lung, die er a priori für sich selbst in Anspruch nahm. Er, der so selten lächelte, strahlte vor Entzücken, wenn er an den geschilderten Tanzabenden den zierlichen Schmetterling auf und nieder schweben sah, oder das silberne Stimmchen fix und fertig in einer Mundart plappern hörte, die er selber nicht verstand.
Das Verlangen nach seinem Augentrost führte ihn daher auch öfter, als es wohl sonst geschehen sein würde, in das Reckenburg'sche Familienzimmer und wurde er auf diese Weise Dörtchens Kameradin eine Art von Kamerad.
"Sie begreifen das, Fräulein Hardine," pflegte er zu sagen, wenn er mich -- und mich allein -- zur Vertrauten neuer Wahrnehmungen und Folgerungen in seiner jugendlichen Praxis, oder des Zweckes und Zieles seiner Ausflüge machte. Die Gedanken der Jungfer Grundtext wurden durch diese Aphorismen in Bahnen gelenkt, welche der ehrliche Christlieb Taube nicht zu eröffnen verstand. Und so war es der Sohn und Gehülfe eines Barbiers, der mir in einem ge¬ fährlichen Alter die Langeweile der Intelligenz ver¬ scheuchte, dem jugendlichen Verlangen Salz und Würze bot. Nicht ihm zu gefallen, aber ihn zu verstehen strengte ich mich an. Mosjö Per--se war der Mensch,
lung, die er a priori für ſich ſelbſt in Anſpruch nahm. Er, der ſo ſelten lächelte, ſtrahlte vor Entzücken, wenn er an den geſchilderten Tanzabenden den zierlichen Schmetterling auf und nieder ſchweben ſah, oder das ſilberne Stimmchen fix und fertig in einer Mundart plappern hörte, die er ſelber nicht verſtand.
Das Verlangen nach ſeinem Augentroſt führte ihn daher auch öfter, als es wohl ſonſt geſchehen ſein würde, in das Reckenburg'ſche Familienzimmer und wurde er auf dieſe Weiſe Dörtchens Kameradin eine Art von Kamerad.
„Sie begreifen das, Fräulein Hardine,“ pflegte er zu ſagen, wenn er mich — und mich allein — zur Vertrauten neuer Wahrnehmungen und Folgerungen in ſeiner jugendlichen Praxis, oder des Zweckes und Zieles ſeiner Ausflüge machte. Die Gedanken der Jungfer Grundtext wurden durch dieſe Aphorismen in Bahnen gelenkt, welche der ehrliche Chriſtlieb Taube nicht zu eröffnen verſtand. Und ſo war es der Sohn und Gehülfe eines Barbiers, der mir in einem ge¬ fährlichen Alter die Langeweile der Intelligenz ver¬ ſcheuchte, dem jugendlichen Verlangen Salz und Würze bot. Nicht ihm zu gefallen, aber ihn zu verſtehen ſtrengte ich mich an. Mosjö Per—ſé war der Menſch,
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lung, die er a priori für ſich ſelbſt in Anſpruch nahm.
Er, der ſo ſelten lächelte, ſtrahlte vor Entzücken, wenn
er an den geſchilderten Tanzabenden den zierlichen
Schmetterling auf und nieder ſchweben ſah, oder das
ſilberne Stimmchen fix und fertig in einer Mundart
plappern hörte, die er ſelber nicht verſtand.
Das Verlangen nach ſeinem Augentroſt führte
ihn daher auch öfter, als es wohl ſonſt geſchehen ſein
würde, in das Reckenburg'ſche Familienzimmer und
wurde er auf dieſe Weiſe Dörtchens Kameradin eine
Art von Kamerad.
„Sie begreifen das, Fräulein Hardine,“ pflegte er
zu ſagen, wenn er mich — und mich allein — zur
Vertrauten neuer Wahrnehmungen und Folgerungen
in ſeiner jugendlichen Praxis, oder des Zweckes und
Zieles ſeiner Ausflüge machte. Die Gedanken der
Jungfer Grundtext wurden durch dieſe Aphorismen
in Bahnen gelenkt, welche der ehrliche Chriſtlieb Taube
nicht zu eröffnen verſtand. Und ſo war es der Sohn
und Gehülfe eines Barbiers, der mir in einem ge¬
fährlichen Alter die Langeweile der Intelligenz ver¬
ſcheuchte, dem jugendlichen Verlangen Salz und Würze
bot. Nicht ihm zu gefallen, aber ihn zu verſtehen
ſtrengte ich mich an. Mosjö Per—ſé war der Menſch,
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/132>, abgerufen am 31.07.2024.
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