Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

mit finsterm Antlitz. -- Ganz allein möcht' ich
es Dir sagen! seufzte Undine. -- Du kannst
es eben so gut in Bertaldas Gegenwart; entgeg-
nete er. -- Ja, wenn Du es gebeutst, sagte
Undine; aber gebeut es nicht. O bitte, bitte,
gebeut es nicht. -- Sie sah so demüthig, hold
und gehorsam aus, daß des Ritters Herz sich
einem Sonnenblick aus bessern Zeiten erschloß.
Er faßte sie freundlich unter den Arm, und führ-
te sie in sein Gemach, wo sie folgendermaaßen
zu sprechen begann.

Du kennst ja den bösen Oheim Kühleborn,
mein geliebter Herr, und bist ihm öfters unwil-
lig in den Gängen dieser Burg begegnet. Ber-
talden hat er gar bisweilen zum Krankwerden
erschreckt. Das macht, er ist seelenlos, ein blo-
ßer, elementarischer Spiegel der Aussenwelt, der
das Innere nicht wiederzustrahlen vermag. Da
sieht er denn bisweilen, daß Du unzufrieden
mit mir bist, daß ich in meinem kindischen Sin-
ne darüber weine, daß Bertalda vielleicht eben
in derselben Stunde zufällig lacht. Nun bildet

J 2

mit finſterm Antlitz. — Ganz allein moͤcht’ ich
es Dir ſagen! ſeufzte Undine. — Du kannſt
es eben ſo gut in Bertaldas Gegenwart; entgeg-
nete er. — Ja, wenn Du es gebeutſt, ſagte
Undine; aber gebeut es nicht. O bitte, bitte,
gebeut es nicht. — Sie ſah ſo demuͤthig, hold
und gehorſam aus, daß des Ritters Herz ſich
einem Sonnenblick aus beſſern Zeiten erſchloß.
Er faßte ſie freundlich unter den Arm, und fuͤhr-
te ſie in ſein Gemach, wo ſie folgendermaaßen
zu ſprechen begann.

Du kennſt ja den boͤſen Oheim Kuͤhleborn,
mein geliebter Herr, und biſt ihm oͤfters unwil-
lig in den Gaͤngen dieſer Burg begegnet. Ber-
talden hat er gar bisweilen zum Krankwerden
erſchreckt. Das macht, er iſt ſeelenlos, ein blo-
ßer, elementariſcher Spiegel der Auſſenwelt, der
das Innere nicht wiederzuſtrahlen vermag. Da
ſieht er denn bisweilen, daß Du unzufrieden
mit mir biſt, daß ich in meinem kindiſchen Sin-
ne daruͤber weine, daß Bertalda vielleicht eben
in derſelben Stunde zufaͤllig lacht. Nun bildet

J 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="131"/>
mit fin&#x017F;term Antlitz. &#x2014; Ganz allein mo&#x0364;cht&#x2019; ich<lb/>
es Dir &#x017F;agen! &#x017F;eufzte Undine. &#x2014; Du kann&#x017F;t<lb/>
es eben &#x017F;o gut in Bertaldas Gegenwart; entgeg-<lb/>
nete er. &#x2014; Ja, wenn Du es gebeut&#x017F;t, &#x017F;agte<lb/>
Undine; aber gebeut es nicht. O bitte, bitte,<lb/>
gebeut es nicht. &#x2014; Sie &#x017F;ah &#x017F;o demu&#x0364;thig, hold<lb/>
und gehor&#x017F;am aus, daß des Ritters Herz &#x017F;ich<lb/>
einem Sonnenblick aus be&#x017F;&#x017F;ern Zeiten er&#x017F;chloß.<lb/>
Er faßte &#x017F;ie freundlich unter den Arm, und fu&#x0364;hr-<lb/>
te &#x017F;ie in &#x017F;ein Gemach, wo &#x017F;ie folgendermaaßen<lb/>
zu &#x017F;prechen begann.</p><lb/>
          <p>Du kenn&#x017F;t ja den bo&#x0364;&#x017F;en Oheim Ku&#x0364;hleborn,<lb/>
mein geliebter Herr, und bi&#x017F;t ihm o&#x0364;fters unwil-<lb/>
lig in den Ga&#x0364;ngen die&#x017F;er Burg begegnet. Ber-<lb/>
talden hat er gar bisweilen zum Krankwerden<lb/>
er&#x017F;chreckt. Das macht, er i&#x017F;t &#x017F;eelenlos, ein blo-<lb/>
ßer, elementari&#x017F;cher Spiegel der Au&#x017F;&#x017F;enwelt, der<lb/>
das Innere nicht wiederzu&#x017F;trahlen vermag. Da<lb/>
&#x017F;ieht er denn bisweilen, daß Du unzufrieden<lb/>
mit mir bi&#x017F;t, daß ich in meinem kindi&#x017F;chen Sin-<lb/>
ne daru&#x0364;ber weine, daß Bertalda vielleicht eben<lb/>
in der&#x017F;elben Stunde zufa&#x0364;llig lacht. Nun bildet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0145] mit finſterm Antlitz. — Ganz allein moͤcht’ ich es Dir ſagen! ſeufzte Undine. — Du kannſt es eben ſo gut in Bertaldas Gegenwart; entgeg- nete er. — Ja, wenn Du es gebeutſt, ſagte Undine; aber gebeut es nicht. O bitte, bitte, gebeut es nicht. — Sie ſah ſo demuͤthig, hold und gehorſam aus, daß des Ritters Herz ſich einem Sonnenblick aus beſſern Zeiten erſchloß. Er faßte ſie freundlich unter den Arm, und fuͤhr- te ſie in ſein Gemach, wo ſie folgendermaaßen zu ſprechen begann. Du kennſt ja den boͤſen Oheim Kuͤhleborn, mein geliebter Herr, und biſt ihm oͤfters unwil- lig in den Gaͤngen dieſer Burg begegnet. Ber- talden hat er gar bisweilen zum Krankwerden erſchreckt. Das macht, er iſt ſeelenlos, ein blo- ßer, elementariſcher Spiegel der Auſſenwelt, der das Innere nicht wiederzuſtrahlen vermag. Da ſieht er denn bisweilen, daß Du unzufrieden mit mir biſt, daß ich in meinem kindiſchen Sin- ne daruͤber weine, daß Bertalda vielleicht eben in derſelben Stunde zufaͤllig lacht. Nun bildet J 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/145
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/145>, abgerufen am 27.11.2024.