Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.mehr hätte? Höret man viel Paucken und Freuden-Lieder; so höret man auch viel Leich-Glocken und Klag-Lieder. Wo ihrer viele leben; da müssen auch ihrer viele sterben. Unter vielen Gesetzen/ werden die wenigste beobachtet; unter vielen Künsten/ die wenigste nicht mißbrauchet. Thun sich hundert Tugenden hervor; so stellen sich tausend Laster dagegen: Und gleichwie die Licht-scheuende Einsamkeit nicht ohne Tadel; also bleibt wunderfelten die Viel-Geselligkeit ohne Sünde. Dann weil wir allesämtlich den Erb-Gifft der Sünden an uns haben; breitet sich leider die Gemüts-Ansteckung desto weiter aus/ je häuffiger und überflüssiger wir conversiren; also/ daß selten einer so rein heim gehet/ wie er ausgieng. Hiemit wird gleichwol das Land/ von allem Unglück/ nicht frey gesprochen; sondern ihm nur weniger zugetheilet/ als der Stadt; und zwar billig: weil/ in der Stadt/ ihrer auch mehr beyeinander/ die es verdienen/ und dem Himmel seine Ruten ablocken. Wird das Land damit gestäupt; so wird die Stadt damit gegeisselt. Das Land ist allen Land-Plagen unterworffen; die Stadt noch wol tieffer. Die einreissende Pestilenz reisset mehr Leute / in der Stadt/ zur Erden/ als auf dem Lande. Die Theurung drucket mehr Stadt-Armen/ als Land-Armen. Dann ob gleich diese auch dabey leiden müssen; fällt es ihnen doch (wofern keine feindliche Verheerung Ursach daran) leidlicher/ weder den Stadt-Leuten/ die deß Lands Gnade alsdann leben/ und dem Ackersmann das Getreide zahlen müssen/ wie er will / auch von ihren Mitbürgern/ die etwann dergleichen im Vorrath haben/ nicht gnädiger gehalten werden. Entstehet eine Feuersbrunst/ so geschicht viel grösserer Schade dadurch inner-als ausser der Ringmauren. In den Wasserfluten ertrinkt zwar leichter das Land/ wann es unverwarnet damit überschwemmet wird/ als die Stadt: aber doch muß diese auch insgemein/ wofern eine ungemein-grosse Flut kommt/ viel dabey einbüssen. Hingegen ruiniret das Erdbeben die Städte viel hefftiger/ als das Feld/ und wer/ unter den einfallenden Häusern/ alsdann nicht will begraben ligen; der muß heraus fliehen auf das Land. Der einige Krieg scheinet dem Lande schärffer mitzufahren/ als den Städten. Weil das Feld keine Mauren zum Schilde hat/ muß es mit sich/ nach eines tyrannischen Feindes Discretion/ umgehen/ verheeren/ plündern/ sengen und brennen lassen. Und was über allen andren Verlust schreitet/ so stehet das Leben deß Menschen/ auf unbeschirmten Lande/ in grösserer Gefahr alsdann/ weder hinter Wällen und Bollwerken. Es werden ihrer viele/ entweder in der Furi nidergehauen/ und die Weiber genothzüchtiget; oder/ so der Einfall von Türken geschicht/ in harte Dienstbarkeit geführet. Aber ob gleich die Städte dergleichen Unglück nicht allemal überfällt/ wann sie nemlich/ mit einer guten Schutzwehr/ und Besatzung/ versehen sind: stehen sie doch in grosser Furcht/ und Gefahr / daß man/ mit ganzer Macht/ sie bestreiten/ und bezwingen mögte. Wann sie/ von den Thürnen und Mauren/ den Rauch angezündter Dörffer erblicken/ bilden sie ihnen/ von mehr hätte? Höret man viel Paucken und Freuden-Lieder; so höret man auch viel Leich-Glocken und Klag-Lieder. Wo ihrer viele leben; da müssen auch ihrer viele sterben. Unter vielen Gesetzen/ werden die wenigste beobachtet; unter vielen Künsten/ die wenigste nicht mißbrauchet. Thun sich hundert Tugenden hervor; so stellen sich tausend Laster dagegen: Und gleichwie die Licht-scheuende Einsamkeit nicht ohne Tadel; also bleibt wunderfelten die Viel-Geselligkeit ohne Sünde. Dann weil wir allesämtlich den Erb-Gifft der Sünden an uns haben; breitet sich leider die Gemüts-Ansteckung desto weiter aus/ je häuffiger und überflüssiger wir conversiren; also/ daß selten einer so rein heim gehet/ wie er ausgieng. Hiemit wird gleichwol das Land/ von allem Unglück/ nicht frey gesprochen; sondern ihm nur weniger zugetheilet/ als der Stadt; und zwar billig: weil/ in der Stadt/ ihrer auch mehr beyeinander/ die es verdienen/ und dem Himmel seine Ruten ablocken. Wird das Land damit gestäupt; so wird die Stadt damit gegeisselt. Das Land ist allen Land-Plagen unterworffen; die Stadt noch wol tieffer. Die einreissende Pestilenz reisset mehr Leute / in der Stadt/ zur Erden/ als auf dem Lande. Die Theurung drucket mehr Stadt-Armen/ als Land-Armen. Dann ob gleich diese auch dabey leiden müssen; fällt es ihnen doch (wofern keine feindliche Verheerung Ursach daran) leidlicher/ weder den Stadt-Leuten/ die deß Lands Gnade alsdann leben/ und dem Ackersmann das Getreide zahlen müssen/ wie er will / auch von ihren Mitbürgern/ die etwann dergleichen im Vorrath haben/ nicht gnädiger gehalten werden. Entstehet eine Feuersbrunst/ so geschicht viel grösserer Schade dadurch inner-als ausser der Ringmauren. In den Wasserfluten ertrinkt zwar leichter das Land/ wann es unverwarnet damit überschwemmet wird/ als die Stadt: aber doch muß diese auch insgemein/ wofern eine ungemein-grosse Flut kommt/ viel dabey einbüssen. Hingegen ruiniret das Erdbeben die Städte viel hefftiger/ als das Feld/ und wer/ unter den einfallenden Häusern/ alsdann nicht will begraben ligen; der muß heraus fliehen auf das Land. Der einige Krieg scheinet dem Lande schärffer mitzufahren/ als den Städten. Weil das Feld keine Mauren zum Schilde hat/ muß es mit sich/ nach eines tyrannischen Feindes Discretion/ umgehen/ verheeren/ plündern/ sengen und brennen lassen. Und was über allen andren Verlust schreitet/ so stehet das Leben deß Menschen/ auf unbeschirmten Lande/ in grösserer Gefahr alsdann/ weder hinter Wällen und Bollwerken. Es werden ihrer viele/ entweder in der Furi nidergehauen/ und die Weiber genothzüchtiget; oder/ so der Einfall von Türken geschicht/ in harte Dienstbarkeit geführet. Aber ob gleich die Städte dergleichen Unglück nicht allemal überfällt/ wann sie nemlich/ mit einer guten Schutzwehr/ und Besatzung/ versehen sind: stehen sie doch in grosser Furcht/ und Gefahr / daß man/ mit ganzer Macht/ sie bestreiten/ und bezwingen mögte. Wann sie/ von den Thürnen und Mauren/ den Rauch angezündter Dörffer erblicken/ bilden sie ihnen/ von <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0010" n="2"/> mehr hätte? Höret man viel Paucken und Freuden-Lieder; so höret man auch viel Leich-Glocken und Klag-Lieder. Wo ihrer viele leben; da müssen auch ihrer viele sterben. Unter vielen Gesetzen/ werden die wenigste beobachtet; unter vielen Künsten/ die wenigste nicht mißbrauchet. Thun sich hundert Tugenden hervor; so stellen sich tausend Laster dagegen: Und gleichwie die Licht-scheuende Einsamkeit nicht ohne Tadel; also bleibt wunderfelten die Viel-Geselligkeit ohne Sünde. Dann weil wir allesämtlich den Erb-Gifft der Sünden an uns haben; breitet sich leider die Gemüts-Ansteckung desto weiter aus/ je häuffiger und überflüssiger wir conversiren; also/ daß selten einer so rein heim gehet/ wie er ausgieng.</p> <p>Hiemit wird gleichwol das Land/ von allem Unglück/ nicht frey gesprochen; sondern ihm nur weniger zugetheilet/ als der Stadt; und zwar billig: weil/ in der Stadt/ ihrer auch mehr beyeinander/ die es verdienen/ und dem Himmel seine Ruten ablocken. Wird das Land damit gestäupt; so wird die Stadt damit gegeisselt. Das Land ist allen Land-Plagen unterworffen; die Stadt noch wol tieffer. Die einreissende Pestilenz reisset mehr Leute / in der Stadt/ zur Erden/ als auf dem Lande. Die Theurung drucket mehr Stadt-Armen/ als Land-Armen. Dann ob gleich diese auch dabey leiden müssen; fällt es ihnen doch (wofern keine feindliche Verheerung Ursach daran) leidlicher/ weder den Stadt-Leuten/ die deß Lands Gnade alsdann leben/ und dem Ackersmann das Getreide zahlen müssen/ wie er will / auch von ihren Mitbürgern/ die etwann dergleichen im Vorrath haben/ nicht gnädiger gehalten werden. Entstehet eine Feuersbrunst/ so geschicht viel grösserer Schade dadurch inner-als ausser der Ringmauren.</p> <p>In den Wasserfluten ertrinkt zwar leichter das Land/ wann es unverwarnet damit überschwemmet wird/ als die Stadt: aber doch muß diese auch insgemein/ wofern eine ungemein-grosse Flut kommt/ viel dabey einbüssen. Hingegen ruiniret das Erdbeben die Städte viel hefftiger/ als das Feld/ und wer/ unter den einfallenden Häusern/ alsdann nicht will begraben ligen; der muß heraus fliehen auf das Land.</p> <p>Der einige Krieg scheinet dem Lande schärffer mitzufahren/ als den Städten. Weil das Feld keine Mauren zum Schilde hat/ muß es mit sich/ nach eines tyrannischen Feindes Discretion/ umgehen/ verheeren/ plündern/ sengen und brennen lassen. Und was über allen andren Verlust schreitet/ so stehet das Leben deß Menschen/ auf unbeschirmten Lande/ in grösserer Gefahr alsdann/ weder hinter Wällen und Bollwerken. Es werden ihrer viele/ entweder in der Furi nidergehauen/ und die Weiber genothzüchtiget; oder/ so der Einfall von Türken geschicht/ in harte Dienstbarkeit geführet. Aber ob gleich die Städte dergleichen Unglück nicht allemal überfällt/ wann sie nemlich/ mit einer guten Schutzwehr/ und Besatzung/ versehen sind: stehen sie doch in grosser Furcht/ und Gefahr / daß man/ mit ganzer Macht/ sie bestreiten/ und bezwingen mögte. Wann sie/ von den Thürnen und Mauren/ den Rauch angezündter Dörffer erblicken/ bilden sie ihnen/ von </p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0010]
mehr hätte? Höret man viel Paucken und Freuden-Lieder; so höret man auch viel Leich-Glocken und Klag-Lieder. Wo ihrer viele leben; da müssen auch ihrer viele sterben. Unter vielen Gesetzen/ werden die wenigste beobachtet; unter vielen Künsten/ die wenigste nicht mißbrauchet. Thun sich hundert Tugenden hervor; so stellen sich tausend Laster dagegen: Und gleichwie die Licht-scheuende Einsamkeit nicht ohne Tadel; also bleibt wunderfelten die Viel-Geselligkeit ohne Sünde. Dann weil wir allesämtlich den Erb-Gifft der Sünden an uns haben; breitet sich leider die Gemüts-Ansteckung desto weiter aus/ je häuffiger und überflüssiger wir conversiren; also/ daß selten einer so rein heim gehet/ wie er ausgieng.
Hiemit wird gleichwol das Land/ von allem Unglück/ nicht frey gesprochen; sondern ihm nur weniger zugetheilet/ als der Stadt; und zwar billig: weil/ in der Stadt/ ihrer auch mehr beyeinander/ die es verdienen/ und dem Himmel seine Ruten ablocken. Wird das Land damit gestäupt; so wird die Stadt damit gegeisselt. Das Land ist allen Land-Plagen unterworffen; die Stadt noch wol tieffer. Die einreissende Pestilenz reisset mehr Leute / in der Stadt/ zur Erden/ als auf dem Lande. Die Theurung drucket mehr Stadt-Armen/ als Land-Armen. Dann ob gleich diese auch dabey leiden müssen; fällt es ihnen doch (wofern keine feindliche Verheerung Ursach daran) leidlicher/ weder den Stadt-Leuten/ die deß Lands Gnade alsdann leben/ und dem Ackersmann das Getreide zahlen müssen/ wie er will / auch von ihren Mitbürgern/ die etwann dergleichen im Vorrath haben/ nicht gnädiger gehalten werden. Entstehet eine Feuersbrunst/ so geschicht viel grösserer Schade dadurch inner-als ausser der Ringmauren.
In den Wasserfluten ertrinkt zwar leichter das Land/ wann es unverwarnet damit überschwemmet wird/ als die Stadt: aber doch muß diese auch insgemein/ wofern eine ungemein-grosse Flut kommt/ viel dabey einbüssen. Hingegen ruiniret das Erdbeben die Städte viel hefftiger/ als das Feld/ und wer/ unter den einfallenden Häusern/ alsdann nicht will begraben ligen; der muß heraus fliehen auf das Land.
Der einige Krieg scheinet dem Lande schärffer mitzufahren/ als den Städten. Weil das Feld keine Mauren zum Schilde hat/ muß es mit sich/ nach eines tyrannischen Feindes Discretion/ umgehen/ verheeren/ plündern/ sengen und brennen lassen. Und was über allen andren Verlust schreitet/ so stehet das Leben deß Menschen/ auf unbeschirmten Lande/ in grösserer Gefahr alsdann/ weder hinter Wällen und Bollwerken. Es werden ihrer viele/ entweder in der Furi nidergehauen/ und die Weiber genothzüchtiget; oder/ so der Einfall von Türken geschicht/ in harte Dienstbarkeit geführet. Aber ob gleich die Städte dergleichen Unglück nicht allemal überfällt/ wann sie nemlich/ mit einer guten Schutzwehr/ und Besatzung/ versehen sind: stehen sie doch in grosser Furcht/ und Gefahr / daß man/ mit ganzer Macht/ sie bestreiten/ und bezwingen mögte. Wann sie/ von den Thürnen und Mauren/ den Rauch angezündter Dörffer erblicken/ bilden sie ihnen/ von
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