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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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er sich allerhand Ungleiches ein, und mischt sich
auf vielfache Weise ungebeten in unsern Kreis.
Was hilft's, daß ich ihn ausschelte? Daß ich ihn
unfreundlich wegschicke? Er glaubt mir nicht ein
Wort. Sein armes Leben hat keine Ahnung
davon, wie Liebesleiden und Liebesfreuden ein-
ander so anmuthig gleich sehn, und so innig ver-
schwistert sind, daß keine Gewalt sie zu trennen
vermag. Unter der Thräne quillt das Lächeln
vor, das Lächeln lockt die Thräne aus ihren
Kammern.

Sie sah lächelnd und weinend nach Huld-
brand in die Höh', der allen Zauber der alten
Liebe wieder in seinem Herzen empfand. Sie
fühlte das, drückte ihn inniger an sich, und fuhr
unter freudigen Thränen also fort:

Da sich der Friedenstörer nicht mit Wor-
ten weisen ließ, mußte ich wohl die Thür vor
ihm zusperren. Und die einzige Thür, die er
zu uns hat, ist jener Brunnen. Mit den an-
dern Quellgeistern hier in der Gegend ist er ent-
zweit, von dem nächsten Thälern an, und erst

er ſich allerhand Ungleiches ein, und miſcht ſich
auf vielfache Weiſe ungebeten in unſern Kreis.
Was hilft’s, daß ich ihn ausſchelte? Daß ich ihn
unfreundlich wegſchicke? Er glaubt mir nicht ein
Wort. Sein armes Leben hat keine Ahnung
davon, wie Liebesleiden und Liebesfreuden ein-
ander ſo anmuthig gleich ſehn, und ſo innig ver-
ſchwiſtert ſind, daß keine Gewalt ſie zu trennen
vermag. Unter der Thraͤne quillt das Laͤcheln
vor, das Laͤcheln lockt die Thraͤne aus ihren
Kammern.

Sie ſah laͤchelnd und weinend nach Huld-
brand in die Hoͤh’, der allen Zauber der alten
Liebe wieder in ſeinem Herzen empfand. Sie
fuͤhlte das, druͤckte ihn inniger an ſich, und fuhr
unter freudigen Thraͤnen alſo fort:

Da ſich der Friedenſtoͤrer nicht mit Wor-
ten weiſen ließ, mußte ich wohl die Thuͤr vor
ihm zuſperren. Und die einzige Thuͤr, die er
zu uns hat, iſt jener Brunnen. Mit den an-
dern Quellgeiſtern hier in der Gegend iſt er ent-
zweit, von dem naͤchſten Thaͤlern an, und erſt

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[132/0146] er ſich allerhand Ungleiches ein, und miſcht ſich auf vielfache Weiſe ungebeten in unſern Kreis. Was hilft’s, daß ich ihn ausſchelte? Daß ich ihn unfreundlich wegſchicke? Er glaubt mir nicht ein Wort. Sein armes Leben hat keine Ahnung davon, wie Liebesleiden und Liebesfreuden ein- ander ſo anmuthig gleich ſehn, und ſo innig ver- ſchwiſtert ſind, daß keine Gewalt ſie zu trennen vermag. Unter der Thraͤne quillt das Laͤcheln vor, das Laͤcheln lockt die Thraͤne aus ihren Kammern. Sie ſah laͤchelnd und weinend nach Huld- brand in die Hoͤh’, der allen Zauber der alten Liebe wieder in ſeinem Herzen empfand. Sie fuͤhlte das, druͤckte ihn inniger an ſich, und fuhr unter freudigen Thraͤnen alſo fort: Da ſich der Friedenſtoͤrer nicht mit Wor- ten weiſen ließ, mußte ich wohl die Thuͤr vor ihm zuſperren. Und die einzige Thuͤr, die er zu uns hat, iſt jener Brunnen. Mit den an- dern Quellgeiſtern hier in der Gegend iſt er ent- zweit, von dem naͤchſten Thaͤlern an, und erſt

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/146>, abgerufen am 06.05.2024.