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Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

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Augen flossen in der süssesten Rührung über. --
Wo sind denn die armen, harrenden Aeltern?
fragte sie, und der alte Fischer mit seiner Frau
wankten aus dem Haufen der Zuschauer vor.
Ihre Augen hingen fragend bald an Undinen,
bald an dem schönen Fräulein, das ihre Tochter
sein sollte. -- Sie ist es! stammelte die ent-
zückte Geberin, und die zwei alten Leute hingen
lautweinend und Gott preisend an dem Halse
der Wiedergefundnen.

Aber entsetzt und zürnend riß sich Bertalda
aus ihrer Umarmung los. Es war zu viel für
dieses stolze Gemüth, eine solche Wiedererken-
nung, in dem Augenblicke, wo sie fest gemeint
hatte, ihren bisherigen Glanz noch zu steigern,
und die Hoffnung Thronhimmel und Kronen
über ihr Haupt herunter regnen ließ. Es kam
ihr vor, als habe ihre Nebenbuhlerin dies Alles
ersonnen, um sie nur recht ausgesucht vor Huld-
branden und aller Welt zu demüthigen. Sie
schalt Undinen, sie schalt die beiden Alten, die
häßlichen Worte: Betrügerin und erkauftes Volk!

Augen floſſen in der ſuͤſſeſten Ruͤhrung uͤber. —
Wo ſind denn die armen, harrenden Aeltern?
fragte ſie, und der alte Fiſcher mit ſeiner Frau
wankten aus dem Haufen der Zuſchauer vor.
Ihre Augen hingen fragend bald an Undinen,
bald an dem ſchoͤnen Fraͤulein, das ihre Tochter
ſein ſollte. — Sie iſt es! ſtammelte die ent-
zuͤckte Geberin, und die zwei alten Leute hingen
lautweinend und Gott preiſend an dem Halſe
der Wiedergefundnen.

Aber entſetzt und zuͤrnend riß ſich Bertalda
aus ihrer Umarmung los. Es war zu viel fuͤr
dieſes ſtolze Gemuͤth, eine ſolche Wiedererken-
nung, in dem Augenblicke, wo ſie feſt gemeint
hatte, ihren bisherigen Glanz noch zu ſteigern,
und die Hoffnung Thronhimmel und Kronen
uͤber ihr Haupt herunter regnen ließ. Es kam
ihr vor, als habe ihre Nebenbuhlerin dies Alles
erſonnen, um ſie nur recht ausgeſucht vor Huld-
branden und aller Welt zu demuͤthigen. Sie
ſchalt Undinen, ſie ſchalt die beiden Alten, die
haͤßlichen Worte: Betruͤgerin und erkauftes Volk!

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[110/0124] Augen floſſen in der ſuͤſſeſten Ruͤhrung uͤber. — Wo ſind denn die armen, harrenden Aeltern? fragte ſie, und der alte Fiſcher mit ſeiner Frau wankten aus dem Haufen der Zuſchauer vor. Ihre Augen hingen fragend bald an Undinen, bald an dem ſchoͤnen Fraͤulein, das ihre Tochter ſein ſollte. — Sie iſt es! ſtammelte die ent- zuͤckte Geberin, und die zwei alten Leute hingen lautweinend und Gott preiſend an dem Halſe der Wiedergefundnen. Aber entſetzt und zuͤrnend riß ſich Bertalda aus ihrer Umarmung los. Es war zu viel fuͤr dieſes ſtolze Gemuͤth, eine ſolche Wiedererken- nung, in dem Augenblicke, wo ſie feſt gemeint hatte, ihren bisherigen Glanz noch zu ſteigern, und die Hoffnung Thronhimmel und Kronen uͤber ihr Haupt herunter regnen ließ. Es kam ihr vor, als habe ihre Nebenbuhlerin dies Alles erſonnen, um ſie nur recht ausgeſucht vor Huld- branden und aller Welt zu demuͤthigen. Sie ſchalt Undinen, ſie ſchalt die beiden Alten, die haͤßlichen Worte: Betruͤgerin und erkauftes Volk!

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Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/124>, abgerufen am 25.11.2024.