Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.

Bild:
<< vorherige Seite

Schützen: allein weil diese Beyhülffe zu schwach war/ die Ungarische Kriegs-Macht zu brechen/ und den Lauff ihrer Victorien zu hemmen; muste man die Widerwertigkeit deß Glücks mit Gedult überwinden.

Indessen ging nun der Ungar vollends/ auf Wien/ los; nachdem er dazu/ durch Weg-Nehmung Korneuburg/ und Besetzung beeder Ufern/ die Vorbereitung gemacht. Auf Pauli Bekehrungs-Fest/ schlug er/ an der Seiten gegen Kloster-Neuburg zu/ vor Wien sein Lager; und gegen über hatte/ kurz zuvor/ seiner Generalen einer/ Graf Stephan/ sich gelagert. Nach dem Oster-Fest/ kam auch herbey/ aus Nieder-Ungarn/ der General Lorenz / ein tapffrer Kriegs-Mann/ den der König hoch hielt und liebte/ mit einem grossen Kriegsvolk; und setzte sich/ langst der Donau/ gegen der Ungarischen Seiten. In der Gegend auf Mähren/ welche Nordwärts ligt/ hatte der König längst schon der Brucken sich bemächtigt/ und damit den Wienern den fürnehmsten Proviand-Paß abgeschnitten.

Diese Belagerung hat sich/ mit dem Eingange deß Hornungs 1485. erst recht ernstlich angefangen: dann da kam er selber ins Lager: Und hatte zuvor/ von den Sterndeutern / erlernet/ dieses Jahr über würde das Gestirn dem Käiser Friedrich nicht hold seyn: auf welche aberglaubische Weissagung/ er auch/ die Stadt Wien/ anzugreiffen beschlossen / in Hoffnung/ entweder mit dem Schwert/ oder Hunger/ sie zu überwältigen.

Er warff hin und wieder Schanzen auf; fiel hierauf die Vorstadt S. Niclas an/ und eroberte sie/ nebst dem Täber im Werd/ und ließ manches Lusthaus der Bürger im Rauch aufgehen.

Zur Stadt durffte sich keiner heraus wagen: darum nagte sie sich selbst desto härter mit Hunger/ je grössere Menge von Leuten sich darinn befand: angemerkt gewaltig-viel Landvolks auch hinein geflohen war. Dieses war auch dem Könige wol bewust: darum als seinen Ungarn die Zeit zu lang werden wolte/ und sie ihn deßwegen vermahnten/ die Belägerung aufzuheben/ und mit dem Käiser einen gütlichen Vergleich einzutretten; antwortete er ihnen: Er hätte/ in Wien/ zween Männer/ die würden ihm/ nechster Tagen / die Stadt überantworten: Da jene hierauf versetzten/ es wäre nicht allstets jedwedem zu trauen; und ihn baten/ er solte die Namen solcher Männer ihnen doch entdecken; sagte er / sie hiessen Hunger und Zwist. Dann er hatte viel Bürger darinn/ die ihm heimlich anhingen / und/ das Volk auf seine Seite zu ziehen/ sich bemüheten.

So war freylich der Hunger auch sein Vorfechter/ oder Minirer/ der den Mut der Bürgerschafft allgemach untergrub/ und endlich gar zu Bodem schlug. Dann man hatte so schon/ in etlichen Jahren/ an Wein und Getreyde/ eine schlechte Erndte gehabt: und ging der Vorrath desto mehr zusammen/ weil/ wie gedacht/ das meiste Volk/ vom Lande / hinein geflohen war. Daher muste man endlich/ mit Roß-Fleisch/ welches/ in den Fleisch-Bänken/ offentlich verkaufft ward/ vorlieb nehmen/ ja mit Katzen/ Ratzen/ und Mäusen heimlich den Hunger büssen.

Schützen: allein weil diese Beyhülffe zu schwach war/ die Ungarische Kriegs-Macht zu brechen/ und den Lauff ihrer Victorien zu hemmen; muste man die Widerwertigkeit deß Glücks mit Gedult überwinden.

Indessen ging nun der Ungar vollends/ auf Wien/ los; nachdem er dazu/ durch Weg-Nehmung Korneuburg/ und Besetzung beeder Ufern/ die Vorbereitung gemacht. Auf Pauli Bekehrungs-Fest/ schlug er/ an der Seiten gegen Kloster-Neuburg zu/ vor Wien sein Lager; und gegen über hatte/ kurz zuvor/ seiner Generalen einer/ Graf Stephan/ sich gelagert. Nach dem Oster-Fest/ kam auch herbey/ aus Nieder-Ungarn/ der General Lorenz / ein tapffrer Kriegs-Mann/ den der König hoch hielt und liebte/ mit einem grossen Kriegsvolk; und setzte sich/ langst der Donau/ gegen der Ungarischen Seiten. In der Gegend auf Mähren/ welche Nordwärts ligt/ hatte der König längst schon der Brucken sich bemächtigt/ und damit den Wienern den fürnehmsten Proviand-Paß abgeschnitten.

Diese Belagerung hat sich/ mit dem Eingange deß Hornungs 1485. erst recht ernstlich angefangen: dann da kam er selber ins Lager: Und hatte zuvor/ von den Sterndeutern / erlernet/ dieses Jahr über würde das Gestirn dem Käiser Friedrich nicht hold seyn: auf welche aberglaubische Weissagung/ er auch/ die Stadt Wien/ anzugreiffen beschlossen / in Hoffnung/ entweder mit dem Schwert/ oder Hunger/ sie zu überwältigen.

Er warff hin und wieder Schanzen auf; fiel hierauf die Vorstadt S. Niclas an/ und eroberte sie/ nebst dem Täber im Werd/ und ließ manches Lusthaus der Bürger im Rauch aufgehen.

Zur Stadt durffte sich keiner heraus wagen: darum nagte sie sich selbst desto härter mit Hunger/ je grössere Menge von Leuten sich darinn befand: angemerkt gewaltig-viel Landvolks auch hinein geflohen war. Dieses war auch dem Könige wol bewust: darum als seinen Ungarn die Zeit zu lang werden wolte/ und sie ihn deßwegen vermahnten/ die Belägerung aufzuheben/ und mit dem Käiser einen gütlichen Vergleich einzutretten; antwortete er ihnen: Er hätte/ in Wien/ zween Männer/ die würden ihm/ nechster Tagen / die Stadt überantworten: Da jene hierauf versetzten/ es wäre nicht allstets jedwedem zu trauen; und ihn baten/ er solte die Namen solcher Männer ihnen doch entdecken; sagte er / sie hiessen Hunger und Zwist. Dann er hatte viel Bürger darinn/ die ihm heimlich anhingen / und/ das Volk auf seine Seite zu ziehen/ sich bemüheten.

So war freylich der Hunger auch sein Vorfechter/ oder Minirer/ der den Mut der Bürgerschafft allgemach untergrub/ und endlich gar zu Bodem schlug. Dann man hatte so schon/ in etlichen Jahren/ an Wein und Getreyde/ eine schlechte Erndte gehabt: und ging der Vorrath desto mehr zusammen/ weil/ wie gedacht/ das meiste Volk/ vom Lande / hinein geflohen war. Daher muste man endlich/ mit Roß-Fleisch/ welches/ in den Fleisch-Bänken/ offentlich verkaufft ward/ vorlieb nehmen/ ja mit Katzen/ Ratzen/ und Mäusen heimlich den Hunger büssen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0073" n="65"/>
Schützen: allein weil diese Beyhülffe zu schwach war/ die            Ungarische Kriegs-Macht zu brechen/ und den Lauff ihrer Victorien zu hemmen; muste man            die Widerwertigkeit deß Glücks mit Gedult überwinden.</p>
        <p>Indessen ging nun der Ungar vollends/ auf Wien/ los; nachdem er dazu/ durch            Weg-Nehmung Korneuburg/ und Besetzung beeder Ufern/ die Vorbereitung gemacht. Auf Pauli            Bekehrungs-Fest/ schlug er/ an der Seiten gegen Kloster-Neuburg zu/ vor Wien sein            Lager; und gegen über hatte/ kurz zuvor/ seiner Generalen einer/ Graf Stephan/ sich            gelagert. Nach dem Oster-Fest/ kam auch herbey/ aus Nieder-Ungarn/ der General Lorenz /            ein tapffrer Kriegs-Mann/ den der König hoch hielt und liebte/ mit einem grossen            Kriegsvolk; und setzte sich/ langst der Donau/ gegen der Ungarischen Seiten. In der            Gegend auf Mähren/ welche Nordwärts ligt/ hatte der König längst schon der Brucken sich            bemächtigt/ und damit den Wienern den fürnehmsten Proviand-Paß abgeschnitten.</p>
        <p>Diese Belagerung hat sich/ mit dem Eingange deß Hornungs 1485. erst recht ernstlich            angefangen: dann da kam er selber ins Lager: Und hatte zuvor/ von den Sterndeutern /            erlernet/ dieses Jahr über würde das Gestirn dem Käiser Friedrich nicht hold seyn: auf            welche aberglaubische Weissagung/ er auch/ die Stadt Wien/ anzugreiffen beschlossen /            in Hoffnung/ entweder mit dem Schwert/ oder Hunger/ sie zu überwältigen.</p>
        <p>Er warff hin und wieder Schanzen auf; fiel hierauf die Vorstadt S. Niclas an/ und            eroberte sie/ nebst dem Täber im Werd/ und ließ manches Lusthaus der Bürger im Rauch            aufgehen.</p>
        <p>Zur Stadt durffte sich keiner heraus wagen: darum nagte sie sich selbst desto härter mit            Hunger/ je grössere Menge von Leuten sich darinn befand: angemerkt gewaltig-viel            Landvolks auch hinein geflohen war. Dieses war auch dem Könige wol bewust: darum als            seinen Ungarn die Zeit zu lang werden wolte/ und sie ihn deßwegen vermahnten/ die            Belägerung aufzuheben/ und mit dem Käiser einen gütlichen Vergleich einzutretten;            antwortete er ihnen: Er hätte/ in Wien/ zween Männer/ die würden ihm/ nechster Tagen /            die Stadt überantworten: Da jene hierauf versetzten/ es wäre nicht allstets jedwedem zu            trauen; und ihn baten/ er solte die Namen solcher Männer ihnen doch entdecken; sagte er /            sie hiessen Hunger und Zwist. Dann er hatte viel Bürger darinn/ die ihm heimlich anhingen           / und/ das Volk auf seine Seite zu ziehen/ sich bemüheten.</p>
        <p>So war freylich der Hunger auch sein Vorfechter/ oder Minirer/ der den Mut der            Bürgerschafft allgemach untergrub/ und endlich gar zu Bodem schlug. Dann man hatte so            schon/ in etlichen Jahren/ an Wein und Getreyde/ eine schlechte Erndte gehabt: und ging            der Vorrath desto mehr zusammen/ weil/ wie gedacht/ das meiste Volk/ vom Lande /            hinein geflohen war. Daher muste man endlich/ mit Roß-Fleisch/ welches/ in den            Fleisch-Bänken/ offentlich verkaufft ward/ vorlieb nehmen/ ja mit Katzen/ Ratzen/ und            Mäusen heimlich den Hunger büssen.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0073] Schützen: allein weil diese Beyhülffe zu schwach war/ die Ungarische Kriegs-Macht zu brechen/ und den Lauff ihrer Victorien zu hemmen; muste man die Widerwertigkeit deß Glücks mit Gedult überwinden. Indessen ging nun der Ungar vollends/ auf Wien/ los; nachdem er dazu/ durch Weg-Nehmung Korneuburg/ und Besetzung beeder Ufern/ die Vorbereitung gemacht. Auf Pauli Bekehrungs-Fest/ schlug er/ an der Seiten gegen Kloster-Neuburg zu/ vor Wien sein Lager; und gegen über hatte/ kurz zuvor/ seiner Generalen einer/ Graf Stephan/ sich gelagert. Nach dem Oster-Fest/ kam auch herbey/ aus Nieder-Ungarn/ der General Lorenz / ein tapffrer Kriegs-Mann/ den der König hoch hielt und liebte/ mit einem grossen Kriegsvolk; und setzte sich/ langst der Donau/ gegen der Ungarischen Seiten. In der Gegend auf Mähren/ welche Nordwärts ligt/ hatte der König längst schon der Brucken sich bemächtigt/ und damit den Wienern den fürnehmsten Proviand-Paß abgeschnitten. Diese Belagerung hat sich/ mit dem Eingange deß Hornungs 1485. erst recht ernstlich angefangen: dann da kam er selber ins Lager: Und hatte zuvor/ von den Sterndeutern / erlernet/ dieses Jahr über würde das Gestirn dem Käiser Friedrich nicht hold seyn: auf welche aberglaubische Weissagung/ er auch/ die Stadt Wien/ anzugreiffen beschlossen / in Hoffnung/ entweder mit dem Schwert/ oder Hunger/ sie zu überwältigen. Er warff hin und wieder Schanzen auf; fiel hierauf die Vorstadt S. Niclas an/ und eroberte sie/ nebst dem Täber im Werd/ und ließ manches Lusthaus der Bürger im Rauch aufgehen. Zur Stadt durffte sich keiner heraus wagen: darum nagte sie sich selbst desto härter mit Hunger/ je grössere Menge von Leuten sich darinn befand: angemerkt gewaltig-viel Landvolks auch hinein geflohen war. Dieses war auch dem Könige wol bewust: darum als seinen Ungarn die Zeit zu lang werden wolte/ und sie ihn deßwegen vermahnten/ die Belägerung aufzuheben/ und mit dem Käiser einen gütlichen Vergleich einzutretten; antwortete er ihnen: Er hätte/ in Wien/ zween Männer/ die würden ihm/ nechster Tagen / die Stadt überantworten: Da jene hierauf versetzten/ es wäre nicht allstets jedwedem zu trauen; und ihn baten/ er solte die Namen solcher Männer ihnen doch entdecken; sagte er / sie hiessen Hunger und Zwist. Dann er hatte viel Bürger darinn/ die ihm heimlich anhingen / und/ das Volk auf seine Seite zu ziehen/ sich bemüheten. So war freylich der Hunger auch sein Vorfechter/ oder Minirer/ der den Mut der Bürgerschafft allgemach untergrub/ und endlich gar zu Bodem schlug. Dann man hatte so schon/ in etlichen Jahren/ an Wein und Getreyde/ eine schlechte Erndte gehabt: und ging der Vorrath desto mehr zusammen/ weil/ wie gedacht/ das meiste Volk/ vom Lande / hinein geflohen war. Daher muste man endlich/ mit Roß-Fleisch/ welches/ in den Fleisch-Bänken/ offentlich verkaufft ward/ vorlieb nehmen/ ja mit Katzen/ Ratzen/ und Mäusen heimlich den Hunger büssen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/73
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/73>, abgerufen am 10.05.2024.