sah' ich aber das Wasser von den goldnen Haa- ren und den reichen Kleidern herabtröpfeln, und merkte nun wohl, das schöne Kindlein habe im Wasser gelegen, und Hülfe thue ihm Noth. -- Frau, sagte ich, uns hat Niemand unser liebes Kind erretten können; wir wollen doch wenig- stens an andern Leuten thun, was uns seelig auf Erden machen würde, vermöchte es Jemand an uns zu thun. -- Wir zogen die Kleine aus, brachten sie zu Bett' und reichten ihr wärmende Getränke, wobei sie kein Wort sprach, und uns blos aus den beiden seeblauen Augenhimmeln immerfort lächelnd anstarrte.
Des andern Morgens ließ sich wohl abneh- men, daß sie keinen weitern Schaden genommen hatte, und ich fragte nun nach ihren Aeltern, und wie sie hier hergekommen sei. Das aber gab eine verworrne, wundersamliche, Geschichte. Von weit her muß sie wohl gebürtig sein, denn nicht nur, daß ich diese funfzehn Jahre her nichts von ihrer Herkunft erforschen konnte, so sprach und spricht sie auch bisweilen so absonderliche
ſah’ ich aber das Waſſer von den goldnen Haa- ren und den reichen Kleidern herabtroͤpfeln, und merkte nun wohl, das ſchoͤne Kindlein habe im Waſſer gelegen, und Huͤlfe thue ihm Noth. — Frau, ſagte ich, uns hat Niemand unſer liebes Kind erretten koͤnnen; wir wollen doch wenig- ſtens an andern Leuten thun, was uns ſeelig auf Erden machen wuͤrde, vermoͤchte es Jemand an uns zu thun. — Wir zogen die Kleine aus, brachten ſie zu Bett’ und reichten ihr waͤrmende Getraͤnke, wobei ſie kein Wort ſprach, und uns blos aus den beiden ſeeblauen Augenhimmeln immerfort laͤchelnd anſtarrte.
Des andern Morgens ließ ſich wohl abneh- men, daß ſie keinen weitern Schaden genommen hatte, und ich fragte nun nach ihren Aeltern, und wie ſie hier hergekommen ſei. Das aber gab eine verworrne, wunderſamliche, Geſchichte. Von weit her muß ſie wohl gebuͤrtig ſein, denn nicht nur, daß ich dieſe funfzehn Jahre her nichts von ihrer Herkunft erforſchen konnte, ſo ſprach und ſpricht ſie auch bisweilen ſo abſonderliche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0037"n="23"/>ſah’ ich aber das Waſſer von den goldnen Haa-<lb/>
ren und den reichen Kleidern herabtroͤpfeln, und<lb/>
merkte nun wohl, das ſchoͤne Kindlein habe im<lb/>
Waſſer gelegen, und Huͤlfe thue ihm Noth. —<lb/>
Frau, ſagte ich, uns hat Niemand unſer liebes<lb/>
Kind erretten koͤnnen; wir wollen doch wenig-<lb/>ſtens an andern Leuten thun, was uns ſeelig<lb/>
auf Erden machen wuͤrde, vermoͤchte es Jemand<lb/>
an uns zu thun. — Wir zogen die Kleine aus,<lb/>
brachten ſie zu Bett’ und reichten ihr waͤrmende<lb/>
Getraͤnke, wobei ſie kein Wort ſprach, und uns<lb/>
blos aus den beiden ſeeblauen Augenhimmeln<lb/>
immerfort laͤchelnd anſtarrte.</p><lb/><p>Des andern Morgens ließ ſich wohl abneh-<lb/>
men, daß ſie keinen weitern Schaden genommen<lb/>
hatte, und ich fragte nun nach ihren Aeltern,<lb/>
und wie ſie hier hergekommen ſei. Das aber<lb/>
gab eine verworrne, wunderſamliche, Geſchichte.<lb/>
Von weit her muß ſie wohl gebuͤrtig ſein, denn<lb/>
nicht nur, daß ich dieſe funfzehn Jahre her nichts<lb/>
von ihrer Herkunft erforſchen konnte, ſo ſprach<lb/>
und ſpricht ſie auch bisweilen ſo abſonderliche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[23/0037]
ſah’ ich aber das Waſſer von den goldnen Haa-
ren und den reichen Kleidern herabtroͤpfeln, und
merkte nun wohl, das ſchoͤne Kindlein habe im
Waſſer gelegen, und Huͤlfe thue ihm Noth. —
Frau, ſagte ich, uns hat Niemand unſer liebes
Kind erretten koͤnnen; wir wollen doch wenig-
ſtens an andern Leuten thun, was uns ſeelig
auf Erden machen wuͤrde, vermoͤchte es Jemand
an uns zu thun. — Wir zogen die Kleine aus,
brachten ſie zu Bett’ und reichten ihr waͤrmende
Getraͤnke, wobei ſie kein Wort ſprach, und uns
blos aus den beiden ſeeblauen Augenhimmeln
immerfort laͤchelnd anſtarrte.
Des andern Morgens ließ ſich wohl abneh-
men, daß ſie keinen weitern Schaden genommen
hatte, und ich fragte nun nach ihren Aeltern,
und wie ſie hier hergekommen ſei. Das aber
gab eine verworrne, wunderſamliche, Geſchichte.
Von weit her muß ſie wohl gebuͤrtig ſein, denn
nicht nur, daß ich dieſe funfzehn Jahre her nichts
von ihrer Herkunft erforſchen konnte, ſo ſprach
und ſpricht ſie auch bisweilen ſo abſonderliche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/37>, abgerufen am 17.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.