Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.

Bild:
<< vorherige Seite

von/ nach langen Jahren/ die kurze Aussprache die drey hinterste Sylben weggeworffen/ und allein die vorderste Ven oder Wen behalten: Welches mit der Zeit die hohe Red-Art so gezogen/ daß das e ini oder ie sich verschallen müssen. Angemerkt/ noch heut/ ihrer viele diesen Namen so aussprechen/ daß es vielmehr Ween/ als Wien/ lautete. Wann ich aber mein geringes Bedunken hiebey eröffen solte; bliebe ich bey der vorletzten Ableitung (oder Derivation) nemlich von der Wenden-Wohne; soviel das Wort Wien/ und Vendebona betrifft: Und streite es dannoch darum nicht/ daß man sie eben so wol Fabianis (oder vielmehr Favianis) geheissen; Besorge aber/ daß die jenige vielleicht in ihrer Mutmassung sich betriegen/ so diesen Namen Fabianis, von dem Fabio, oder Castris Fabianis, herziehen. Und gleichwie ich mich deß Welt-berühmten Gestirns unter den Gelehrten/ deß Welseri Meinung gern unterwerffe/ daß Cuspinianus hierinn irre/ wann er sie nach einem Gothischen Wort Flavabis benamst wissen will/ dazu ihn/ Ruhm-gedachtens Welseri Urtheil nach/ etwan ein nicht correct - gedrucktes Buch verführt haben mag; Also halte ich doch gleichwol unterdessen für das Gewisseste/ der Nam Fabianis oder Favianis sey ehemals dieser Stadt/ aus der Gothischen Sprach/ angewachsen / und sie nach einem Gothischen Könige also genannt. Dann man findet/ beym Eugippio / einem alten Scribenten/ der ums Jahr 509. geflorirt/ daß zu den Zeiten S. Severini / nemlich mitten im fünfften Seculo, ein Gothischer König/ derer Gegenden geherrschet / welcher von diesem Authore Felecteus, und Fava; vom Cassiodoro, Febanus; vom Aventino, Filitheus, Favia und Favianus, benamset wird. Entweder nach diesem/ oder einem andern gleich also benamten Gothen-Könige/ hat vermutlicher Wien vormals den Namen Favianis, oder Fabianis gewonnen/ weder von den Castris Fabianis, oder Römischem Winter-Lager. Es seynd auch/ vor Alters/ ihre Bischöffe/ Episcopi Fabianenses oder Favianenses, ingleichen Vigennenses, genannt worden.

Angeregter Eugippius erzehlt/ im Leben S. Severini/ König Fava habe/ damit seine neue Regirung desto gesegneter seyn mögte/ gar gnädig und fleissig/ den heiligen Severin (welcher damals/ nechst bey der Favianis, oder Wien-Stadt/ eine Zeitlang sich aufgehalten) besucht; aber seine Gemahlin Gisa/ durch ihre boshaffte Reitzungen/ ihn vielmals/ von der Gelindigkeit/ zur Schärffe und Strengheit abgerissen. Wie es dann solcher hochmütigen Fürstinnen noch wol mehr in der Welt gibt/ derer kleiner Finger dicker ist/ dann deß Fürsten (oder Königs) Arm oder ganze Faust/ und die das Land so lange drucken/ bis sie/ vom Grab und von der Höllen/ unterdruckt werden. Sie (die eine Arianische Ketzerin muß gewesen seyn) hat sich/ unter andern/ erkühnen wollen/ etliche Catholische Leute umzutauffen; solches doch gleichwol/ weil ihr Herr/ aus Ehr-Forcht gegen S. Severin nicht drein bewilligte/ einstellen müssen; nichts aber destoweniger sonst die Römische Leute (so wurden die Einwohner dieser Gegend/ von damaligen

von/ nach langen Jahren/ die kurze Aussprache die drey hinterste Sylben weggeworffen/ und allein die vorderste Ven oder Wen behalten: Welches mit der Zeit die hohe Red-Art so gezogen/ daß das e ini oder ie sich verschallen müssen. Angemerkt/ noch heut/ ihrer viele diesen Namen so aussprechen/ daß es vielmehr Ween/ als Wien/ lautete. Wann ich aber mein geringes Bedunken hiebey eröffen solte; bliebe ich bey der vorletzten Ableitung (oder Derivation) nemlich von der Wenden-Wohne; soviel das Wort Wien/ und Vendebona betrifft: Und streite es dannoch darum nicht/ daß man sie eben so wol Fabianis (oder vielmehr Favianis) geheissen; Besorge aber/ daß die jenige vielleicht in ihrer Mutmassung sich betriegen/ so diesen Namen Fabianis, von dem Fabio, oder Castris Fabianis, herziehen. Und gleichwie ich mich deß Welt-berühmten Gestirns unter den Gelehrten/ deß Welseri Meinung gern unterwerffe/ daß Cuspinianus hierinn irre/ wann er sie nach einem Gothischen Wort Flavabis benamst wissen will/ dazu ihn/ Ruhm-gedachtens Welseri Urtheil nach/ etwan ein nicht correct - gedrucktes Buch verführt haben mag; Also halte ich doch gleichwol unterdessen für das Gewisseste/ der Nam Fabianis oder Favianis sey ehemals dieser Stadt/ aus der Gothischen Sprach/ angewachsen / und sie nach einem Gothischen Könige also genannt. Dann man findet/ beym Eugippio / einem alten Scribenten/ der ums Jahr 509. geflorirt/ daß zu den Zeiten S. Severini / nemlich mitten im fünfften Seculo, ein Gothischer König/ derer Gegenden geherrschet / welcher von diesem Authore Felecteus, und Fava; vom Cassiodoro, Febanus; vom Aventino, Filitheus, Favia und Favianus, benamset wird. Entweder nach diesem/ oder einem andern gleich also benamten Gothen-Könige/ hat vermutlicher Wien vormals den Namen Favianis, oder Fabianis gewonnen/ weder von den Castris Fabianis, oder Römischem Winter-Lager. Es seynd auch/ vor Alters/ ihre Bischöffe/ Episcopi Fabianenses oder Favianenses, ingleichen Vigennenses, genannt worden.

Angeregter Eugippius erzehlt/ im Leben S. Severini/ König Fava habe/ damit seine neue Regirung desto gesegneter seyn mögte/ gar gnädig und fleissig/ den heiligen Severin (welcher damals/ nechst bey der Favianis, oder Wien-Stadt/ eine Zeitlang sich aufgehalten) besucht; aber seine Gemahlin Gisa/ durch ihre boshaffte Reitzungen/ ihn vielmals/ von der Gelindigkeit/ zur Schärffe und Strengheit abgerissen. Wie es dann solcher hochmütigen Fürstinnen noch wol mehr in der Welt gibt/ derer kleiner Finger dicker ist/ dann deß Fürsten (oder Königs) Arm oder ganze Faust/ und die das Land so lange drucken/ bis sie/ vom Grab und von der Höllen/ unterdruckt werden. Sie (die eine Arianische Ketzerin muß gewesen seyn) hat sich/ unter andern/ erkühnen wollen/ etliche Catholische Leute umzutauffen; solches doch gleichwol/ weil ihr Herr/ aus Ehr-Forcht gegen S. Severin nicht drein bewilligte/ einstellen müssen; nichts aber destoweniger sonst die Römische Leute (so wurden die Einwohner dieser Gegend/ von damaligen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0014" n="6"/>
von/ nach langen Jahren/ die kurze Aussprache die            drey hinterste Sylben weggeworffen/ und allein die vorderste Ven oder Wen behalten:            Welches mit der Zeit die hohe Red-Art so gezogen/ daß das e ini oder ie sich verschallen            müssen. Angemerkt/ noch heut/ ihrer viele diesen Namen so aussprechen/ daß es vielmehr            Ween/ als Wien/ lautete. Wann ich aber mein geringes Bedunken hiebey eröffen solte;            bliebe ich bey der vorletzten Ableitung (oder Derivation) nemlich von der Wenden-Wohne;            soviel das Wort Wien/ und Vendebona betrifft: Und streite es dannoch darum nicht/ daß            man sie eben so wol Fabianis (oder vielmehr Favianis) geheissen; Besorge aber/ daß die            jenige vielleicht in ihrer Mutmassung sich betriegen/ so diesen Namen Fabianis, von dem            Fabio, oder Castris Fabianis, herziehen. Und gleichwie ich mich deß Welt-berühmten            Gestirns unter den Gelehrten/ deß Welseri Meinung gern unterwerffe/ daß Cuspinianus            hierinn irre/ wann er sie nach einem Gothischen Wort Flavabis benamst wissen will/ dazu            ihn/ Ruhm-gedachtens Welseri Urtheil nach/ etwan ein nicht correct - gedrucktes Buch            verführt haben mag; Also halte ich doch gleichwol unterdessen für das Gewisseste/ der Nam            Fabianis oder Favianis sey ehemals dieser Stadt/ aus der Gothischen Sprach/ angewachsen           / und sie nach einem Gothischen Könige also genannt. Dann man findet/ beym Eugippio /            einem alten Scribenten/ der ums Jahr 509. geflorirt/ daß zu den Zeiten S. Severini /            nemlich mitten im fünfften Seculo, ein Gothischer König/ derer Gegenden geherrschet /            welcher von diesem Authore Felecteus, und Fava; vom Cassiodoro, Febanus; vom Aventino,            Filitheus, Favia und Favianus, benamset wird. Entweder nach diesem/ oder einem andern            gleich also benamten Gothen-Könige/ hat vermutlicher Wien vormals den Namen Favianis,            oder Fabianis gewonnen/ weder von den Castris Fabianis, oder Römischem Winter-Lager. Es            seynd auch/ vor Alters/ ihre Bischöffe/ Episcopi Fabianenses oder Favianenses,            ingleichen Vigennenses, genannt worden.</p>
        <p>Angeregter Eugippius erzehlt/ im Leben S. Severini/ König Fava habe/ damit seine neue            Regirung desto gesegneter seyn mögte/ gar gnädig und fleissig/ den heiligen Severin            (welcher damals/ nechst bey der Favianis, oder Wien-Stadt/ eine Zeitlang sich            aufgehalten) besucht; aber seine Gemahlin Gisa/ durch ihre boshaffte Reitzungen/ ihn            vielmals/ von der Gelindigkeit/ zur Schärffe und Strengheit abgerissen. Wie es dann            solcher hochmütigen Fürstinnen noch wol mehr in der Welt gibt/ derer kleiner Finger            dicker ist/ dann deß Fürsten (oder Königs) Arm oder ganze Faust/ und die das Land so            lange drucken/ bis sie/ vom Grab und von der Höllen/ unterdruckt werden. Sie (die eine            Arianische Ketzerin muß gewesen seyn) hat sich/ unter andern/ erkühnen wollen/ etliche            Catholische Leute umzutauffen; solches doch gleichwol/ weil ihr Herr/ aus Ehr-Forcht            gegen S. Severin nicht drein bewilligte/ einstellen müssen; nichts aber destoweniger            sonst die Römische Leute (so wurden die Einwohner dieser Gegend/ von damaligen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0014] von/ nach langen Jahren/ die kurze Aussprache die drey hinterste Sylben weggeworffen/ und allein die vorderste Ven oder Wen behalten: Welches mit der Zeit die hohe Red-Art so gezogen/ daß das e ini oder ie sich verschallen müssen. Angemerkt/ noch heut/ ihrer viele diesen Namen so aussprechen/ daß es vielmehr Ween/ als Wien/ lautete. Wann ich aber mein geringes Bedunken hiebey eröffen solte; bliebe ich bey der vorletzten Ableitung (oder Derivation) nemlich von der Wenden-Wohne; soviel das Wort Wien/ und Vendebona betrifft: Und streite es dannoch darum nicht/ daß man sie eben so wol Fabianis (oder vielmehr Favianis) geheissen; Besorge aber/ daß die jenige vielleicht in ihrer Mutmassung sich betriegen/ so diesen Namen Fabianis, von dem Fabio, oder Castris Fabianis, herziehen. Und gleichwie ich mich deß Welt-berühmten Gestirns unter den Gelehrten/ deß Welseri Meinung gern unterwerffe/ daß Cuspinianus hierinn irre/ wann er sie nach einem Gothischen Wort Flavabis benamst wissen will/ dazu ihn/ Ruhm-gedachtens Welseri Urtheil nach/ etwan ein nicht correct - gedrucktes Buch verführt haben mag; Also halte ich doch gleichwol unterdessen für das Gewisseste/ der Nam Fabianis oder Favianis sey ehemals dieser Stadt/ aus der Gothischen Sprach/ angewachsen / und sie nach einem Gothischen Könige also genannt. Dann man findet/ beym Eugippio / einem alten Scribenten/ der ums Jahr 509. geflorirt/ daß zu den Zeiten S. Severini / nemlich mitten im fünfften Seculo, ein Gothischer König/ derer Gegenden geherrschet / welcher von diesem Authore Felecteus, und Fava; vom Cassiodoro, Febanus; vom Aventino, Filitheus, Favia und Favianus, benamset wird. Entweder nach diesem/ oder einem andern gleich also benamten Gothen-Könige/ hat vermutlicher Wien vormals den Namen Favianis, oder Fabianis gewonnen/ weder von den Castris Fabianis, oder Römischem Winter-Lager. Es seynd auch/ vor Alters/ ihre Bischöffe/ Episcopi Fabianenses oder Favianenses, ingleichen Vigennenses, genannt worden. Angeregter Eugippius erzehlt/ im Leben S. Severini/ König Fava habe/ damit seine neue Regirung desto gesegneter seyn mögte/ gar gnädig und fleissig/ den heiligen Severin (welcher damals/ nechst bey der Favianis, oder Wien-Stadt/ eine Zeitlang sich aufgehalten) besucht; aber seine Gemahlin Gisa/ durch ihre boshaffte Reitzungen/ ihn vielmals/ von der Gelindigkeit/ zur Schärffe und Strengheit abgerissen. Wie es dann solcher hochmütigen Fürstinnen noch wol mehr in der Welt gibt/ derer kleiner Finger dicker ist/ dann deß Fürsten (oder Königs) Arm oder ganze Faust/ und die das Land so lange drucken/ bis sie/ vom Grab und von der Höllen/ unterdruckt werden. Sie (die eine Arianische Ketzerin muß gewesen seyn) hat sich/ unter andern/ erkühnen wollen/ etliche Catholische Leute umzutauffen; solches doch gleichwol/ weil ihr Herr/ aus Ehr-Forcht gegen S. Severin nicht drein bewilligte/ einstellen müssen; nichts aber destoweniger sonst die Römische Leute (so wurden die Einwohner dieser Gegend/ von damaligen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/14
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/14>, abgerufen am 25.11.2024.