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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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talda, in einen Spiegel blickend, seufzte: ach,
aber seht Ihr wohl die werdenden Sommer-
sprossen hier seitwärts am Halse? -- Sie sa-
hen hin, und fanden es freilich, wie es die schö-
ne Herrin gesagt hatte, aber ein liebliches Mahl
nannten sie's, einen kleinen Flecken, der die
Weiße der zarten Haut noch erhöhe. Bertalda
schüttelte den Kopf, und meinte, ein Makel
bleib' es doch immer. -- Und ich könnt' es los
sein, seufzte sie endlich. Aber der Schloßbrun-
nen ist zu, aus dem ich sonst immer das köst-
liche, hautreinigende, Wasser schöpfen ließ. Wenn
ich doch Heut nur eine Flasche davon hätte! --
Ist es nur das? lachte eine behende Dienerin,
und schlüpfte aus dem Gemach. -- Sie wird
doch nicht so toll sein, fragte Bertalda wohl-
gefällig erstaunt, noch Heut Abend den Brun-
nenstein abwälzen zu lassen? -- Da hörte man
bereits, daß Männer über den Hof gingen, und
konnte aus dem Fenster sehn, wie die gefällige
Dienerinn sie grade auf den Brunnen losführte,
und sie Hebebäume und andres Werkzeug auf

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talda, in einen Spiegel blickend, ſeufzte: ach,
aber ſeht Ihr wohl die werdenden Sommer-
ſproſſen hier ſeitwaͤrts am Halſe? — Sie ſa-
hen hin, und fanden es freilich, wie es die ſchoͤ-
ne Herrin geſagt hatte, aber ein liebliches Mahl
nannten ſie’s, einen kleinen Flecken, der die
Weiße der zarten Haut noch erhoͤhe. Bertalda
ſchuͤttelte den Kopf, und meinte, ein Makel
bleib’ es doch immer. — Und ich koͤnnt’ es los
ſein, ſeufzte ſie endlich. Aber der Schloßbrun-
nen iſt zu, aus dem ich ſonſt immer das koͤſt-
liche, hautreinigende, Waſſer ſchoͤpfen ließ. Wenn
ich doch Heut nur eine Flaſche davon haͤtte! —
Iſt es nur das? lachte eine behende Dienerin,
und ſchluͤpfte aus dem Gemach. — Sie wird
doch nicht ſo toll ſein, fragte Bertalda wohl-
gefaͤllig erſtaunt, noch Heut Abend den Brun-
nenſtein abwaͤlzen zu laſſen? — Da hoͤrte man
bereits, daß Maͤnner uͤber den Hof gingen, und
konnte aus dem Fenſter ſehn, wie die gefaͤllige
Dienerinn ſie grade auf den Brunnen losfuͤhrte,
und ſie Hebebaͤume und andres Werkzeug auf

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[179/0193] talda, in einen Spiegel blickend, ſeufzte: ach, aber ſeht Ihr wohl die werdenden Sommer- ſproſſen hier ſeitwaͤrts am Halſe? — Sie ſa- hen hin, und fanden es freilich, wie es die ſchoͤ- ne Herrin geſagt hatte, aber ein liebliches Mahl nannten ſie’s, einen kleinen Flecken, der die Weiße der zarten Haut noch erhoͤhe. Bertalda ſchuͤttelte den Kopf, und meinte, ein Makel bleib’ es doch immer. — Und ich koͤnnt’ es los ſein, ſeufzte ſie endlich. Aber der Schloßbrun- nen iſt zu, aus dem ich ſonſt immer das koͤſt- liche, hautreinigende, Waſſer ſchoͤpfen ließ. Wenn ich doch Heut nur eine Flaſche davon haͤtte! — Iſt es nur das? lachte eine behende Dienerin, und ſchluͤpfte aus dem Gemach. — Sie wird doch nicht ſo toll ſein, fragte Bertalda wohl- gefaͤllig erſtaunt, noch Heut Abend den Brun- nenſtein abwaͤlzen zu laſſen? — Da hoͤrte man bereits, daß Maͤnner uͤber den Hof gingen, und konnte aus dem Fenſter ſehn, wie die gefaͤllige Dienerinn ſie grade auf den Brunnen losfuͤhrte, und ſie Hebebaͤume und andres Werkzeug auf M 2

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/193>, abgerufen am 04.05.2024.