dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben möchten, als einst der einfältige Knabe und später der leichtsinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten Malen seine aufgeschriebenen Erinnerungen, er ließ auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬ denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬ mit ausstreue. Allerdings glaubte er auch heute noch nicht mit Zuversicht an sein Sohnesrecht, aber er be¬ gehrte nach diesem Recht und vom Begehren bis zum Beanspruchen, man weiß es ja, ist ein Katzensprung. Die Freistatt für sein Kind und selber die Equipage für seinen Türkenzug genügten ihm schon nicht mehr; vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieselben als eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten Meile wuchs sein luftiges Prinzenschloß in die Höhe, und wenn seine Kleine müde ward, entschlüpfte ihm mehr als einmal der Zuruf: "Bald sind wir bei Deiner Großmutter Hardine!"
Es war an einem heiteren Augustmorgen, als er den ersten Gränzpfahl mit der Aufschrift: "Flur Reckenburg" erreichte. Die Landschaft unterschied sich in keiner Weise von der, welche er seit mehreren Tagen durchschritten hatte; auch gehörte unser erwartungs¬ voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur
dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben möchten, als einſt der einfältige Knabe und ſpäter der leichtſinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten Malen ſeine aufgeſchriebenen Erinnerungen, er ließ auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬ denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬ mit ausſtreue. Allerdings glaubte er auch heute noch nicht mit Zuverſicht an ſein Sohnesrecht, aber er be¬ gehrte nach dieſem Recht und vom Begehren bis zum Beanſpruchen, man weiß es ja, iſt ein Katzenſprung. Die Freiſtatt für ſein Kind und ſelber die Equipage für ſeinen Türkenzug genügten ihm ſchon nicht mehr; vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieſelben als eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten Meile wuchs ſein luftiges Prinzenſchloß in die Höhe, und wenn ſeine Kleine müde ward, entſchlüpfte ihm mehr als einmal der Zuruf: „Bald ſind wir bei Deiner Großmutter Hardine!“
Es war an einem heiteren Auguſtmorgen, als er den erſten Gränzpfahl mit der Aufſchrift: „Flur Reckenburg“ erreichte. Die Landſchaft unterſchied ſich in keiner Weiſe von der, welche er ſeit mehreren Tagen durchſchritten hatte; auch gehörte unſer erwartungs¬ voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0060"n="53"/>
dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben<lb/>
möchten, als einſt der einfältige Knabe und ſpäter der<lb/>
leichtſinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten<lb/>
Malen ſeine aufgeſchriebenen Erinnerungen, er ließ<lb/>
auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬<lb/>
denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬<lb/>
mit ausſtreue. Allerdings glaubte er auch heute noch<lb/>
nicht mit Zuverſicht an ſein Sohnesrecht, aber er be¬<lb/>
gehrte nach dieſem Recht und vom Begehren bis zum<lb/>
Beanſpruchen, man weiß es ja, iſt ein Katzenſprung.<lb/>
Die Freiſtatt für ſein Kind und ſelber die Equipage<lb/>
für ſeinen Türkenzug genügten ihm ſchon nicht mehr;<lb/>
vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieſelben als<lb/>
eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten<lb/>
Meile wuchs ſein luftiges Prinzenſchloß in die Höhe,<lb/>
und wenn ſeine Kleine müde ward, entſchlüpfte ihm<lb/>
mehr als einmal der Zuruf: „Bald ſind wir bei Deiner<lb/>
Großmutter Hardine!“</p><lb/><p>Es war an einem heiteren Auguſtmorgen, als er<lb/>
den erſten Gränzpfahl mit der Aufſchrift: „Flur<lb/>
Reckenburg“ erreichte. Die Landſchaft unterſchied ſich<lb/>
in keiner Weiſe von der, welche er ſeit mehreren Tagen<lb/>
durchſchritten hatte; auch gehörte unſer erwartungs¬<lb/>
voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur<lb/></p></div></body></text></TEI>
[53/0060]
dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben
möchten, als einſt der einfältige Knabe und ſpäter der
leichtſinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten
Malen ſeine aufgeſchriebenen Erinnerungen, er ließ
auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬
denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬
mit ausſtreue. Allerdings glaubte er auch heute noch
nicht mit Zuverſicht an ſein Sohnesrecht, aber er be¬
gehrte nach dieſem Recht und vom Begehren bis zum
Beanſpruchen, man weiß es ja, iſt ein Katzenſprung.
Die Freiſtatt für ſein Kind und ſelber die Equipage
für ſeinen Türkenzug genügten ihm ſchon nicht mehr;
vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieſelben als
eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten
Meile wuchs ſein luftiges Prinzenſchloß in die Höhe,
und wenn ſeine Kleine müde ward, entſchlüpfte ihm
mehr als einmal der Zuruf: „Bald ſind wir bei Deiner
Großmutter Hardine!“
Es war an einem heiteren Auguſtmorgen, als er
den erſten Gränzpfahl mit der Aufſchrift: „Flur
Reckenburg“ erreichte. Die Landſchaft unterſchied ſich
in keiner Weiſe von der, welche er ſeit mehreren Tagen
durchſchritten hatte; auch gehörte unſer erwartungs¬
voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/60>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.