einer<lb/> Ehe allerdings.“</p><lb/> <p>Seine merkwürdige Offenherzigkeit begann mich zu<lb/> beluſtigen. Ich lachte hell auf; deſto ernſthafter blieb mein<lb/> Bewerber.</p><lb/> <p>„Wollen Sie nur den Gatten, nicht auch den<lb/> Vater in Anſchlag bringen?“ fragte er. „Ich habe<lb/> Söhne — —“</p><lb/> <p>„Die eher Frauen, als eine Mutter brauchen<lb/> würden,“ unterbrach ich ihn. „Warum ſagen Sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0178]
Es ſchien, als ob er ſeine Trauer mit in's Grab
nehmen wolle, und nichts hätte mich, abgeſehen von
meinem halben Jahrhundert, mehr überraſchen kön¬
nen, als ihn eines Tages bei mir eintreten zu ſehen
und ohne Präliminarien einen Heirathsantrag von ihm
zu vernehmen.
Der Mann war bei geſunden Sinnen und ernſt¬
haft wie ein Cato, heute mehr denn je. Mich ver¬
droß dieſe dreiſte Begehrlichkeit, wie ſie mich von kei¬
nem Anderen verdroſſen haben würde. „Ich zähle
fünfzig Jahre, Graf,“ ſagte ich trocken.
„Ich auch,“ verſetzte eben ſo trocken der Graf.
„Das heißt: als Mann ein Vierteljahrhundert
weniger,“ entgegnete ich, und er darauf:
„Unter den herkömmlichen Vorausſetzungen einer
Ehe allerdings.“
Seine merkwürdige Offenherzigkeit begann mich zu
beluſtigen. Ich lachte hell auf; deſto ernſthafter blieb mein
Bewerber.
„Wollen Sie nur den Gatten, nicht auch den
Vater in Anſchlag bringen?“ fragte er. „Ich habe
Söhne — —“
„Die eher Frauen, als eine Mutter brauchen
würden,“ unterbrach ich ihn. „Warum ſagen Sie
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