Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189.

Bild:
<< vorherige Seite

rissen sich von ihren Lippen. Da sagte die alte
Fischerfrau nur ganz leise vor sich hin: ach Gott,
sie ist ein böses Weibsbild geworden; und den-
noch fühl' ich's im Herzen, daß sie von mir ge-
boren ist. -- Der alte Fischer aber hatte seine
Hände gefaltet, und betete still, daß die hier
seine Tochter nicht sein möge. -- Undine wankte
todesbleich von den Aeltern zu Bertalden, von
Bertalden zu den Aeltern, plötzlich aus all' den
Himmeln, die sie sich geträumt hatte, in eine
Angst und ein Entsetzen gestürtzt, das ihr bisher
auch nicht im Traume kund geworden war. Hast
Du denn eine Seele? Hast Du denn wirklich
eine Seele, Bertalda? schrie sie einigemale in
ihre zürnende Freundin hinein, als wolle sie
sie aus einem plötzlichen Wahnsinn oder einem
tollmachenden Nachtgesichte gewaltsam zur Besin-
nung bringen. Als aber Bertalda nur immer
noch ungestümer wüthete, als die verstoßenen Ael-
tern laut zu heulen anfingen, und die Gesell-
schaft sich streitend und eifernd in verschiedne
Parten theilte, erbat sie sich mit einemmale so

riſſen ſich von ihren Lippen. Da ſagte die alte
Fiſcherfrau nur ganz leiſe vor ſich hin: ach Gott,
ſie iſt ein boͤſes Weibsbild geworden; und den-
noch fuͤhl’ ich’s im Herzen, daß ſie von mir ge-
boren iſt. — Der alte Fiſcher aber hatte ſeine
Haͤnde gefaltet, und betete ſtill, daß die hier
ſeine Tochter nicht ſein moͤge. — Undine wankte
todesbleich von den Aeltern zu Bertalden, von
Bertalden zu den Aeltern, ploͤtzlich aus all’ den
Himmeln, die ſie ſich getraͤumt hatte, in eine
Angſt und ein Entſetzen geſtuͤrtzt, das ihr bisher
auch nicht im Traume kund geworden war. Haſt
Du denn eine Seele? Haſt Du denn wirklich
eine Seele, Bertalda? ſchrie ſie einigemale in
ihre zuͤrnende Freundin hinein, als wolle ſie
ſie aus einem ploͤtzlichen Wahnſinn oder einem
tollmachenden Nachtgeſichte gewaltſam zur Beſin-
nung bringen. Als aber Bertalda nur immer
noch ungeſtuͤmer wuͤthete, als die verſtoßenen Ael-
tern laut zu heulen anfingen, und die Geſell-
ſchaft ſich ſtreitend und eifernd in verſchiedne
Parten theilte, erbat ſie ſich mit einemmale ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0125" n="111"/>
ri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich von ihren Lippen. Da &#x017F;agte die alte<lb/>
Fi&#x017F;cherfrau nur ganz lei&#x017F;e vor &#x017F;ich hin: ach Gott,<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t ein bo&#x0364;&#x017F;es Weibsbild geworden; und den-<lb/>
noch fu&#x0364;hl&#x2019; ich&#x2019;s im Herzen, daß &#x017F;ie von mir ge-<lb/>
boren i&#x017F;t. &#x2014; Der alte Fi&#x017F;cher aber hatte &#x017F;eine<lb/>
Ha&#x0364;nde gefaltet, und betete &#x017F;till, daß die hier<lb/>
&#x017F;eine Tochter nicht &#x017F;ein mo&#x0364;ge. &#x2014; Undine wankte<lb/>
todesbleich von den Aeltern zu Bertalden, von<lb/>
Bertalden zu den Aeltern, plo&#x0364;tzlich aus all&#x2019; den<lb/>
Himmeln, die &#x017F;ie &#x017F;ich getra&#x0364;umt hatte, in eine<lb/>
Ang&#x017F;t und ein Ent&#x017F;etzen ge&#x017F;tu&#x0364;rtzt, das ihr bisher<lb/>
auch nicht im Traume kund geworden war. Ha&#x017F;t<lb/>
Du denn eine Seele? Ha&#x017F;t Du denn wirklich<lb/>
eine Seele, Bertalda? &#x017F;chrie &#x017F;ie einigemale in<lb/>
ihre zu&#x0364;rnende Freundin hinein, als wolle &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ie aus einem plo&#x0364;tzlichen Wahn&#x017F;inn oder einem<lb/>
tollmachenden Nachtge&#x017F;ichte gewalt&#x017F;am zur Be&#x017F;in-<lb/>
nung bringen. Als aber Bertalda nur immer<lb/>
noch unge&#x017F;tu&#x0364;mer wu&#x0364;thete, als die ver&#x017F;toßenen Ael-<lb/>
tern laut zu heulen anfingen, und die Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;ich &#x017F;treitend und eifernd in ver&#x017F;chiedne<lb/>
Parten theilte, erbat &#x017F;ie &#x017F;ich mit einemmale &#x017F;o<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0125] riſſen ſich von ihren Lippen. Da ſagte die alte Fiſcherfrau nur ganz leiſe vor ſich hin: ach Gott, ſie iſt ein boͤſes Weibsbild geworden; und den- noch fuͤhl’ ich’s im Herzen, daß ſie von mir ge- boren iſt. — Der alte Fiſcher aber hatte ſeine Haͤnde gefaltet, und betete ſtill, daß die hier ſeine Tochter nicht ſein moͤge. — Undine wankte todesbleich von den Aeltern zu Bertalden, von Bertalden zu den Aeltern, ploͤtzlich aus all’ den Himmeln, die ſie ſich getraͤumt hatte, in eine Angſt und ein Entſetzen geſtuͤrtzt, das ihr bisher auch nicht im Traume kund geworden war. Haſt Du denn eine Seele? Haſt Du denn wirklich eine Seele, Bertalda? ſchrie ſie einigemale in ihre zuͤrnende Freundin hinein, als wolle ſie ſie aus einem ploͤtzlichen Wahnſinn oder einem tollmachenden Nachtgeſichte gewaltſam zur Beſin- nung bringen. Als aber Bertalda nur immer noch ungeſtuͤmer wuͤthete, als die verſtoßenen Ael- tern laut zu heulen anfingen, und die Geſell- ſchaft ſich ſtreitend und eifernd in verſchiedne Parten theilte, erbat ſie ſich mit einemmale ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/125
Zitationshilfe: Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/125>, abgerufen am 06.05.2024.