Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Putz und Tand; er nannte sie sein Dörtchen, sein
Kind, seine Braut, sprach von ihr als von seiner ein¬
stigen Frau mit derselben Zuversicht, wie von dem
großen Doctor, zu dem er es bringen werde. Und
seltsam! Keiner lachte über den kleinen, ernsthaften
Mann.

Wieder später sahen wir ihn sich zu einem Schutz¬
herrn über die reifende Jungfrau erheben. Er hütete
sie mit einer Art von Eigenthumsrecht; wie ein Blitz
rachsüchtigen Grimmes zuckte es in seinen forschenden
Augen bei jedem Beifallszeichen eines Fremden, die
Fäuste ballten sich bei einer unziemlichen Neckerei über
die hübsche Kellnerin; gewiß, er hätte den Beleidiger
morden können, der ihm seine Blume entweihte. Daß
dieser Mensch eine Seele habe neben dem stolzen, spe-
culativen Geist, eine zärtliche, bedürftige Seele, das
offenbarte sich ausschließlich in seinem Verhalten gegen
das Kind, von welchem er, wie von seiner Kunst,
aus eigener Machtvollkommenheit Besitz ergriffen hatte.

Daß Mosjö Per--se sein "kleines Anwesen" (zwi¬
schen den Gänsefüßchen allemal Papa Reckenburg'scher
Humor) mit Befriedigung unserem Familienkreise ein¬
gereiht sah, könnt Ihr denken. Hier war sie gebor¬
gen, hier schulte sie sich für eine gesellschaftliche Stel¬

Putz und Tand; er nannte ſie ſein Dörtchen, ſein
Kind, ſeine Braut, ſprach von ihr als von ſeiner ein¬
ſtigen Frau mit derſelben Zuverſicht, wie von dem
großen Doctor, zu dem er es bringen werde. Und
ſeltſam! Keiner lachte über den kleinen, ernſthaften
Mann.

Wieder ſpäter ſahen wir ihn ſich zu einem Schutz¬
herrn über die reifende Jungfrau erheben. Er hütete
ſie mit einer Art von Eigenthumsrecht; wie ein Blitz
rachſüchtigen Grimmes zuckte es in ſeinen forſchenden
Augen bei jedem Beifallszeichen eines Fremden, die
Fäuſte ballten ſich bei einer unziemlichen Neckerei über
die hübſche Kellnerin; gewiß, er hätte den Beleidiger
morden können, der ihm ſeine Blume entweihte. Daß
dieſer Menſch eine Seele habe neben dem ſtolzen, ſpe-
culativen Geiſt, eine zärtliche, bedürftige Seele, das
offenbarte ſich ausſchließlich in ſeinem Verhalten gegen
das Kind, von welchem er, wie von ſeiner Kunst,
aus eigener Machtvollkommenheit Besitz ergriffen hatte.

Daß Mosjö Per—ſé ſein „kleines Anweſen“ (zwi¬
ſchen den Gänſefüßchen allemal Papa Reckenburg'ſcher
Humor) mit Befriedigung unſerem Familienkreiſe ein¬
gereiht ſah, könnt Ihr denken. Hier war ſie gebor¬
gen, hier ſchulte ſie ſich für eine geſellſchaftliche Stel¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="124"/>
Putz und Tand; er nannte &#x017F;ie &#x017F;ein Dörtchen, &#x017F;ein<lb/>
Kind, &#x017F;eine Braut, &#x017F;prach von ihr als von &#x017F;einer ein¬<lb/>
&#x017F;tigen Frau mit der&#x017F;elben Zuver&#x017F;icht, wie von dem<lb/>
großen Doctor, zu dem er es bringen werde. Und<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am! Keiner lachte über den kleinen, ern&#x017F;thaften<lb/>
Mann.</p><lb/>
        <p>Wieder &#x017F;päter &#x017F;ahen wir ihn &#x017F;ich zu einem Schutz¬<lb/>
herrn über die reifende Jungfrau erheben. Er hütete<lb/>
&#x017F;ie mit einer Art von Eigenthumsrecht; wie ein Blitz<lb/>
rach&#x017F;üchtigen Grimmes zuckte es in &#x017F;einen for&#x017F;chenden<lb/>
Augen bei jedem Beifallszeichen eines Fremden, die<lb/>
Fäu&#x017F;te ballten &#x017F;ich bei einer unziemlichen Neckerei über<lb/>
die hüb&#x017F;che Kellnerin; gewiß, er hätte den Beleidiger<lb/>
morden können, der ihm &#x017F;eine Blume entweihte. Daß<lb/>
die&#x017F;er Men&#x017F;ch eine Seele habe neben dem &#x017F;tolzen, &#x017F;pe-<lb/>
culativen Gei&#x017F;t, eine zärtliche, bedürftige Seele, das<lb/>
offenbarte &#x017F;ich aus&#x017F;chließlich in &#x017F;einem Verhalten gegen<lb/>
das Kind, von welchem er, wie von &#x017F;einer Kunst,<lb/>
aus eigener Machtvollkommenheit Besitz ergriffen hatte.</p><lb/>
        <p>Daß Mosjö Per&#x2014;&#x017F;é &#x017F;ein &#x201E;kleines Anwe&#x017F;en&#x201C; (zwi¬<lb/>
&#x017F;chen den Gän&#x017F;efüßchen allemal Papa Reckenburg'&#x017F;cher<lb/>
Humor) mit Befriedigung un&#x017F;erem Familienkrei&#x017F;e ein¬<lb/>
gereiht &#x017F;ah, könnt Ihr denken. Hier war &#x017F;ie gebor¬<lb/>
gen, hier &#x017F;chulte &#x017F;ie &#x017F;ich für eine ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Stel¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0131] Putz und Tand; er nannte ſie ſein Dörtchen, ſein Kind, ſeine Braut, ſprach von ihr als von ſeiner ein¬ ſtigen Frau mit derſelben Zuverſicht, wie von dem großen Doctor, zu dem er es bringen werde. Und ſeltſam! Keiner lachte über den kleinen, ernſthaften Mann. Wieder ſpäter ſahen wir ihn ſich zu einem Schutz¬ herrn über die reifende Jungfrau erheben. Er hütete ſie mit einer Art von Eigenthumsrecht; wie ein Blitz rachſüchtigen Grimmes zuckte es in ſeinen forſchenden Augen bei jedem Beifallszeichen eines Fremden, die Fäuſte ballten ſich bei einer unziemlichen Neckerei über die hübſche Kellnerin; gewiß, er hätte den Beleidiger morden können, der ihm ſeine Blume entweihte. Daß dieſer Menſch eine Seele habe neben dem ſtolzen, ſpe- culativen Geiſt, eine zärtliche, bedürftige Seele, das offenbarte ſich ausſchließlich in ſeinem Verhalten gegen das Kind, von welchem er, wie von ſeiner Kunst, aus eigener Machtvollkommenheit Besitz ergriffen hatte. Daß Mosjö Per—ſé ſein „kleines Anweſen“ (zwi¬ ſchen den Gänſefüßchen allemal Papa Reckenburg'ſcher Humor) mit Befriedigung unſerem Familienkreiſe ein¬ gereiht ſah, könnt Ihr denken. Hier war ſie gebor¬ gen, hier ſchulte ſie ſich für eine geſellſchaftliche Stel¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/131
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/131>, abgerufen am 22.11.2024.