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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der erste Discurs/ von der Natur aller Dinge/

Goldstern. So müste nicht jedweder Körper vorhin allbereit seine
gewisse Form besitzen/ sondern noch eine andre edlere Form zu finden seyn/
weder unsere menschliche Seele. Denn die Formae supervenientes (wie
man sie/ in der Natur-Lehre/ nennet) seynd edler/ als das Gemischte.
Zu dem seynd die Körper der Welt nicht so miteinander vermischt/ wie die
4. Elementen in dem unsrigen.

Adlerhaupt. Jch weiß gar wol/ daß Sennertus die Platonische
Welt-Seele hiemit verdringen will: halte aber/ es sey [u]m [d]er [univ]ersal
Forme ein anders. So ist es auch noch nicht unwidersprechlich/ von allen
Natur-Weisen/ angenommen/ daß der Mensch nicht mehr/ ohn nur
eine Form habe. Jedoch begehr ich darum nicht die allgemeine Natur/
für eine Form/ aus zugeben/ noch zu behaupten/ daß sie jedwede allbereit
informirte Körper/ nach Art ihrer gewissen bestimmten Form/ bewohne;
sondern allein/ für eine solche Krafft/ die allen und jeden erschaffenen
Körpern einen Vorschub/ Unterhalt/ und Nahrung verleihe/ zu ihrer
Fristung: gleichwie die Lufft allen Thieren insgemein den Athem erhält;
ob sie gleich vorhin einen eingepflantzten Lufft/ und das Leben/ in ihnen
selbsten/ haben. Können die Herren Philosophi/ mit dem Aristotele/
eine allgemeine Materi/ nemlich die Erste/ setzen: warum solte nicht/ in
der sichtbaren Welt eine allgemeine Natur auch Platz finden; wie wol
ich (bedungener massen) keine allgemeine informirende Form eben daraus
machen will?

Goldstern. Wolte ich allen deß Herrn Einwürffen mich widerse-
tzen; so gerieten wir gewißlich/ in eine tieffe unlustige Weitläufftigkeit.
Mit wenigem aber den Herrn hierauf zu bedienen: so will ich/ wenn
er/ durch solche durchgehende Krafft/ keine informirende Form verstehet/
ihn deßwegen so hart nicht anfechten. Wiewol ich befugt wäre/ mit den
Peripateticis/ zu erinnern/ daß man/ ohn erhebliche Ursache/ die Dinge
nicht multipliciren müsse; auch beynebst sagen könnte/ daß solche Krafft/
weil sie den Namen der Form nicht haben soll/ auch recht eigentlich keine
Natur heissen möge; imgleichen die Krafft der Unterhaltung keine allge-
meine Natur eben seyn dörffte; sondern etwan eines oder etlicher gewisser
Körper/ als zum Exempel/ deß Himmels Wirckung. Die Gleichniß/
so von der Lufft genommen/ giebt hiezu geringen Schein und Vorschub.
Was vielen zu gleich einen gemeinen Unterhalt und Nahrung reichet;
das ist nicht ihre allgemeine Natur; sondern viel mehr ein Conservativ/
oder Erhaltungs-Mittel derselben.

Was der
erste Stoff
sey.
Winterschild. Der erste Stoff (Materia prima) dörffte dem Herrn
eben so wenig fürträglich fallen/ zu seinem Zweck: zu mal weil man sol-

cher
Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/

Goldſtern. So muͤſte nicht jedweder Koͤrper vorhin allbereit ſeine
gewiſſe Form beſitzen/ ſondern noch eine andre edlere Form zu finden ſeyn/
weder unſere menſchliche Seele. Denn die Formæ ſupervenientes (wie
man ſie/ in der Natur-Lehre/ nennet) ſeynd edler/ als das Gemiſchte.
Zu dem ſeynd die Koͤrper der Welt nicht ſo miteinander vermiſcht/ wie die
4. Elementen in dem unſrigen.

Adlerhaupt. Jch weiß gar wol/ daß Sennertus die Platoniſche
Welt-Seele hiemit verdringen will: halte aber/ es ſey [u]m [d]er [univ]erſal
Forme ein anders. So iſt es auch noch nicht unwiderſprechlich/ von allen
Natur-Weiſen/ angenommen/ daß der Menſch nicht mehr/ ohn nur
eine Form habe. Jedoch begehr ich darum nicht die allgemeine Natur/
fuͤr eine Form/ aus zugeben/ noch zu behaupten/ daß ſie jedwede allbereit
informirte Koͤrper/ nach Art ihrer gewiſſen beſtimmten Form/ bewohne;
ſondern allein/ fuͤr eine ſolche Krafft/ die allen und jeden erſchaffenen
Koͤrpern einen Vorſchub/ Unterhalt/ und Nahrung verleihe/ zu ihrer
Friſtung: gleichwie die Lufft allen Thieren insgemein den Athem erhaͤlt;
ob ſie gleich vorhin einen eingepflantzten Lufft/ und das Leben/ in ihnen
ſelbſten/ haben. Koͤnnen die Herren Philoſophi/ mit dem Ariſtotele/
eine allgemeine Materi/ nemlich die Erſte/ ſetzen: warum ſolte nicht/ in
der ſichtbaren Welt eine allgemeine Natur auch Platz finden; wie wol
ich (bedungener maſſen) keine allgemeine informirende Form eben daraus
machen will?

Goldſtern. Wolte ich allen deß Herꝛn Einwuͤrffen mich widerſe-
tzen; ſo gerieten wir gewißlich/ in eine tieffe unluſtige Weitlaͤufftigkeit.
Mit wenigem aber den Herꝛn hierauf zu bedienen: ſo will ich/ wenn
er/ durch ſolche durchgehende Krafft/ keine informirende Form verſtehet/
ihn deßwegen ſo hart nicht anfechten. Wiewol ich befugt waͤre/ mit den
Peripateticis/ zu erinnern/ daß man/ ohn erhebliche Urſache/ die Dinge
nicht multipliciren muͤſſe; auch beynebſt ſagen koͤnnte/ daß ſolche Krafft/
weil ſie den Namen der Form nicht haben ſoll/ auch recht eigentlich keine
Natur heiſſen moͤge; imgleichen die Krafft der Unterhaltung keine allge-
meine Natur eben ſeyn doͤrffte; ſondern etwan eines oder etlicher gewiſſer
Koͤrper/ als zum Exempel/ deß Himmels Wirckung. Die Gleichniß/
ſo von der Lufft genommen/ giebt hiezu geringen Schein und Vorſchub.
Was vielen zu gleich einen gemeinen Unterhalt und Nahrung reichet;
das iſt nicht ihre allgemeine Natur; ſondern viel mehr ein Conſervativ/
oder Erhaltungs-Mittel derſelben.

Was der
erſte Stoff
ſey.
Winterſchild. Der erſte Stoff (Materia prima) doͤrffte dem Herꝛn
eben ſo wenig fuͤrtraͤglich fallen/ zu ſeinem Zweck: zu mal weil man ſol-

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[38/0064] Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/ Goldſtern. So muͤſte nicht jedweder Koͤrper vorhin allbereit ſeine gewiſſe Form beſitzen/ ſondern noch eine andre edlere Form zu finden ſeyn/ weder unſere menſchliche Seele. Denn die Formæ ſupervenientes (wie man ſie/ in der Natur-Lehre/ nennet) ſeynd edler/ als das Gemiſchte. Zu dem ſeynd die Koͤrper der Welt nicht ſo miteinander vermiſcht/ wie die 4. Elementen in dem unſrigen. Adlerhaupt. Jch weiß gar wol/ daß Sennertus die Platoniſche Welt-Seele hiemit verdringen will: halte aber/ es ſey um der univerſal Forme ein anders. So iſt es auch noch nicht unwiderſprechlich/ von allen Natur-Weiſen/ angenommen/ daß der Menſch nicht mehr/ ohn nur eine Form habe. Jedoch begehr ich darum nicht die allgemeine Natur/ fuͤr eine Form/ aus zugeben/ noch zu behaupten/ daß ſie jedwede allbereit informirte Koͤrper/ nach Art ihrer gewiſſen beſtimmten Form/ bewohne; ſondern allein/ fuͤr eine ſolche Krafft/ die allen und jeden erſchaffenen Koͤrpern einen Vorſchub/ Unterhalt/ und Nahrung verleihe/ zu ihrer Friſtung: gleichwie die Lufft allen Thieren insgemein den Athem erhaͤlt; ob ſie gleich vorhin einen eingepflantzten Lufft/ und das Leben/ in ihnen ſelbſten/ haben. Koͤnnen die Herren Philoſophi/ mit dem Ariſtotele/ eine allgemeine Materi/ nemlich die Erſte/ ſetzen: warum ſolte nicht/ in der ſichtbaren Welt eine allgemeine Natur auch Platz finden; wie wol ich (bedungener maſſen) keine allgemeine informirende Form eben daraus machen will? Goldſtern. Wolte ich allen deß Herꝛn Einwuͤrffen mich widerſe- tzen; ſo gerieten wir gewißlich/ in eine tieffe unluſtige Weitlaͤufftigkeit. Mit wenigem aber den Herꝛn hierauf zu bedienen: ſo will ich/ wenn er/ durch ſolche durchgehende Krafft/ keine informirende Form verſtehet/ ihn deßwegen ſo hart nicht anfechten. Wiewol ich befugt waͤre/ mit den Peripateticis/ zu erinnern/ daß man/ ohn erhebliche Urſache/ die Dinge nicht multipliciren muͤſſe; auch beynebſt ſagen koͤnnte/ daß ſolche Krafft/ weil ſie den Namen der Form nicht haben ſoll/ auch recht eigentlich keine Natur heiſſen moͤge; imgleichen die Krafft der Unterhaltung keine allge- meine Natur eben ſeyn doͤrffte; ſondern etwan eines oder etlicher gewiſſer Koͤrper/ als zum Exempel/ deß Himmels Wirckung. Die Gleichniß/ ſo von der Lufft genommen/ giebt hiezu geringen Schein und Vorſchub. Was vielen zu gleich einen gemeinen Unterhalt und Nahrung reichet; das iſt nicht ihre allgemeine Natur; ſondern viel mehr ein Conſervativ/ oder Erhaltungs-Mittel derſelben. Winterſchild. Der erſte Stoff (Materia prima) doͤrffte dem Herꝛn eben ſo wenig fuͤrtraͤglich fallen/ zu ſeinem Zweck: zu mal weil man ſol- cher Was der erſte Stoff ſey.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/64>, abgerufen am 27.11.2024.