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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den
her auch der Schreiner mehr Geldes bey uns verdienet/ als in den kälte-
sten Nordländern/ wo die Armut eine gute Speisemeisterin/ und sparsa-
me Haushalterinn ist: Nichts destoweniger finden sich dennoch manche
sittsame und verständige Leute/ die sich der Zucht/ und nüchternen Mäs-
sigkeit/ befleissen. Wo bringen doch aber diese gleichwol/ mit aller ihrer
mässigen Verhaltung/ ihr Leben auf hundert Jahre/ und drüber/ wie die
ordentlich-lebende Egypter? Bey welchen Läufften/ zu welcher Weltzeit
(oder saeculo) hat sich doch wol das gemeine Alter der meisten Einwohner
entweder in Teut- oder Welschland/ Spannien/ und Franckreich/ bis auf
das neuntzigste Jahr erstreckt? Wie halbe Mirakel/ hören wirs an/ daß
etwan einer bisweilen (doch gar selten) zwischen achtzig und neuntzig/ die
Augen zuthut: einen neuntzig jährigen wird man gewißlich/ in 9. Jahren
wol nicht einmal zu seiner Ruhe begleiten. Was erhellet nun wol hieraus
anders/ denn daß der Egypter/ mit nichten/ seiner Mässigkeit allein/ viel
weniger der blossen unbeständigen Witterung/ sondern der Mässigkeit
und Himmels-Neigung zugleich seine Langjährigkeit habe beyzumessen?
Die Winde thun sonst/ bey der Gesundheit einer Gegend/ auch kein
Schlechtes: aber/ in Egypten/ bereiten die Südwinde/ als die allerunge-
sundesten/ auf angezeigte Art/ der Pest/ aus dem stinckenden Wasser/ eine
Thür ins Land; und/ zu Winters-Zeiten/ die kalte Nordwinde/ zu den
offenen Schweißlöchern/ den bösen Flüssen ihren Eingang: derwegen muß
je die Daurhafftigkeit der Egyptischen Leiber/ nicht an den Speisen/ noch an
der blossen heissen Lufft; sondern über das auch an der Himmels-Neigung/
und am Gestirn hangen.

Da auch gleich solches alles nicht wäre/ und die Conservation der
Egypter gar nicht in der Himmels-Neigung/ sondern einig allein in der
wol angeordneten Lebens-Art/ und Enthaltung von ungedeylichen Spei-
sen/ beruhete; die übrige Leute selbiges Landes aber/ weil sie den Mangel
der gutem beständigen Witterung/ durch Fleiß und Ordnung/ nicht er-
setzen/ wegen der ungünstigen Himmels-Gegend/ gar früh Erde käuen
müsten: käme mir doch dißfalls eben die Entschuldigung zu statten/ deren
ich mich vor/ wider den Einwurff von der übel-getemperirten Thomas-
Jnsel/ gebrauchte: Die Gesetze natürlicher Sachen leiden nothwendig
bisweilen einige Absätze und Exceptionen. Denn die sonderbare Art und
Eigenschafft der Erden/ wie auch andre Umstände können leicht den Lauff
der natürlichen Dinge versetzen oder verdrehen. Und/ (daß ich nochmaln/
mit vorgelobtem a Costa, rede) es geschehen überdas durch unschiedliche
Sternen/ Planeten/ und Aspecten/ grosse Verändrungen: welche leicht-

lich

Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den
her auch der Schreiner mehr Geldes bey uns verdienet/ als in den kaͤlte-
ſten Nordlaͤndern/ wo die Armut eine gute Speiſemeiſterin/ und ſparſa-
me Haushalterinn iſt: Nichts deſtoweniger finden ſich dennoch manche
ſittſame und verſtaͤndige Leute/ die ſich der Zucht/ und nuͤchternen Maͤſ-
ſigkeit/ befleiſſen. Wo bringen doch aber dieſe gleichwol/ mit aller ihrer
maͤſſigen Verhaltung/ ihr Leben auf hundert Jahre/ und druͤber/ wie die
ordentlich-lebende Egypter? Bey welchen Laͤufften/ zu welcher Weltzeit
(oder ſæculo) hat ſich doch wol das gemeine Alter der meiſten Einwohner
entweder in Teut- oder Welſchland/ Spannien/ und Franckreich/ bis auf
das neuntzigſte Jahr erſtreckt? Wie halbe Mirakel/ hoͤren wirs an/ daß
etwan einer bisweilen (doch gar ſelten) zwiſchen achtzig und neuntzig/ die
Augen zuthut: einen neuntzig jaͤhrigen wird man gewißlich/ in 9. Jahren
wol nicht einmal zu ſeiner Ruhe begleiten. Was erhellet nun wol hieraus
anders/ denn daß der Egypter/ mit nichten/ ſeiner Maͤſſigkeit allein/ viel
weniger der bloſſen unbeſtaͤndigen Witterung/ ſondern der Maͤſſigkeit
und Himmels-Neigung zugleich ſeine Langjaͤhrigkeit habe beyzumeſſen?
Die Winde thun ſonſt/ bey der Geſundheit einer Gegend/ auch kein
Schlechtes: aber/ in Egypten/ bereiten die Suͤdwinde/ als die allerunge-
ſundeſten/ auf angezeigte Art/ der Peſt/ aus dem ſtinckenden Waſſer/ eine
Thuͤr ins Land; und/ zu Winters-Zeiten/ die kalte Nordwinde/ zu den
offenen Schweißloͤchern/ den boͤſen Fluͤſſen ihren Eingang: derwegen muß
je die Daurhafftigkeit der Egyptiſchen Leiber/ nicht an den Speiſen/ noch an
der bloſſen heiſſen Lufft; ſondern uͤber das auch an der Himmels-Neigung/
und am Geſtirn hangen.

Da auch gleich ſolches alles nicht waͤre/ und die Conſervation der
Egypter gar nicht in der Himmels-Neigung/ ſondern einig allein in der
wol angeordneten Lebens-Art/ und Enthaltung von ungedeylichen Spei-
ſen/ beruhete; die uͤbrige Leute ſelbiges Landes aber/ weil ſie den Mangel
der gutem beſtaͤndigen Witterung/ durch Fleiß und Ordnung/ nicht er-
ſetzen/ wegen der unguͤnſtigen Himmels-Gegend/ gar fruͤh Erde kaͤuen
muͤſten: kaͤme mir doch dißfalls eben die Entſchuldigung zu ſtatten/ deren
ich mich vor/ wider den Einwurff von der uͤbel-getemperirten Thomas-
Jnſel/ gebrauchte: Die Geſetze natuͤrlicher Sachen leiden nothwendig
bisweilen einige Abſaͤtze und Exceptionen. Denn die ſonderbare Art und
Eigenſchafft der Erden/ wie auch andre Umſtaͤnde koͤnnen leicht den Lauff
der natuͤrlichen Dinge verſetzen oder verdrehen. Und/ (daß ich nochmaln/
mit vorgelobtem à Coſta, rede) es geſchehen uͤberdas durch unſchiedliche
Sternen/ Planeten/ und Aſpecten/ groſſe Veraͤndrungen: welche leicht-

lich
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[262/0296] Der eilffte Discurs/ von der Himmels-Neigung/ und den her auch der Schreiner mehr Geldes bey uns verdienet/ als in den kaͤlte- ſten Nordlaͤndern/ wo die Armut eine gute Speiſemeiſterin/ und ſparſa- me Haushalterinn iſt: Nichts deſtoweniger finden ſich dennoch manche ſittſame und verſtaͤndige Leute/ die ſich der Zucht/ und nuͤchternen Maͤſ- ſigkeit/ befleiſſen. Wo bringen doch aber dieſe gleichwol/ mit aller ihrer maͤſſigen Verhaltung/ ihr Leben auf hundert Jahre/ und druͤber/ wie die ordentlich-lebende Egypter? Bey welchen Laͤufften/ zu welcher Weltzeit (oder ſæculo) hat ſich doch wol das gemeine Alter der meiſten Einwohner entweder in Teut- oder Welſchland/ Spannien/ und Franckreich/ bis auf das neuntzigſte Jahr erſtreckt? Wie halbe Mirakel/ hoͤren wirs an/ daß etwan einer bisweilen (doch gar ſelten) zwiſchen achtzig und neuntzig/ die Augen zuthut: einen neuntzig jaͤhrigen wird man gewißlich/ in 9. Jahren wol nicht einmal zu ſeiner Ruhe begleiten. Was erhellet nun wol hieraus anders/ denn daß der Egypter/ mit nichten/ ſeiner Maͤſſigkeit allein/ viel weniger der bloſſen unbeſtaͤndigen Witterung/ ſondern der Maͤſſigkeit und Himmels-Neigung zugleich ſeine Langjaͤhrigkeit habe beyzumeſſen? Die Winde thun ſonſt/ bey der Geſundheit einer Gegend/ auch kein Schlechtes: aber/ in Egypten/ bereiten die Suͤdwinde/ als die allerunge- ſundeſten/ auf angezeigte Art/ der Peſt/ aus dem ſtinckenden Waſſer/ eine Thuͤr ins Land; und/ zu Winters-Zeiten/ die kalte Nordwinde/ zu den offenen Schweißloͤchern/ den boͤſen Fluͤſſen ihren Eingang: derwegen muß je die Daurhafftigkeit der Egyptiſchen Leiber/ nicht an den Speiſen/ noch an der bloſſen heiſſen Lufft; ſondern uͤber das auch an der Himmels-Neigung/ und am Geſtirn hangen. Da auch gleich ſolches alles nicht waͤre/ und die Conſervation der Egypter gar nicht in der Himmels-Neigung/ ſondern einig allein in der wol angeordneten Lebens-Art/ und Enthaltung von ungedeylichen Spei- ſen/ beruhete; die uͤbrige Leute ſelbiges Landes aber/ weil ſie den Mangel der gutem beſtaͤndigen Witterung/ durch Fleiß und Ordnung/ nicht er- ſetzen/ wegen der unguͤnſtigen Himmels-Gegend/ gar fruͤh Erde kaͤuen muͤſten: kaͤme mir doch dißfalls eben die Entſchuldigung zu ſtatten/ deren ich mich vor/ wider den Einwurff von der uͤbel-getemperirten Thomas- Jnſel/ gebrauchte: Die Geſetze natuͤrlicher Sachen leiden nothwendig bisweilen einige Abſaͤtze und Exceptionen. Denn die ſonderbare Art und Eigenſchafft der Erden/ wie auch andre Umſtaͤnde koͤnnen leicht den Lauff der natuͤrlichen Dinge verſetzen oder verdrehen. Und/ (daß ich nochmaln/ mit vorgelobtem à Coſta, rede) es geſchehen uͤberdas durch unſchiedliche Sternen/ Planeten/ und Aſpecten/ groſſe Veraͤndrungen: welche leicht- lich

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/296>, abgerufen am 12.05.2024.