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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der achte Discurs/
der Natur: gleichwie er hingegen die Schwachheit der Menschen seiner
Zeit/ auf die böse unordentliche Lebens-Art gegeben. So hat Galenus
die Blut-lassung/ nach der Natur deß Menschen gerichtet/ und nicht
einem jeden gleich-viel Bluts zu nehmen erlaubt.

Ein eitler Wahn ist es auch/ daß die Liechter der Welt/ und das
gantze Herr der Sternen/ an seinem vorigen Glantze und Schein/ Wär-
me/ Bewegungen/ lebendig-machenden Einflüssen/ einige Minderung
erlitten: sintemal die erfahrneste Stern-Weisen uns viel eines andren
versichern. Die Regimenter und Herrschafften haben freylich ihren Um-
lauff und Wechsel; die Städte ihre Fristen; wie die grössesten und wol-
gegründesten Häuser endlich eingehen; imfall ihnen keine Erneuerung zu
Hülffe kommt. Und/ mit gleicher Mühe/ könten wir alle Vergänglichkei-
ten dieser Welt anziehen. Aber solches alles dienet zu keinem Beweis. Denn
deß einen Untergang ist deß andren Aufgang: und gehet keine Stadt oder
Policey/ oder Königreich/ aus Unkräfften der Natur/ zu Grunde: son-
dern entweder durch Gewalt/ oder Nachlässigkeit/ und Unverstand/ oder
andren Ursachen menschlicher Handlungen. Ungerechtigkeit verwüstet
alle Länder: und dazu hilfft ihre alliirte Bunds-Schwester/ die Uneinig-
keit/ getreulich/ nebenst ihrem Vatter/ dem Ehr-Geitz. Geitz und Eigen-
nutz/ die zween verrätherische Räthe/ reissen den Grund um/ oder rucken
Was die
rechte Ur-
sachen eines
Reichs
Ruin sind.
heimlich die Seulen hinweg/ daß ein Reichs-Gebäu fallen möge. Uber-
mässiger Pracht und Uppigkeit geben ihm eben so wol einen guten Druck/
oder nehmen vielmehr die Mittel/ und den Werckzeug/ weg/ wodurch
es solte unterhalten/ ersetzet und erneuert werden. Wenn nemlich die Po-
tentaten ihre meiste Gedancken der Ergetzlichkeit schencken/ die Wolfahrt
ihres Reichs ihnen nicht zu nahe ans Hertz grentzen lassen; vor der eisernen
Sorgfalt nothwendiger Kriegrüstungen lustige Schau- und Feder-
Spiele/ Zier-reiche lustige Täntze/ Comedien/ Jagten/ und dergleichen/
erwählen/ und den Kriegs-Raht offt allein lassen; wie kan als denn ein
Reich nicht allgemach von einer Schwachheit in die andre fallen/ bis es
gar zu Bodem/ und einem Fremden unter den Füssen ligt? Wo die Wi-
drigkeit in der Religion/ Eifer/ und Haß/ Neid/ und Verfolgungen/
entzündet/ alle Treu und Glauben zu Boden tritt/ in dem sie den Glau-
ben unzeitig beeyfert; was für Segen und Ersprießlichkeit können daselbst
aufwachsen? Es müssen je nothwendig alle wigtige Anschläge/ mit der
Weise/ den Krebs lauffen.

Nicht die Verschlimmerung oder Verwelckung der Natur; son-
dern die Laster sind es/ welche einem Reiche das Scepter entwenden/ die
Herr- in Knechtschafft/ den Wol- in Ubelstand verwandeln/ und das

Heil

Der achte Discurs/
der Natur: gleichwie er hingegen die Schwachheit der Menſchen ſeiner
Zeit/ auf die boͤſe unordentliche Lebens-Art gegeben. So hat Galenus
die Blut-laſſung/ nach der Natur deß Menſchen gerichtet/ und nicht
einem jeden gleich-viel Bluts zu nehmen erlaubt.

Ein eitler Wahn iſt es auch/ daß die Liechter der Welt/ und das
gantze Herꝛ der Sternen/ an ſeinem vorigen Glantze und Schein/ Waͤr-
me/ Bewegungen/ lebendig-machenden Einfluͤſſen/ einige Minderung
erlitten: ſintemal die erfahrneſte Stern-Weiſen uns viel eines andren
verſichern. Die Regimenter und Herꝛſchafften haben freylich ihren Um-
lauff und Wechſel; die Staͤdte ihre Friſten; wie die groͤſſeſten und wol-
gegruͤndeſten Haͤuſer endlich eingehen; imfall ihnen keine Erneuerung zu
Huͤlffe kommt. Und/ mit gleicher Muͤhe/ koͤnten wir alle Vergaͤnglichkei-
ten dieſer Welt anziehen. Aber ſolches alles dienet zu keinem Beweis. Denn
deß einen Untergang iſt deß andren Aufgang: und gehet keine Stadt oder
Policey/ oder Koͤnigreich/ aus Unkraͤfften der Natur/ zu Grunde: ſon-
dern entweder durch Gewalt/ oder Nachlaͤſſigkeit/ und Unverſtand/ oder
andren Urſachen menſchlicher Handlungen. Ungerechtigkeit verwuͤſtet
alle Laͤnder: und dazu hilfft ihre alliirte Bunds-Schweſter/ die Uneinig-
keit/ getreulich/ nebenſt ihrem Vatter/ dem Ehr-Geitz. Geitz und Eigen-
nutz/ die zween verraͤtheriſche Raͤthe/ reiſſen den Grund um/ oder rucken
Was die
rechte Ur-
ſachen eines
Reichs
Ruin ſind.
heimlich die Seulen hinweg/ daß ein Reichs-Gebaͤu fallen moͤge. Uber-
maͤſſiger Pracht und Uppigkeit geben ihm eben ſo wol einen guten Druck/
oder nehmen vielmehr die Mittel/ und den Werckzeug/ weg/ wodurch
es ſolte unterhalten/ erſetzet und erneuert werden. Wenn nemlich die Po-
tentaten ihre meiſte Gedancken der Ergetzlichkeit ſchencken/ die Wolfahrt
ihres Reichs ihnen nicht zu nahe ans Hertz grentzen laſſen; vor der eiſernen
Sorgfalt nothwendiger Kriegruͤſtungen luſtige Schau- und Feder-
Spiele/ Zier-reiche luſtige Taͤntze/ Comedien/ Jagten/ und dergleichen/
erwaͤhlen/ und den Kriegs-Raht offt allein laſſen; wie kan als denn ein
Reich nicht allgemach von einer Schwachheit in die andre fallen/ bis es
gar zu Bodem/ und einem Fremden unter den Fuͤſſen ligt? Wo die Wi-
drigkeit in der Religion/ Eifer/ und Haß/ Neid/ und Verfolgungen/
entzuͤndet/ alle Treu und Glauben zu Boden tritt/ in dem ſie den Glau-
ben unzeitig beeyfert; was fuͤr Segen und Erſprießlichkeit koͤnnen daſelbſt
aufwachſen? Es muͤſſen je nothwendig alle wigtige Anſchlaͤge/ mit der
Weiſe/ den Krebs lauffen.

Nicht die Verſchlimmerung oder Verwelckung der Natur; ſon-
dern die Laſter ſind es/ welche einem Reiche das Scepter entwenden/ die
Herꝛ- in Knechtſchafft/ den Wol- in Ubelſtand verwandeln/ und das

Heil
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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/192>, abgerufen am 02.05.2024.