Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

liegt vor uns ein breiter See, und mit sinken-
dem Abende in den wunderlichen Wald zurück
zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! --
Wir wollen nicht allzuviel davon reden, sagte
der Fischer, und führte seinen Gast in die
Hütte.

Drinnen saß bei dem Heerde, von welchem
aus ein spärliches Feuer die dämmernde, rein-
liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle,
des Fischers betagte Frau; beim Eintritte des
vornehmen Gastes stand sie freundlich grüßend
auf, setzte sich aber an ihren Ehrenplatz wieder
hin, ohne diesen dem Fremdling anzubieten, wo-
bei der Fischer lächelnd sagte: Ihr müßt es
ihr nicht verübeln, junger Herr, daß sie Euch
den bequemsten Stuhl im Hause nicht abtritt;
das ist so Sitte bei armen Leuten, daß der
den Alten ganz ausschließlich gehört. -- Ei,
Mann, sagte die Frau mit ruhigem Lächeln,
wo denkst Du auch hin? Unser Gast wird
doch zu den Christenmenschen gehören, und wie
könnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-

liegt vor uns ein breiter See, und mit ſinken-
dem Abende in den wunderlichen Wald zuruͤck
zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! —
Wir wollen nicht allzuviel davon reden, ſagte
der Fiſcher, und fuͤhrte ſeinen Gaſt in die
Huͤtte.

Drinnen ſaß bei dem Heerde, von welchem
aus ein ſpaͤrliches Feuer die daͤmmernde, rein-
liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle,
des Fiſchers betagte Frau; beim Eintritte des
vornehmen Gaſtes ſtand ſie freundlich gruͤßend
auf, ſetzte ſich aber an ihren Ehrenplatz wieder
hin, ohne dieſen dem Fremdling anzubieten, wo-
bei der Fiſcher laͤchelnd ſagte: Ihr muͤßt es
ihr nicht veruͤbeln, junger Herr, daß ſie Euch
den bequemſten Stuhl im Hauſe nicht abtritt;
das iſt ſo Sitte bei armen Leuten, daß der
den Alten ganz ausſchließlich gehoͤrt. — Ei,
Mann, ſagte die Frau mit ruhigem Laͤcheln,
wo denkſt Du auch hin? Unſer Gaſt wird
doch zu den Chriſtenmenſchen gehoͤren, und wie
koͤnnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="8"/>
liegt vor uns ein breiter See, und mit &#x017F;inken-<lb/>
dem Abende in den wunderlichen Wald zuru&#x0364;ck<lb/>
zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! &#x2014;<lb/>
Wir wollen nicht allzuviel davon reden, &#x017F;agte<lb/>
der Fi&#x017F;cher, und fu&#x0364;hrte &#x017F;einen Ga&#x017F;t in die<lb/>
Hu&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Drinnen &#x017F;aß bei dem Heerde, von welchem<lb/>
aus ein &#x017F;pa&#x0364;rliches Feuer die da&#x0364;mmernde, rein-<lb/>
liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle,<lb/>
des Fi&#x017F;chers betagte Frau; beim Eintritte des<lb/>
vornehmen Ga&#x017F;tes &#x017F;tand &#x017F;ie freundlich gru&#x0364;ßend<lb/>
auf, &#x017F;etzte &#x017F;ich aber an ihren Ehrenplatz wieder<lb/>
hin, ohne die&#x017F;en dem Fremdling anzubieten, wo-<lb/>
bei der Fi&#x017F;cher la&#x0364;chelnd &#x017F;agte: Ihr mu&#x0364;ßt es<lb/>
ihr nicht veru&#x0364;beln, junger Herr, daß &#x017F;ie Euch<lb/>
den bequem&#x017F;ten Stuhl im Hau&#x017F;e nicht abtritt;<lb/>
das i&#x017F;t &#x017F;o Sitte bei armen Leuten, daß der<lb/>
den Alten ganz aus&#x017F;chließlich geho&#x0364;rt. &#x2014; Ei,<lb/>
Mann, &#x017F;agte die Frau mit ruhigem La&#x0364;cheln,<lb/>
wo denk&#x017F;t Du auch hin? Un&#x017F;er Ga&#x017F;t wird<lb/>
doch zu den Chri&#x017F;tenmen&#x017F;chen geho&#x0364;ren, und wie<lb/>
ko&#x0364;nnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0022] liegt vor uns ein breiter See, und mit ſinken- dem Abende in den wunderlichen Wald zuruͤck zu reiten, davor bewahre mich der liebe Gott! — Wir wollen nicht allzuviel davon reden, ſagte der Fiſcher, und fuͤhrte ſeinen Gaſt in die Huͤtte. Drinnen ſaß bei dem Heerde, von welchem aus ein ſpaͤrliches Feuer die daͤmmernde, rein- liche, Stube erhellte, auf einem großen Stuhle, des Fiſchers betagte Frau; beim Eintritte des vornehmen Gaſtes ſtand ſie freundlich gruͤßend auf, ſetzte ſich aber an ihren Ehrenplatz wieder hin, ohne dieſen dem Fremdling anzubieten, wo- bei der Fiſcher laͤchelnd ſagte: Ihr muͤßt es ihr nicht veruͤbeln, junger Herr, daß ſie Euch den bequemſten Stuhl im Hauſe nicht abtritt; das iſt ſo Sitte bei armen Leuten, daß der den Alten ganz ausſchließlich gehoͤrt. — Ei, Mann, ſagte die Frau mit ruhigem Laͤcheln, wo denkſt Du auch hin? Unſer Gaſt wird doch zu den Chriſtenmenſchen gehoͤren, und wie koͤnnte es alsdann dem lieben jungen Blut ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/22
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/22>, abgerufen am 28.03.2024.