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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der drey und zwantzigste Discurs/
derung/ geben/ so diese doch ein Werck vernünfftiger Seelen sind. Kan
das Gestirn nicht in die Seele fliessen/ so wird es auch schwerlich/ zu
den Kunst-sinnigen Gedancken/ welche eine Geburt der Seelen sind/
fliessen.

Wie das
Gestirn dem
Verstand
könne beför-
derlich seyn.
Goldstern. Unmittelbarer Weise zwar nicht: aber mittelbarer
gar wol/ oder/ wie die Vernunfft-Lehrer reden/ indirecte, vermittelst
deß leiblichen Temperaments und Geblüts; da senst freylich die Gestirne
nur allein den menschlichen Körper bewürcken: (a) Wenn nemlich die
leibliche Gliedmassen und Gefässer der Seelen/ den gestirnten Einfluß
empfahen/ von denen die Seele/ in den Kunst-Ubungen/ etilcher Mas-
sen dependirt/ als mit welchen sie/ in gegenwärtigen/ ihrem natürlichem
Zustande/ ist verbunden. Denn sie muß sich hiezu der körperlichen Gei-
ster bedienen. So nun solche Leibs-Geister/ von dem Gestirn/ entwe-
der verunruhiget/ oder begünstiget und glücklich disponirt werden; spricht
man/ die Seele/ oder Sinne und Gemüt/ werden gleichfalls mit verwir-
ret/ oder wol geordnet und felicitirt. Solches spühren wir ja auch greiff-
lich/ bey schönem Wetter: dabey unser Hertz und Gemüt viel munterer
ist/ als bey trauriger und rauher Lufft. (b) Solches wird/ in der Ver-
nunfft-Lehre/ noch viel weitläufftiger bewiesen: welches wir aber den
Philosophischen Schulen überlassen/ und jetzt nur überhaupt etwas da-
von reden.

Noch aber ist dieses zu verwundern/ daß etliche wollen/ es hafften
gantze Völcker Sitten am Gestirn/ und daß gantze Nationen/ mit dem-
selben/ eine gewisse Sympathiam oder Mit. Gefühl und Gleich-Artung
haben; und dazu mancherley Exempel/ aus dem Plutarcho (c) Vola-
terrano (d) Alexandro ab Alexandro (e) herfür ziehen. Welches ich gleich-
falls/ in gewisser Masse nicht widerspreche.

Adlerhaupt. Wird aber hiedurch der Freyheit unsers menschli-
chen Willens nicht zuviel abgebrochen? Was kan doch der Eisen-Stern
dafür/ ob er gleich mitten in seinem Hause stehet/ und mit dem Mer-
kur im gevierdtem Schein/ auch das Centrum deß sich anfüllenden
Monds/ in dem das Kind bey Tage zur Welt kommt/ anschauet/ daß
alsdenn ein solcher Mensch/ dem Astrologischem Wahn nach/ solte ein
Todschläger/ Flucher/ Sacramentirer/ Trunckenbold/ oder wollüstiger
Weichling werden?

Gold-
(a) Adr. Heerebord. c. 4. th. 59. Philosoph. Nat.
(b) Teste Lemnio de Occult. N. Mirac. lib. 3. c. 3.
(c) de Iside & Osiride.
(d) 1. 12. Anthropol.
(e) l. 4. Genial. dier. cap. 13.

Der drey und zwantzigſte Discurs/
derung/ geben/ ſo dieſe doch ein Werck vernuͤnfftiger Seelen ſind. Kan
das Geſtirn nicht in die Seele flieſſen/ ſo wird es auch ſchwerlich/ zu
den Kunſt-ſinnigen Gedancken/ welche eine Geburt der Seelen ſind/
flieſſen.

Wie das
Geſtiꝛn dem
Verſtand
koͤnne befoͤr-
derlich ſeyn.
Goldſtern. Unmittelbarer Weiſe zwar nicht: aber mittelbarer
gar wol/ oder/ wie die Vernunfft-Lehrer reden/ indirectè, vermittelſt
deß leiblichen Temperaments und Gebluͤts; da ſenſt freylich die Geſtirne
nur allein den menſchlichen Koͤrper bewuͤrcken: (a) Wenn nemlich die
leibliche Gliedmaſſen und Gefaͤſſer der Seelen/ den geſtirnten Einfluß
empfahen/ von denen die Seele/ in den Kunſt-Ubungen/ etilcher Maſ-
ſen dependirt/ als mit welchen ſie/ in gegenwaͤrtigen/ ihrem natuͤrlichem
Zuſtande/ iſt verbunden. Denn ſie muß ſich hiezu der koͤrperlichen Gei-
ſter bedienen. So nun ſolche Leibs-Geiſter/ von dem Geſtirn/ entwe-
der verunruhiget/ oder beguͤnſtiget und gluͤcklich diſponirt werden; ſpricht
man/ die Seele/ oder Sinne und Gemuͤt/ werden gleichfalls mit verwir-
ret/ oder wol geordnet und felicitirt. Solches ſpuͤhren wir ja auch greiff-
lich/ bey ſchoͤnem Wetter: dabey unſer Hertz und Gemuͤt viel munterer
iſt/ als bey trauriger und rauher Lufft. (b) Solches wird/ in der Ver-
nunfft-Lehre/ noch viel weitlaͤufftiger bewieſen: welches wir aber den
Philoſophiſchen Schulen uͤberlaſſen/ und jetzt nur uͤberhaupt etwas da-
von reden.

Noch aber iſt dieſes zu verwundern/ daß etliche wollen/ es hafften
gantze Voͤlcker Sitten am Geſtirn/ und daß gantze Nationen/ mit dem-
ſelben/ eine gewiſſe Sympathiam oder Mit. Gefuͤhl und Gleich-Artung
haben; und dazu mancherley Exempel/ aus dem Plutarcho (c) Vola-
terrano (d) Alexandro ab Alexandro (e) herfuͤr ziehen. Welches ich gleich-
falls/ in gewiſſer Maſſe nicht widerſpreche.

Adlerhaupt. Wird aber hiedurch der Freyheit unſers menſchli-
chen Willens nicht zuviel abgebrochen? Was kan doch der Eiſen-Stern
dafuͤr/ ob er gleich mitten in ſeinem Hauſe ſtehet/ und mit dem Mer-
kur im gevierdtem Schein/ auch das Centrum deß ſich anfuͤllenden
Monds/ in dem das Kind bey Tage zur Welt kommt/ anſchauet/ daß
alsdenn ein ſolcher Menſch/ dem Aſtrologiſchem Wahn nach/ ſolte ein
Todſchlaͤger/ Flucher/ Sacramentirer/ Trunckenbold/ oder wolluͤſtiger
Weichling werden?

Gold-
(a) Adr. Heerebord. c. 4. th. 59. Philoſoph. Nat.
(b) Teſte Lemnio de Occult. N. Mirac. lib. 3. c. 3.
(c) de Iſide & Oſiride.
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(e) l. 4. Genial. dier. cap. 13.
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[1482/1560] Der drey und zwantzigſte Discurs/ derung/ geben/ ſo dieſe doch ein Werck vernuͤnfftiger Seelen ſind. Kan das Geſtirn nicht in die Seele flieſſen/ ſo wird es auch ſchwerlich/ zu den Kunſt-ſinnigen Gedancken/ welche eine Geburt der Seelen ſind/ flieſſen. Goldſtern. Unmittelbarer Weiſe zwar nicht: aber mittelbarer gar wol/ oder/ wie die Vernunfft-Lehrer reden/ indirectè, vermittelſt deß leiblichen Temperaments und Gebluͤts; da ſenſt freylich die Geſtirne nur allein den menſchlichen Koͤrper bewuͤrcken: (a) Wenn nemlich die leibliche Gliedmaſſen und Gefaͤſſer der Seelen/ den geſtirnten Einfluß empfahen/ von denen die Seele/ in den Kunſt-Ubungen/ etilcher Maſ- ſen dependirt/ als mit welchen ſie/ in gegenwaͤrtigen/ ihrem natuͤrlichem Zuſtande/ iſt verbunden. Denn ſie muß ſich hiezu der koͤrperlichen Gei- ſter bedienen. So nun ſolche Leibs-Geiſter/ von dem Geſtirn/ entwe- der verunruhiget/ oder beguͤnſtiget und gluͤcklich diſponirt werden; ſpricht man/ die Seele/ oder Sinne und Gemuͤt/ werden gleichfalls mit verwir- ret/ oder wol geordnet und felicitirt. Solches ſpuͤhren wir ja auch greiff- lich/ bey ſchoͤnem Wetter: dabey unſer Hertz und Gemuͤt viel munterer iſt/ als bey trauriger und rauher Lufft. (b) Solches wird/ in der Ver- nunfft-Lehre/ noch viel weitlaͤufftiger bewieſen: welches wir aber den Philoſophiſchen Schulen uͤberlaſſen/ und jetzt nur uͤberhaupt etwas da- von reden. Wie das Geſtiꝛn dem Verſtand koͤnne befoͤr- derlich ſeyn. Noch aber iſt dieſes zu verwundern/ daß etliche wollen/ es hafften gantze Voͤlcker Sitten am Geſtirn/ und daß gantze Nationen/ mit dem- ſelben/ eine gewiſſe Sympathiam oder Mit. Gefuͤhl und Gleich-Artung haben; und dazu mancherley Exempel/ aus dem Plutarcho (c) Vola- terrano (d) Alexandro ab Alexandro (e) herfuͤr ziehen. Welches ich gleich- falls/ in gewiſſer Maſſe nicht widerſpreche. Adlerhaupt. Wird aber hiedurch der Freyheit unſers menſchli- chen Willens nicht zuviel abgebrochen? Was kan doch der Eiſen-Stern dafuͤr/ ob er gleich mitten in ſeinem Hauſe ſtehet/ und mit dem Mer- kur im gevierdtem Schein/ auch das Centrum deß ſich anfuͤllenden Monds/ in dem das Kind bey Tage zur Welt kommt/ anſchauet/ daß alsdenn ein ſolcher Menſch/ dem Aſtrologiſchem Wahn nach/ ſolte ein Todſchlaͤger/ Flucher/ Sacramentirer/ Trunckenbold/ oder wolluͤſtiger Weichling werden? Gold- (a) Adr. Heerebord. c. 4. th. 59. Philoſoph. Nat. (b) Teſte Lemnio de Occult. N. Mirac. lib. 3. c. 3. (c) de Iſide & Oſiride. (d) 1. 12. Anthropol. (e) l. 4. Genial. dier. cap. 13.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 1482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/1560>, abgerufen am 17.05.2024.