Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.NAchdentlich ist es geredt/ vom Valerio Maximo/ Urbes esse humanarum cladium consepta miseranda, daß die Städte ein erbärmlicher Umfang menschlicher Niderlagen und Unfälle seynd. Die Meinung dieser kurzen Worte reichet gar weit/ sammlet gleichsam und klaubet allen Jammer/ alles Elend/ alle Plagen / so in der Welt antrefflich/ zusammen/ und schleusst den rechten Kern und Auszug derselben in die Ringmauren der Städte/ als wie man eine ganze Heerde Schafe in die verzäunte Hürden treibt und einstallet. Auf dem Lande zerstreuen sich die Trübsalen in geringe Häufflein: In einer grossen Stadt/ häuffen sie sich/ bey Millionen. Dann wo viel Leute/ da ist viel Mühseligkeit: wo viel Menschen beysammen wohnen/ da begeben sich viel menschliche Unglücks-Fälle: wo viel Augen/ da fliessen viel Threnen: wo viel Schlöte/ da gibt es viel Rauchs. Man solte sagen/ in den Städten finde man bessere Bequemlichkeit zu leben: weil mehr Leutseligkeit darinn befindlich/ und die Gefellschafft an sich selbst menschlicher Natur / (sintemal der Mensch animal sociabile, ein geselliges Thier ist /) angenehmer; über das auch Künste/ gute Gesetze/ Sitten/ Gewerbe/ und Handthierungen/ wie auch die daraus erspriessende Glücks-Güter/ nemlich Reichthum und Ehre/ daselbst als wie in ihrem rechten Pflanz-Garten/ und bester Blühe/ sind. Ich begehre zwar/ auf solchen Einwurff/ keinen Gegenwurff zu thun/ noch mich in die lustige Streit-Frage allhie zu begeben/ ob das Land-Leben sich vielleicht nicht grösserer Glückseligkeit berühmen könne/ als das Städtische? sondern setze/ es dörffte etwan die Stadt/ in der Lebens-Gemächlichkeit/ vor dem Felde/ den Preis erhalten So stehet doch gleichwol die unleugbare Gewißheit/ auf obgemeldtes Valerii Seiten/ daß eben wol das meiste und häuffigste Unglück und Ungemach dieses Lebens den Städten beywohne/ und diese mehr Dorn oder Disteln tragen/ weder das arbeitselige Feld. Lebt man vielleicht etwas delicater in Städten; worum doch gemeiniglich die meiste Mäuler nichts wissen/ weil es überal mehr Arme/ als Reichen/ gibt: so lebet man auch darinn kränklicher. Lebet man herrlicher/ und prächtiger; so stirbt man endlich auch desto bitterer und ungerner. Lebet man in guten Tagen; so rufft ein mal der Zucht-Lehrer: Den bösen Tag nimm auch vorlieb. Findet man viel Freunde um sich; so hanget auch eine Theilhafftigkeit vieler Trübsalen daran; indem uns deß Freundes Unglück/ durch Mitleiden/ betrübt. Und wer hat so viel der Freunde/ daß er der Feinde nicht noch Valer. Max. l. 7. c. 2.
NAchdentlich ist es geredt/ vom Valerio Maximo/ Urbes esse humanarum cladium consepta miseranda, daß die Städte ein erbärmlicher Umfang menschlicher Niderlagen und Unfälle seynd. Die Meinung dieser kurzen Worte reichet gar weit/ sammlet gleichsam und klaubet allen Jammer/ alles Elend/ alle Plagen / so in der Welt antrefflich/ zusammen/ und schleusst den rechten Kern und Auszug derselben in die Ringmauren der Städte/ als wie man eine ganze Heerde Schafe in die verzäunte Hürden treibt und einstallet. Auf dem Lande zerstreuen sich die Trübsalen in geringe Häufflein: In einer grossen Stadt/ häuffen sie sich/ bey Millionen. Dann wo viel Leute/ da ist viel Mühseligkeit: wo viel Menschen beysammen wohnen/ da begeben sich viel menschliche Unglücks-Fälle: wo viel Augen/ da fliessen viel Threnen: wo viel Schlöte/ da gibt es viel Rauchs. Man solte sagen/ in den Städten finde man bessere Bequemlichkeit zu leben: weil mehr Leutseligkeit darinn befindlich/ und die Gefellschafft an sich selbst menschlicher Natur / (sintemal der Mensch animal sociabile, ein geselliges Thier ist /) angenehmer; über das auch Künste/ gute Gesetze/ Sitten/ Gewerbe/ und Handthierungen/ wie auch die daraus erspriessende Glücks-Güter/ nemlich Reichthum und Ehre/ daselbst als wie in ihrem rechten Pflanz-Garten/ und bester Blühe/ sind. Ich begehre zwar/ auf solchen Einwurff/ keinen Gegenwurff zu thun/ noch mich in die lustige Streit-Frage allhie zu begeben/ ob das Land-Leben sich vielleicht nicht grösserer Glückseligkeit berühmen könne/ als das Städtische? sondern setze/ es dörffte etwan die Stadt/ in der Lebens-Gemächlichkeit/ vor dem Felde/ den Preis erhalten So stehet doch gleichwol die unleugbare Gewißheit/ auf obgemeldtes Valerii Seiten/ daß eben wol das meiste und häuffigste Unglück und Ungemach dieses Lebens den Städten beywohne/ und diese mehr Dorn oder Disteln tragen/ weder das arbeitselige Feld. Lebt man vielleicht etwas delicater in Städten; worum doch gemeiniglich die meiste Mäuler nichts wissen/ weil es überal mehr Arme/ als Reichen/ gibt: so lebet man auch darinn kränklicher. Lebet man herrlicher/ und prächtiger; so stirbt man endlich auch desto bitterer und ungerner. Lebet man in guten Tagen; so rufft ein mal der Zucht-Lehrer: Den bösen Tag nimm auch vorlieb. Findet man viel Freunde um sich; so hanget auch eine Theilhafftigkeit vieler Trübsalen daran; indem uns deß Freundes Unglück/ durch Mitleiden/ betrübt. Und wer hat so viel der Freunde/ daß er der Feinde nicht noch Valer. Max. l. 7. c. 2.
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NAchdentlich ist es geredt/ vom Valerio Maximo/ Urbes esse humanarum cladium consepta miseranda, daß die Städte ein erbärmlicher Umfang menschlicher Niderlagen und Unfälle seynd. Die Meinung dieser kurzen Worte reichet gar weit/ sammlet gleichsam und klaubet allen Jammer/ alles Elend/ alle Plagen / so in der Welt antrefflich/ zusammen/ und schleusst den rechten Kern und Auszug derselben in die Ringmauren der Städte/ als wie man eine ganze Heerde Schafe in die verzäunte Hürden treibt und einstallet. Auf dem Lande zerstreuen sich die Trübsalen in geringe Häufflein: In einer grossen Stadt/ häuffen sie sich/ bey Millionen. Dann wo viel Leute/ da ist viel Mühseligkeit: wo viel Menschen beysammen wohnen/ da begeben sich viel menschliche Unglücks-Fälle: wo viel Augen/ da fliessen viel Threnen: wo viel Schlöte/ da gibt es viel Rauchs.
Man solte sagen/ in den Städten finde man bessere Bequemlichkeit zu leben: weil mehr Leutseligkeit darinn befindlich/ und die Gefellschafft an sich selbst menschlicher Natur / (sintemal der Mensch animal sociabile, ein geselliges Thier ist /) angenehmer; über das auch Künste/ gute Gesetze/ Sitten/ Gewerbe/ und Handthierungen/ wie auch die daraus erspriessende Glücks-Güter/ nemlich Reichthum und Ehre/ daselbst als wie in ihrem rechten Pflanz-Garten/ und bester Blühe/ sind.
Ich begehre zwar/ auf solchen Einwurff/ keinen Gegenwurff zu thun/ noch mich in die lustige Streit-Frage allhie zu begeben/ ob das Land-Leben sich vielleicht nicht grösserer Glückseligkeit berühmen könne/ als das Städtische? sondern setze/ es dörffte etwan die Stadt/ in der Lebens-Gemächlichkeit/ vor dem Felde/ den Preis erhalten So stehet doch gleichwol die unleugbare Gewißheit/ auf obgemeldtes Valerii Seiten/ daß eben wol das meiste und häuffigste Unglück und Ungemach dieses Lebens den Städten beywohne/ und diese mehr Dorn oder Disteln tragen/ weder das arbeitselige Feld. Lebt man vielleicht etwas delicater in Städten; worum doch gemeiniglich die meiste Mäuler nichts wissen/ weil es überal mehr Arme/ als Reichen/ gibt: so lebet man auch darinn kränklicher. Lebet man herrlicher/ und prächtiger; so stirbt man endlich auch desto bitterer und ungerner. Lebet man in guten Tagen; so rufft ein mal der Zucht-Lehrer: Den bösen Tag nimm auch vorlieb. Findet man viel Freunde um sich; so hanget auch eine Theilhafftigkeit vieler Trübsalen daran; indem uns deß Freundes Unglück/ durch Mitleiden/ betrübt. Und wer hat so viel der Freunde/ daß er der Feinde nicht noch
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