Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.Zuvorderst aber will ich/ von ihrer Gelegenheit/ einen kurzen Bericht ertheilen: sintemal ihre Welt-leuchtende Vortrefflichkeit sich selbst bekandter macht/ als daß man ihr viel Worte und Federn leihen müßte/ damit sie sich/ mit ihrem Ruhm weit und breit könnte herum schwingen. Es dienet ihrem Gerücht dieses genugsam zu Adler-Flügeln/ daß sie nun viel Jahr hero/ von den Fittichen deß Römischen Adlers/ überschattet wird/ und derselbe/ will sagen/ das höchste Haupt deß Römisch-Teutschen Reichs/ in ihr sein gewöhnlichstes Hof-Lager von 246. Jahren her hat: Wiewol doch nicht/ unausgesetzt. Dann ob gleich der Author deß wol- und zierlichbeschriebenen Donau-Stroms gedenkt sie sey von 1445. an/ ein Käiserlicher Sitz geblieben; muß doch solches nicht so genau genommen/ sondern nur von der mehrern Zeit/ verstanden werden; dann Ladislaus/ König in Ungarn und Böhmen/ Käisers Alberti deß Zweyten Sohn / besaß zwar/ als zugleich ein Erz-Herzog von Oesterreich/ auch die Stadt Wien; doch nicht / wie sein Herr Vatter/ als zugleich ein Römischer Käiser; hielt darzu auch nicht stets daselbsten Hof; sondern bisweilen auch zu Ofen/ oder anderswo/ wiewol mehrentheils zu Wien. Hernach unter der Regirung Käiser Friederichs/ kam Wien in deß Ungarischen Königs Matthiä Corvini Gewalt/ und beharrete darinn/ so lang er lebte. Aber nach seinem Tode / nahm es der Römische König/ Maximilian/ wieder ein; wie unten mit mehrern soll angezeigt werden. Diese herrliche Stadt solle ihres Namens Ursprung von einer Squadron deß Römers Fabii / welche daselbst ihre Lager gehabt/ erlangt haben: Sintemal daher der Ort Castra Fabiana genannt worden. Wovon man mit der Zeit/ das Wort Castra ausgelassen/ und allein Fabiana gesprochen; hernach/ als endlich die Gedächtnis der Fabianischen Squadron veraltet war / auch die vorderste Sylbe deß Worts Fabiana abgebrochen/ und Bian nur gesagt. Welches Wort / mit folgender Zeit/ wiederum einige Veränderung erlitten/ also/ daß man das a in ein e verwandelt/ und also Vienna (oder Bienna) nur geblieben. Diesem ist endlich auch das letzte Glied (oder Sylbe) nemlich na abgezwickt worden/ und also Bienn oder Vienn, und zu allerletzt Wien heraus gekommen. Wie hievon Lazius milderen Bericht gibt. Bey theils Scribenten findet man/ für Fabiana, Fabianis und Favianis. Cuspinianus will/ sie habe Flavabis geheissen/ und solchen Namen aus der Gothischen Sprach empfangen: Darinnen ihm aber Welserus, in seinen Anmerkungen über das Leben S. Severini abstehet. Etlichen sihet es gläublich/ Flavius Fabianus, der Römische Landpfleger/ habe diesem Ort seinen Namen erblich hinterlassen. Es kan aber meines Ermessens/ der Nam Wien eben so bald/ von den alten Einwohnern deß Landes/ und ihrem damaligen Namen Vendebona, herquellen. Dann Vendebona und Wendenwohne oder Wenden-Wohnung/ seynd im Laut einander am nechsten verwandt. Wo- Am 44. Blat. V. Schol. Illustr. Welseri, in vitam S. Severini fol. 667.
Zuvorderst aber will ich/ von ihrer Gelegenheit/ einen kurzen Bericht ertheilen: sintemal ihre Welt-leuchtende Vortrefflichkeit sich selbst bekandter macht/ als daß man ihr viel Worte und Federn leihen müßte/ damit sie sich/ mit ihrem Ruhm weit und breit könnte herum schwingen. Es dienet ihrem Gerücht dieses genugsam zu Adler-Flügeln/ daß sie nun viel Jahr hero/ von den Fittichen deß Römischen Adlers/ überschattet wird/ und derselbe/ will sagen/ das höchste Haupt deß Römisch-Teutschen Reichs/ in ihr sein gewöhnlichstes Hof-Lager von 246. Jahren her hat: Wiewol doch nicht/ unausgesetzt. Dann ob gleich der Author deß wol- und zierlichbeschriebenen Donau-Stroms gedenkt sie sey von 1445. an/ ein Käiserlicher Sitz geblieben; muß doch solches nicht so genau genommen/ sondern nur von der mehrern Zeit/ verstanden werden; dann Ladislaus/ König in Ungarn und Böhmen/ Käisers Alberti deß Zweyten Sohn / besaß zwar/ als zugleich ein Erz-Herzog von Oesterreich/ auch die Stadt Wien; doch nicht / wie sein Herr Vatter/ als zugleich ein Römischer Käiser; hielt darzu auch nicht stets daselbsten Hof; sondern bisweilen auch zu Ofen/ oder anderswo/ wiewol mehrentheils zu Wien. Hernach unter der Regirung Käiser Friederichs/ kam Wien in deß Ungarischen Königs Matthiä Corvini Gewalt/ und beharrete darinn/ so lang er lebte. Aber nach seinem Tode / nahm es der Römische König/ Maximilian/ wieder ein; wie unten mit mehrern soll angezeigt werden. Diese herrliche Stadt solle ihres Namens Ursprung von einer Squadron deß Römers Fabii / welche daselbst ihre Lager gehabt/ erlangt haben: Sintemal daher der Ort Castra Fabiana genannt worden. Wovon man mit der Zeit/ das Wort Castra ausgelassen/ und allein Fabiana gesprochen; hernach/ als endlich die Gedächtnis der Fabianischen Squadron veraltet war / auch die vorderste Sylbe deß Worts Fabiana abgebrochen/ und Bian nur gesagt. Welches Wort / mit folgender Zeit/ wiederum einige Veränderung erlitten/ also/ daß man das a in ein e verwandelt/ und also Vienna (oder Bienna) nur geblieben. Diesem ist endlich auch das letzte Glied (oder Sylbe) nemlich na abgezwickt worden/ und also Bienn oder Vienn, und zu allerletzt Wien heraus gekommen. Wie hievon Lazius milderen Bericht gibt. Bey theils Scribenten findet man/ für Fabiana, Fabianis und Favianis. Cuspinianus will/ sie habe Flavabis geheissen/ und solchen Namen aus der Gothischen Sprach empfangen: Darinnen ihm aber Welserus, in seinen Anmerkungen über das Leben S. Severini abstehet. Etlichen sihet es gläublich/ Flavius Fabianus, der Römische Landpfleger/ habe diesem Ort seinen Namen erblich hinterlassen. Es kan aber meines Ermessens/ der Nam Wien eben so bald/ von den alten Einwohnern deß Landes/ und ihrem damaligen Namen Vendebona, herquellen. Dann Vendebona und Wendenwohne oder Wenden-Wohnung/ seynd im Laut einander am nechsten verwandt. Wo- Am 44. Blat. V. Schol. Illustr. Welseri, in vitam S. Severini fol. 667.
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Zuvorderst aber will ich/ von ihrer Gelegenheit/ einen kurzen Bericht ertheilen: sintemal ihre Welt-leuchtende Vortrefflichkeit sich selbst bekandter macht/ als daß man ihr viel Worte und Federn leihen müßte/ damit sie sich/ mit ihrem Ruhm weit und breit könnte herum schwingen. Es dienet ihrem Gerücht dieses genugsam zu Adler-Flügeln/ daß sie nun viel Jahr hero/ von den Fittichen deß Römischen Adlers/ überschattet wird/ und derselbe/ will sagen/ das höchste Haupt deß Römisch-Teutschen Reichs/ in ihr sein gewöhnlichstes Hof-Lager von 246. Jahren her hat: Wiewol doch nicht/ unausgesetzt. Dann ob gleich der Author deß wol- und zierlichbeschriebenen Donau-Stroms gedenkt sie sey von 1445. an/ ein Käiserlicher Sitz geblieben; muß doch solches nicht so genau genommen/ sondern nur von der mehrern Zeit/ verstanden werden; dann Ladislaus/ König in Ungarn und Böhmen/ Käisers Alberti deß Zweyten Sohn / besaß zwar/ als zugleich ein Erz-Herzog von Oesterreich/ auch die Stadt Wien; doch nicht / wie sein Herr Vatter/ als zugleich ein Römischer Käiser; hielt darzu auch nicht stets daselbsten Hof; sondern bisweilen auch zu Ofen/ oder anderswo/ wiewol mehrentheils zu Wien. Hernach unter der Regirung Käiser Friederichs/ kam Wien in deß Ungarischen Königs Matthiä Corvini Gewalt/ und beharrete darinn/ so lang er lebte. Aber nach seinem Tode / nahm es der Römische König/ Maximilian/ wieder ein; wie unten mit mehrern soll angezeigt werden.
Diese herrliche Stadt solle ihres Namens Ursprung von einer Squadron deß Römers Fabii / welche daselbst ihre Lager gehabt/ erlangt haben: Sintemal daher der Ort Castra Fabiana genannt worden. Wovon man mit der Zeit/ das Wort Castra ausgelassen/ und allein Fabiana gesprochen; hernach/ als endlich die Gedächtnis der Fabianischen Squadron veraltet war / auch die vorderste Sylbe deß Worts Fabiana abgebrochen/ und Bian nur gesagt. Welches Wort / mit folgender Zeit/ wiederum einige Veränderung erlitten/ also/ daß man das a in ein e verwandelt/ und also Vienna (oder Bienna) nur geblieben. Diesem ist endlich auch das letzte Glied (oder Sylbe) nemlich na abgezwickt worden/ und also Bienn oder Vienn, und zu allerletzt Wien heraus gekommen. Wie hievon Lazius milderen Bericht gibt. Bey theils Scribenten findet man/ für Fabiana, Fabianis und Favianis. Cuspinianus will/ sie habe Flavabis geheissen/ und solchen Namen aus der Gothischen Sprach empfangen: Darinnen ihm aber Welserus, in seinen Anmerkungen über das Leben S. Severini abstehet. Etlichen sihet es gläublich/ Flavius Fabianus, der Römische Landpfleger/ habe diesem Ort seinen Namen erblich hinterlassen. Es kan aber meines Ermessens/ der Nam Wien eben so bald/ von den alten Einwohnern deß Landes/ und ihrem damaligen Namen Vendebona, herquellen. Dann Vendebona und Wendenwohne oder Wenden-Wohnung/ seynd im Laut einander am nechsten verwandt. Wo-
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Zitationshilfe: | Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/13>, abgerufen am 16.07.2024. |